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300, Zeitschrift der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten Dezember 2015, www.daskonstruktiv.at, Euro 9,– | GZ 12Z039152 M | bAIK, Karlsgasse 9, 1040 Wien 300, Jung und hungrig Die Frage ist, welche neuen Kommunikationsformate es braucht, um wieder zu einem gemeinsamen Verständnis davon zu gelangen, was wir überhaupt tun, warum und für wen.

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Inhalt 8 – 10 11 – 13 14 – 18 19 – 21 22 – 23 24 – 25 26 – 27 28 – 31 Jung und hungrig Editorial, Vorwort des Präsidiums Puntigams Kolumne, Dusls Schwerpunkt Standpunkte: Klaus Thürriedl, Barbara Ettinger-Brinckmann und Anne Mautner Markhof Bernhard Sommer und Dietmar Steiner Plus / Minus: Offener Wettbewerb Unsere Verantwortung | Technik trifft Nachwuchs Sabine Seidler Vom Paradox zur Resilienz? | Der Kontext von Reformen der Einstiegsphase von Ziviltechnikern und Ziviltechnikerinnen Oliver Schürer Technikkarrieren fördern | „Ein Sammelsurium von Initiativen“ Barbara Feller Work­Life­Balance | Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie Silvia Forlati, Anne Isopp und Sabina Riss Lost in Intermediation | Über Kommunikationsdefizite und das Imageproblem Patrick Jaritz Vorbilder | Emanzipation von eingefahrenen Rollen Anna Soucek Fritz Matzinger | Überzeugungstäter, nicht Auftragnehmer Reinhard Seiß Engagement ist gefragt | Neue Möglichkeiten für junge Ziviltechniker und Ziviltechnikerinnen Franziska Leeb im Gespräch mit Christian Aulinger 32 Gerhard Buresch | 1937 – 2015 Franziska Leeb 40 Aus dem Wettbewerb, Empfehlungen 41 Jüngste Entscheidung, Krassnitzers Lektüren 42 Porträt: Sigrid Brell-Cokcan Anne Isopp 43 Fehlanzeige, Das nächste Heft 44 Von oben Impressum Medieninhaber und Herausgeber 2 | 3 Erscheinungsweise Auflage Einzelpreis Abopreis pro Jahr Redaktion, Anzeigen & Aboverwaltung Redaktionsteam Redaktionsbeirat konstruktiv 300 Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (bAIK) 1040 Wien, Karlsgasse 9 T: 01­505 58 07­0, F: 01­505 32 11 www.daskonstruktiv.at vier Mal jährlich 14.500 Stück 9,00 Euro 24,00 Euro art: phalanx Kunst­ und Kommunikationsagentur Clemens Kopetzky und Susanne Haider (Geschäftsleitung) Franziska Leeb und Marlies Marbler 1070 Wien, Neubaugasse 25 /1/11 T: 01­524 9803­0, F: 01­524 9803­4 redaktion@daskonstruktiv.at, anzeigen@ daskonstruktiv.at, abo@daskonstruktiv.at Christian Aulinger (Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten), Armin Haghirian (Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten), Andrea Hinterleitner­Sedlacek (Stv. Vorsitzende des Forums der Ziviltechnikerinnen), Gabriele Kaiser (Leiterin afo architekturforum oberösterreich), Rudolf Kolbe (Vizepräsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten und Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Oberösterreich und Salzburg), Anna Soucek (Journalistin), Hanno Vogl­Fernheim (Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Tirol und Vorarlberg) Lektorat Grafisches Basiskonzept Gestaltung Druck Schriften Abbildungen F. = Fotograf A. = Architekt Dorrit Korger Gassner Redolfi, Schlins Bohatsch und Partner, Wien ap media – Visuelle Kommunikation, Wien Ueberreuter Print GmbH, Korneuburg Gedruckt auf SoporSet Premium 120 g/m2 Vista Sans (Xavier Dupré), Arnhem (Fred Smeijers) S. 3: F. Johannes Zinner © bAIK; S. 4: F. Ingo Pertramer, Andrea Maria Dusl; S. 5 oben und unten: F. Johannes Zinner © bAIK, Mitte: F. Till Budde; S. 7: F. Salvatore Sylvester Valeskini; S. 8: F. Peter Jauschowetz; S. 9: F. Thomas Freunschlag; S. 10: F. Martin Seidner; S. 12: F. Bernhard Kotlaba; S. 13: F. Wolfgang Wildauer; S. 15: ©Christine Aldrian Schneebacher; S. 16: Birgit Schober; S. 17: F. Jens Liebmann; S. 18: F. Horak © Sabine Dessovic; S. 21: F. Michaela Mair, Andrei Gheorghe; S. 23: F. Johann Kunesch; S. 25: F. Nilufar W. Winkler; S. 27: F. Johann Klinger © Archiv Fritz Matzinger; S. 27: F. Andreas Rumpfhuber; S. 28: F. Monika Gaisbauer; Philipp Broinger; S. 29: F. Arnold Pöschl © Barbara und Christoph Abel; S. 30: F. Katharina Ulm­Gasser; S. 32: F. art: phalanx; S. 40: © über Amazon.at, LexisNexis; S. 41: © Turia + Kant, Reimer; S. 42: F. Aryan Mirfendereski © RWTH Aachen; S. 43: F. Marie Neugebauer; F. Günter Richard Wett © bilding Kunst­ und Architekturschule für Kinder und Jugendliche; S. 44: F. Karl Prucha Die Redaktion ersucht diejenigen Urheber, Rechtsnachfolger und Werknutzungsberechtigten, die nicht kontaktiert werden konnten, im Falle des fehlenden Einverständnisses zur Vervielfältigung, Veröffentlichung und Verwertung von Werkabbildungen bzw. Fotografien im Rahmen dieser Publikation um Kontaktaufnahme. Das Gestaltungskonzept dieser Zeitschrift ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ist unzulässig. Die Texte, Fotos, Plandarstellungen sind urheberrechtlich geschützt. Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist auf www.daskonstruktiv.at veröffentlicht. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben ausschließlich die Meinung des Autors/der Autorin wieder, die sich nicht mit der des Herausgebers oder der Redaktion decken muss. Für unverlangte Beiträge liegt das Risiko beim Einsender. Sinngemäße textliche Überarbeitung behält sich die Redaktion vor. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Das Zitat auf dem Titel wurde dem Text von Patrick Jaritz entnommen.

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Editorial Sie halten heute das 300. KONstruktiv in Händen. Wie wichtig ist so ein Jubiläum? Soll die Ausgabe etwas Besonderes sein? Was können wir darin feiern? Lang haben wir in der Redaktion und im Redaktionsbeirat diskutiert, in welcher Form wir das Jubiläum begehen könnten. Wie Sie sehen, ist das Heft 300 weder dicker geworden, noch ist es mit Jubiläumszierrat versehen. Als die Zeitschrift der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten im Jahr 1973 das erste Mal erschien, waren viele der heutigen jungen Kammermitglieder noch nicht geboren. Wir haben daher diese Ausgabe zum Anlass genommen auszuloten, wie es um den Ingenieurund Architektennachwuchs bestellt ist. Schon seit den Nullerjahren dieses Jahrtausends verfolgen uns die Schlagzeilen vom Technikermangel, der die Position des Landes als Innovationsstandort schwächt. Es ist nicht mehr Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 1860 gibt es in Österreich den Freien Beruf des Ziviltechnikers / der Ziviltechnikerin. Mehr als 100 Jahre – seit 1913 – gibt es unsere Berufsvertretung, seit 1973 erscheint das KONstruktiv. Die vorliegende Nummer ist die 300. Ausgabe! Auf diese Vergangenheit können wir stolz sein und sind wir stolz. Entscheidend sind aber nicht die Lorbeeren der Vergangenheit, sondern unsere Zukunft. Daher ist es auch kein Zufall, dass die vorliegende Jubiläumsausgabe des KONstruktiv dem „Nachwuchs“ gewidmet ist. Unsere Nachwuchsförderung muss an den Schulen und Universitäten beginnen. Ingenieur/innen und Architekt/innen gestalten Gesellschaft und Umwelt. Es liegt – auch – an uns, Jugendlichen und jungen Erwachsenen diese Wirkmächtigkeit zu kommunizieren und das Interesse an Technik und technischen Berufen zu wecken. Ein ganz besonderes Anliegen ist uns dabei die Erhöhung des Frauenanteils in technischen Studienrichtungen. In einigen Studienrichtungen (z. B. Maschinenbau, Elektrotechnik, aber auch Informatik) ist der Frauenanteil noch immer erschreckend niedrig. Das widerspricht den Realitäten einer modernen Gesell­ „in“, ein technisches Studium zu absolvieren – Architektur ausgenommen. Initiativen zur Hebung des Interesses an den sogenannten MINT­Fächern – wie die Fachbereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik zusammengefasst werden – gibt es sonder Zahl, eine bildungspolitische Gesamtstrategie ist hingegen nicht auszumachen, wie auch unsere Autorin Barbara Feller in ihrem Beitrag in dieser Ausgabe feststellt. Der Technikermangel ist vor allem ein Technikerinnenmangel. Noch immer sind Frauen in den angesprochenen Studienrichtungen Exotinnen. Daher haben wir die Rektorin der Technischen Universität Wien, Sabine Seidler – sie ist Werkstoffwissenschaftlerin, gebeten, Ursachen des Technikerinnenmangels und mögliche Gegenstrategien zu benennen. Oliver Schürer erforscht seit Jahren die Situation der Protagonistinnen im Berufsfeld Architektur und hat für uns seine Erkenntnisse zusammengefasst: „Innerhalb der österreichischen schaft, wo reine „Männerbünde“ in keiner Weise mehr zeitgemäß sind und keine Zukunft haben werden. Auch können wir schon angesichts des Techniker/innenmangels nicht auf 50 Prozent des Potenzials an Talenten verzichten. Eine Verbesserung des Images technischer Studien alleine sichert aber noch nicht die Zukunft unseres Freien Berufes: Absolvent/innen technischer Studienrichtungen finden gute Beschäftigungsaussichten vor. Eine Tätigkeit als freiberufliche/r Ziviltechniker/in ist aber mit unternehmerischen Risiken verbunden, sodass viele Techniker/innen den Sprung in die Selbstständigkeit scheuen. Hier trifft auch die öffentliche Hand bzw. öffentliche Unternehmen – als unsere wichtigsten Auftraggeber/innen – eine hohe Verantwortung: Der in vielen Bereichen derzeit herrschende ruinöse Preisdruck setzt die Zukunft unserer Berufsgruppe aufs Spiel! Aber auch wir als Kammer können und wollen etwas dazu beitragen, dass mehr Techniker/innen den Weg der Freiberufler/in wählen: Wir müssen unsere jungen Kolleginnen und Kollegen bereits an der Universität „abholen“. Andere Freie Berufe binden ihren „Nachwuchs“ (in unterschiedlichen Formen: Kreativwirtschaft haben die Architekten und Architektinnen zwei Spitzenpositionen inne: Sie arbeiten die meisten Stunden und verdienen pro Stunde am schlechtesten.“ Paradox, dass sie dennoch mit ihrem Job im Wesentlichen zufrieden sind. Diese grundsätzliche Freude am Beruf – trotz aller Kritik an den Rahmenbedingungen – spricht auch aus den Statements jener jüngeren Ziviltechniker/innen, die unserem Aufruf gefolgt sind, Selbstporträts und Statements für die Bildstrecke zu übermitteln. Nach erfolgreicher Ablegung der Ziviltechnikerprüfung sind sie seit Kurzem Mitglieder in der Kammer. Bald soll auch Absolventinnen und Absolventen der freiwillige Beitritt zur Kammer ermöglicht werden. Mehr dazu im ausführlichen Interview mit Bundeskammerpräsident Christian Aulinger, auf dessen Agenda die Nachwuchsförderung auf mehreren Ebenen viel Raum einnimmt. Franziska Leeb N Christian Aulinger (links) Präsident Rudolf Kolbe (rechts) Vizepräsident Rechtsanwaltsanwärter/innen, Turnusärzt/innen … ) frühzeitig in ihre Berufsvertretung ein. So einen freiwilligen „Anwärterstatus“ streben auch wir für die anstehende Reform unseres Berufsgesetzes an. Dabei geht es nicht um eine – da oder dort gewünschte – Befugnis „light“. Eine solche ist nicht realisierbar und wird auch vom Wirtschaftsministerium abgelehnt. Vielmehr sollen sich die Anwärter/innen in ihren eigenen Angelegenheiten einbringen können und über die Zukunft der Berufsgruppe mitbestimmen. N

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Damenwahl Martin Puntigam Kabarettist, Autor und MC der Science Busters Immer kurz vor Weihnachten, am 8. Dezember, wird bei uns deshalb ein Feiertag abgehalten, weil eine Reihe alter Männer über die Jahrhunderte der Meinung war, eine Gottesmutter müsse selber schon unbefleckt empfangen worden sein, trotz der irdischen Mängel von Oma und Opa des späteren Herrn, dass sie die Immaculata Conceptio zum Dogma erhoben haben. Die so gebenedeite Gottesgebärerin hat als Leihmutter auch keine Faxen gemacht und einen ebenso unbefleckten und weitgehend unsterblichen Messias auf die Welt gebracht. Das Hallo soll damals so groß gewesen sein, dass sich einer der größten und erfolgreichsten Konzerne der Welt in seiner Firmengeschichte darauf beruft. Heute, im Zeitalter der Reproduktionsmedizin, sind noch ganz andere Spielarten von Befruchtung und Geburt denkbar und für manche Tiere stellt derart umständlicher Sex nichts Besonderes dar. Die Probleme der Heiligen Familie hätte etwa die Grüne Bonellia gerne. Sie gehört zu den Igelwürmern, schaut ein wenig aus wie eine große Essiggurke, lebt im Meer und wird etwa einen halben Meter lang. Aber nur das Weibchen. Die Männchen Dusls Schwerpunkt sind so klein, nur circa ein bis zwei Millimeter, dass sie lange für Parasiten auf den Weibchen gehalten wurden. Auf Menschen umgelegt bedeutet das, dass normalgroße Menschenmänner es mit Frauen von der Größe des Eiffelturms zu tun hätten. Darüber hinaus verfügen die Bonellia­Weibchen weder über Augen, Nase oder Ohren, und bei der Befruchtung verschlucken sie die Männchen zur Gänze. Damenwahl ist dafür gar kein Ausdruck! Bis zu 85 Stück wurden schon gezählt, die im Igelwurm­Weibchen herumschwimmen und ihr Sperma irgendwann auf die Eier spucken, weil sich bei den Männchen die Speiseröhre zum Samenleiter umgewandelt hat. Und das ist noch nicht alles. Die Jungen kommen geschlechtslos auf die Welt, dann erst entscheidet sich ihr weiteres Schicksal. Werden sie von der Strömung von der Mutter weggetrieben, werden riesige Weibchen aus ihnen; kommen sie mit der Haut eines Weibchens in Kontakt und bleiben dort haften, dann entwickeln sie sich zu winzigen Männchen. Eigentlich schade, dass dem Schöpfer die Grüne Bonellia erst nach der Jungfernzeugung mit Erzengeln eingefallen ist, wie anders hätte die Heilsgeschichte verlaufen können! N 4 | 5 Puntigams Kolumne, Dusls Schwerpunkt

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Nachwuchs Klaus Thürriedl Vorsitzender der Bundessektion der Ingenieurkonsulenten Gemeinschaftsarbeit Architekt/innen und Ingenieur/innen stehen europaweit vor ähnlichen Herausforderungen: Die „Deregulierungswut“ der europäischen Kommission, die sich vor allem auf nationale Berufsvorschriften konzentriert, ist eine davon. Im Juni hat die EU­Kommission mehrere Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Das österreichische Ziviltechnikergesetz – konkret die berufsspezifischen Beschränkungen im Gesellschaftsrecht – ist davon ebenso betroffen wie die deutsche Honorarordnung für Architekt/innen und Ingenieur/innen. Die Abwehr von ungerechtfertigten Angriffen auf bewährte nationale Be rufs ­ sys teme macht die Bündelung unserer Kräfte notwendig. Ich unterstütze daher voll und Faire Vergaben – fairer Rechtsschutz Anne Mautner Markhof Stellvertretende Vorsitzende der Bundessektion Architekten „Wie schaut’s denn aus mit Nachwuchs bei euch?“, lautet eine wenig charmante Frage der Verwandtschaft an die Jungvermählten. „Wir arbeiten daran!“, kommt es prompt zurück. Die Ziviltechnikerinnen und die Ziviltechniker arbeiten auch daran – am Nachwuchs. Aber natürlich anders, ganz anders! Und das ist nicht so leicht. Junge Menschen für die Technik zu begeistern in einem Alter, wo alles andere wichtiger ist als lernen, das ist wirklich nicht leicht. Die Ziviltechniker (bei der Mehrzahl sind immer alle gemeint – auch die „Innen“) müssen sehr viel lernen. Am Anfang viel Trockenes. Mathematik, Physik, Mechanik … echt arg! Wenige Lehrende können vermitteln, dass diese Grunddisziplinen notwendig sind, dass sie ganz die Initiative Präsident Aulingers zu einer noch stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Berufsverbänden der Architekt/ innen und Ingenieur/innen der Schweiz, Österreichs und Deutschlands. Eine vertiefte Zusammenarbeit ist weit über die Deregulierungsproblematik hinaus sinnvoll: So hat – um nur ein Beispiel zu nennen – mein Kollege im Präsidium der BAK, Vizeprä sident Martin Müller, gemeinsam mit dem Vizepräsidenten des Schweizerischen Ingenieur­ und Architektenvereins die bAIK bei einer parlamentarischen Informationsveranstaltung zum neuen österreichischen Normen gesetz unterstützt. Die Normenflut auch auf europäischer Ebene einzudämmen ist ein gemeinsames Ziel. Ich selbst habe den deutschen Baustaatssekretär Adler bei einem von Seit einem Jahr wirkt die Sozialpartnerinitiative „Faire Vergaben“ auf Politik und öffentliche Meinung. „Faire Vergaben“ sichern Arbeitsplätze, lautet das – völlig richtige – Schlagwort. Ein von der Initiative lancierter Gesetzesvorschlag liegt derzeit im Nationalrat. Der Vorschlag bringt u. a. einen Ausbau des Bestbieterprinzips und wird von unserer Kammer natürlich voll unterstützt. Ein Aspekt „Fairer Vergaben“ bleibt allerdings unterbelichtet: Das beste Vergaberecht hilft nichts, wenn sich Auftraggeber/innen nicht daran halten. Theoretisch können sich Auftragnehmer/innen – auch Ziviltechniker/innen – zwar gegen Vergaberechtsverstöße rechtlich zur Wehr setzen. Das wird sich jeder zweimal überlegen: Wer will es sich schon mit einem potenziellen Auftraggeber verscherzen? Zudem entstehen hohe Anwaltskosten für die und Web exportieren (Graustufen, 225px Höhe); Details via Photoshop sichtbar machen zB Augen/Mund verstärken etc. (zB Nachbelichten 20% bei Brillen) das Werkzeug sind, um Großartiges zu schaffen. Pläne im Kopf werden zu Papier und dann Plugin: Scriptographer steht es vor (Illustrator dir – eins zu eins. CS5!) Objekt Raster Punkt 5 mm gr Gridsize 2/10% alles skaliert auf 60% > Punktgröße 0,3 mm Für mich als Zivilingenieur gibt es nichts Schöneres, als wenn ein Projekt – vielleicht eine Kläranlage – gebaut wird, wenn diese fertig dasteht und alle können sie sehen, können begreifen, wie das funktioniert, was vorher nur in deinem Kopf war. In den kann niemand hineinsehen. Aber das fertige Bauwerk können alle sehen. Wenn wir dieses Gefühl jungen Menschen vermitteln können, dann haben wir Nachwuchs. Baukulturvermittlung muss bei jungen Menschen spielerisch funktionieren, so wie die Statik der Spaghetti. Erfolgserlebnisse haben eine große Kraft! N Barbara Ettinger-Brinckmann Präsidentin der deutschen Bundesarchitektenkammer Präsident Aulinger initiierten Besuch in Wien zum Thema der Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge begleitet. Ein Folgetreffen in Berlin ist bereits in Planung! N es selbst bei erfolgreicher Anfechtung keinen Kostenersatz gibt. Im Erfolgsfall werden vergaberechtswidrige Ausschreibungsunterlagen oder Entscheidungen aufgehoben: Davon profitieren alle potenziellen Anbieter, nicht nur der Antragsteller, der die gesamten Kosten seines Antrags trägt! Ist all das fair? Sicher nicht! Es besteht ein massives Rechtsschutzdefizit. Diese Lücke könnte freilich ganz leicht geschlossen werden: Das Zauberwort der Juristen lautet „Verbandsklagerecht“ und ist in vielen Bereichen bereits heute gang und gäbe: Dabei muss nicht der einzelne Unternehmer dafür sorgen, dass Auftraggeber das Vergaberecht einhalten, sondern ein Verband, z. B. seine gesetzliche Interessenvertretung, übernimmt diese Aufgabe. Die Einführung eines solchen Verbandsklagerechts steht daher ganz oben auf unserer Forderungsliste für die anstehenden Änderungen des Vergabegesetzes. N Standpunkte

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Offener Wettbewerb Angesichts immer restriktiver werdender Zugangsbedingungen bei Vergabeverfahren sind jüngere und kleinere Architekturbüros zusehends von der Teilnahme am Markt ausgeschlossen. Daher soll bei öffentlichen Bauaufgaben der offene Wettbewerb grundsätzlich als das probate Mittel zur Projektfindung gelten. Vielleicht hat es mit Angst zu tun. Angst, nicht mehr gewählt zu werden, Angst um den Bonus oder den guten Ruf. Bekanntlich ist Angst ein schlechter Ratgeber. Leider dürften genau solche Ratgeber seit geraumer Zeit ihr Unwesen treiben. Wie sonst lassen sich die seltsamen Blüten des Vergabewesens erklären, mit denen wir konfrontiert werden? In einer kleinen Recherche, die wir vor zwei Jahren seitens der IG Architektur erstellt haben, wurden über 20 Projekte untersucht, die Resultat eines offenen Wettbewerbs waren UND bei denen keine Referenzen abgefragt wurden (es war nicht so leicht, diese zu finden). In Summe ging es um Baukosten von über 200 Millionen Euro. Einige dieser Projekte waren „Erstlinge“. Bei keinem wurde von Problemen berichtet. Eine ernsthafte, groß angelegte Studie zu diesem Thema gibt es aber nicht. Der Wunsch, die Teilnehmer zu bestimmen oder Referenzprojekte zu verlangen, kommt rein aus dem Bauch heraus, und ein Erfolg ist durch nichts zu belegen – ganz im Gegenteil! Dennoch ist die Zahl der wirklich offenen Verfahren mittlerweile marginal und selbst die mit überzogenen Referenzforderungen „abgesicherten“ Varianten sind selten geworden. Warum eigentlich? Und warum stört uns das so sehr? Ist das Bauen nicht ein Prozess wie jeder andere, der wie jeder andere nach herkömmlichen Managementmethoden gesteuert werden kann? Das Planen eine Dienstleistung wie jede andere also? Das wäre eine „absichtliche“ Missinterpretation. Selbst vergaberechtlich wird hier unterschieden, denn geistige Leistungen sind im Vorhinein nicht eindeutig beschreibbar. Vor allem bei Architektur und Stadtplanung geht es auch um Kultur und um Rechtsstaatlichkeit. Beides kann ohne Fairness nicht bestehen. Man kann zwar auf einen „guten Diktator“ hoffen – mit allen Nebenwirkungen, aber eine nachhaltige kulturelle Entwicklung bringen Diktaturen nie hervor. Es ist kein Zufall, dass das Wettbewerbswesen aus den antifeudalen Revolutionen hervorgegangen ist. Egal ob in der Kunst oder der Architektur: Nicht ein feudaler Herrscher sollte nach Gutdünken Aufträge verteilen, sondern in einem fairen Wettstreit sollte das beste Projekt ermittelt werden. Daher wird klar, dass das Laden einiger ausgewählter Büros oder das sachlich unbegründete Beschränken des Zugangs ein demokratiepolitisch fragwürdiger, intransparenter Akt ist, zumindest bei Projekten im öffentlichen Interesse. Bernhard Sommer, Vizepräsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien/NÖ/Bgl. N Es ist mir schon klar, dass der offene, anonyme Wettbewerb zur Identität des freien, einzig dem Öffentlichen verpflichteten Architekten historisch konstitutiv gehört. So zumindest wurde er als Befreiung von der staatlichen Auftragsplanung vor rund 150 Jahren erfunden. Und die Architekten unterwarfen sich dieser Lotterie, weil sie die Beteiligung an Wettbewerben als „Forschung“ bezeichneten, um spekulativ ihre Ideen und Konzepte zu elaborieren. Das ging noch ganz gut, als auch mittelständische Büros aus den Erträgen von Bauvorhaben die Beteiligung an Wettbewerben finanzieren konnten. Immer schon war aber die volkswirtschaftliche Vergeudung ein Thema. Nicht selten war der Aufwand aller am Wettbewerb beteiligten Büros höher als die Bausumme des gewünschten Projekts. Zudem war der Wettbewerb von Anfang an mit einem Makel behaftet. Soll eine Aufgabe, die doch der Öffentlichkeit verpflichtet ist, einzig von einer Mehrheit der Architektinnen in der Jury, also fachintern, je nach Gusto der Jurymitglieder, entschieden werden? Wo bleibt dann das Urteil der immer apostrophierten „Öffentlichkeit“? Und dem verantwortlichen Bauherrn, als Minderheit in der Jury, wird dann ein Projekt überantwortet, zu dem er sich nicht bekennen kann und will? Die neoliberale Entwicklung seit den 1980er­Jahren hat nun das sogenannte „Bewerbungsverfahren“ geschaffen. Das geht einher mit dem Abbau der architektonischen Kultur, die seit damals das Aufmerksamkeitspotenzial und die wirtschaftliche Vorqualifikation von teilnehmenden Architektinnen von einschlägigen Projekten in den Vordergrund stellt. Gegenüber anonymen offenen Wettbewerben und den an Bedingungen gebundenen Bewerbungsverfahren empfehle ich einen dritten Weg: Alle europäischen Architekten sollten zur Bewerbung eingeladen werden. Mit einem Portfolio ihres bisherigen Schaffens und Denkens, sonst nichts. Eine kompetente Jury wählt die Teilnehmer aus, die dann in einem vom Auslober bezahlten Bewerbungsverfahren ihre Ideen und Konzepte persönlich präsentieren und weiterentwickeln. Das eröffnet alle Chancen auch für junge Büros. Wenn die Jurys von kenntnisreichen und uneigennützigen Experten der Architektur besetzt sind – und nicht von individualistischen, egozentrischen Architekten. Die Zukunft wäre einfach: bezahlte Bewerbungsverfahren ohne Vorqualifikation und ohne Architekten in der Jury. Dietmar Steiner, Direktor Architekturzentrum Wien N 6 | 7 Plus / Minus

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Jung und hungrig Was erwarten, erhoffen und wünschen sich frisch gebackene Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker von ihrer künftigen Berufslaufbahn? Worum drehen sich ihre Sorgen, was möchten sie verbessern? Für die Bildstrecke zum diesmaligen Schwerpunkt „Jung und hungrig“ hat die Redaktion des KONstruktiv die in jüngerer Vergangenheit angelobten Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker aufgerufen, sich in einem Selbstporträt in Form eines Schnappschusses und einem Statement vorzustellen. Statt der Schnappschüsse kamen gelegentlich auch hochprofessionell inszenierte Fotos, und so manches Statement entwickelte sich zu einer ausführlichen Manöverkritik, die wir nur in stark reduzierter Form im Heft wiedergeben können. Die Langversionen zum Nachlesen finden Sie unter www.daskonstruktiv.at. Vielen Dank allen, die mitgemacht haben! hey ho lets go: „Warte nicht auf die nächste Gelegenheit. Die beste Chance ist die, die du gerade Salvatore Sylvester Valeskini ist Ingenieurkonsulent für Bauingenieurwesen. hast.“

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Unsere Verantwortung | Technik trifft Nachwuchs Techniker/innenmangel wird von Politik, Wirtschaft und Industrie immer wieder bestätigt, aber reine Imagekampagnen werden dieses Problem nicht lösen. Es gilt, Technikaffinität frühzeitig zu erkennen und Angebote zu schaffen, die diese fördert und stärkt. Sabine Seidler ist Rektorin der Technischen Universität Wien. Dabei ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise essenziell: Technik als Berufsoption – vom Lehrberuf bis zur akademischen Karriere – muss als attraktive Option erkannt werden. Es ist nicht akzeptabel, dass es nahezu als „schick“ gilt, in Mathematik in der Schule „schlecht“ ge wesen zu sein. Anstrengungen zur Verbesserung der Situation können nur dann erfolgreich sein, wenn Unternehmen und Bildungseinrichtungen gemeinsam ar beiten, wie das z. B. im Projekt „Kinderuni“ mit Universitäten und Unternehmen erfolgreich geschieht. An Universitäten gibt es zurzeit ein Missverhältnis von Anfänger/innenzahlen und verfügbaren Ressourcen. Das gilt auch für die technischen Studien. Deshalb sind undifferenzierte Awarenesskampagnen wenig zielführend. Erfahrungen der tu Wien aus Projekten wie der „Kinderuni Technik“ zeigen, dass das Interesse der Sieben­ bis Zwölfjährigen an Naturwissenschaft und Technik, im Übrigen sogar geschlechtsneutral, vorhanden ist. Das ist unsere Zielgruppe, deren Interesse sowohl im Rahmen des Unterrichts als auch in be gleitenden Angeboten bis zur Studienwahl erhalten werden muss. Aus unserer Erstsemestrigenbefragung wissen wir, dass Freunde, Eltern und Lehrer/ innen die Studienwahl stark beeinflussen. Als Motive werden Interesse am Fach, resultierende Karrierechancen und die Einschätzung, dass das Studium zu den eigenen Fähigkeiten passt, angegeben. Das Bildungssystem kann also durch gute und begeisternde Lehrer/innen einerseits und durch die Unterstützung beim Erkennen der eigenen Fähigkeiten junge Menschen unterstützen, die individuell richtige Studienwahl zu treffen. Dazu braucht es einerseits gute Aus­ und Weiterbildung für die Lehrer/innen und andererseits Ressourcen, um bei dieser Entscheidung zu unterstützen. Es gilt hier, bestehende Klischees aufzubrechen und Berührungsängste abzubauen. Technik umgibt uns und ist fixer Bestandteil des Alltags. Beim tu­Studium können aufbauend auf ein solides wissenschaftliches Fundament spezifische Interessen und Talente vertieft werden. Die Ausbildung an der tu Wien folgt dem Grundgedanken der forschungsgeleiteten Lehre. Dadurch, dass bereits während des Studiums Einblicke in laufende Forschung möglich sind, sind auch aktuelle Herausforderungen und Trends bekannt. Ausgehend von einer Vision erarbeiten Techniker/innen mit Kreativität und Kompetenz konkrete Problemlösungen. Hier liegt auch eine Stärke der tu Wien: die Verbindung von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung. Wir haben die Möglichkeit, Ideen bis zu einem Endprodukt zu verfolgen und umzusetzen. Techniker/innen allein werden die Welt nicht retten, sie können und müssen aber Werkzeuge entwickeln, die dabei helfen. Eine Herausforderung ist sicher die steigende Komplexität der zu bearbeitenden Themen und Bernhard Kotlaba ist Ingenieurkonsulent für Bauingenieurwesen. „Nach meinem erfolgreichen Gründungsjahr möchte ich Mitarbeiter einstellen, um mehr Großprojekte abwickeln zu können.“ 8 | 9 300 Unsere Verantwortung

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Thomas Freunschlag ist Ingenieurkonsulent für Bauingenieurwesen (Hochbau). „Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer professionellen und ehrlichen Projektabwicklung.“ das Ineinandergreifen mit anderen Bereichen, die durchaus auch außerhalb der Technik liegen (So ziologie z. B.). Daraus ergibt sich noch mehr als heute die Notwendigkeit, über das eigene Fach hinaus zu denken und entsprechende Netzwerke aufzubauen. Die „Big Challenges“ werden nur gelöst werden Die entscheidende können, wenn interdisziplinäre Teams mit Frage ist: Welche gebündelten Kompetenzen Problemstellungen Kompetenzen werden benötigt, gemeinsam bearbeiten. um das Problem zu lösen? Dies bedeutet aber auch einen erhöhten Organisationsaufwand, der mit der Ausbildung einer veränderten Arbeitskultur und idealerweise auch mit Effizienzsteigerung belohnt wird, von der auch die Gesellschaft letztlich profitiert. Die Digitalisierung wird zum Motor für Innovation Sie kann Jobs schaffen und die Wertschöpfung steigern. Ganz neue Geschäftsmodelle werden dadurch möglich. Intelligente Produkte bzw. Bauweisen werden auch zu neuen Berufsbildern und neuen Arbeitsplätzen führen. Zukünftige Entwicklungen lassen sich nur erahnen, aber genau diese analytische Fähigkeit unserer Absolvent/innen, verbunden mit dem methodischen „Handwerk“, führt zu einer Problemlösungskompetenz und Expertise bei Ingenieur/innen, mit der sie vielschichtige Fragestellungen bearbeiten können. Die Zusammensetzung des Lehrveranstaltungsangebots bietet in der Ausbildung der tu­Studierenden – also des Nachwuchses – die Möglichkeit, über technische Kompetenzen hinausgehende Qualifikationen zu erlangen, und die Notwendigkeit dafür wird stetig zunehmen. Für die heutige Studierendengeneration und den Nachwuchs sind Disziplinengrenzen quasi so gut wie nicht mehr vorhanden. Architekt/innen und Bauingenieur/innen leisten einen wesentlichen Beitrag bei der planvollen Gestaltung unserer Umwelt. Dadurch wird der Rahmen für soziale und ökonomische Entwicklungen beeinflusst, und die Verantwortung von Planer/innen ist, weil unabhängig von der Projektgröße eine ganzheitliche Sicht notwendig ist, entsprechend groß. „Technik für Menschen“ bedeutet, Nutzer/innen und Umwelt stehen im Fokus, nicht die bloße Lösung einer technischen Herausforderung. Aktuelle Erfolgsprojekte wie das lisi­Haus oder das mit dem Staatspreis für Umwelt und Energietech nologie 2015 ausgezeichnete Plus­Energie­Bürohochhaus demonstrieren, wie neueste Technologien helfen, Ressourcen einzusparen, nachhaltig zu planen und neue Standards für die Zukunft zu entwickeln. Weibliche Vorbilder für weiblichen Nachwuchs Disziplin, Kreativität und Zeit bilden den Treibstoff für Bildung als unverzichtbarer Bestandteil von sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt. Darum glaube ich weder an Kategorien wie „Männerberufe“ noch daran, dass diese für Frauen unattraktiv sind. Bei der Auseinandersetzung mit dem breiten Angebot an Aus­ und Weiterbildungen entdeckt man beste Aufstiegs­ und Entwicklungschancen in interessanten Forschungs­ und Studiengebieten. Hinter stereotypen Vorstellungen liegen ideale Karrierechancen. Das Erkennen der eigenen Fähigkeiten und die Information zu passenden Angeboten sind der Schlüssel, um tradierte Rollenbilder zu durchbrechen. Es sind nicht fehlender Mut oder etwa zu großer Respekt, der Frauen abhält, einen technischen Beruf zu ergreifen, denn die Talente sind gleich verteilt. Vielmehr sind tradiertes Rollenverständnis, Unsere Verantwortung

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Monika Gaisbauer ist Ingenieurkonsulentin für Landschaftsplanung und -pflege. „Ich möchte an der Schnittstelle zwischen Technik und Umwelt zur Umweltverträglichkeit von Infrastrukturprojekten beitragen.“ www.tuwien.ac.at/ dle/genderkompetenz/ frauenfoerderungsplan fehlende gesellschaftliche Akzeptanz und unzureichende Rahmenbedingungen die Ursache dafür, dass Frauen immer noch davor zurückschrecken, in die sogenannte Männerdomäne „Technik“ einzudringen. Deshalb arbeiten wir kontinuierlich daran, für unsere Mitarbeiter/innen und Studierenden möglichst optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Damit ist vor allem die Arbeit am mindset aller Beteiligten gemeint, die für das Thema sensibilisiert werden müssen. Wir versuchen in allen Bereichen die besten Köpfe an die tu Wien zu bekommen. Neben einer bewusst gewählten Strategie zur Internationalisierung sind unterschiedlichste Aktivitäten im Bereich Diversity und Fördermaßnahmen die Bausteine dieser Bestrebungen. Plakative Signale wie das Vizerektorat für Personal und Gender oder die Einrichtung der Abteilung Gender kompetenz drücken dies ebenso aus wie die ope r ativen Maßnahmen, die von diesen Bereichen koordiniert werden. Diese reichen vom Mädchenprogramm bei der „Kinderuni Technik“ über Mentoringinitiativen für Studienbeginner/innen bis hin zu Coachingprogrammen für Wissenschaftler/innen. Der tu­Frauenförderungsplan 1 unterstreicht die Bedeutung des Themas als strategisches Ziel der tu Wien. Eine konkrete Maßnahme daraus wurde kürzlich innerhalb der tu eröffnet: Die Kolleg/ innen in den Fakultäten sind im Rahmen eines zweistufigen Antragsverfahrens dazu aufgerufen, strategische Konzepte zur Frauenförderung zu er arbeiten. Als Belohnung winken jeweils zwei Frauenprofessuren und Laufbahnstellen. Im Frühjahr 2016 sollen die ersten Ergebnisse präsentiert werden. In männerdominierten Studienrichtungen beklagen Studentinnen oftmals ihre Sichtbarkeit. Sie sind exponierter als ihre Studienkollegen und damit angreifbarer. Das Sichtbarmachen entsprechender Vorbilder ist ein guter Weg, hier entgegenzuwirken. Zwar verzeichnen wir einen Anstieg bei der Zahl weiblicher Studierender – die tu Wien ist mit derzeit knapp 30 Prozent jene Technische Universität mit dem höchsten Anteil an Frauen unter den Studierenden –, aber dieses Wachstum geschieht nur langsam. Die Teilhabe von Frauen ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die eine Universität allein nicht bewerkstelligen kann. Ich appelliere daher an Entscheidungsträger/innen in Politik, Interessenvertretungen und Bildungsverantwortliche, diese gemeinsame Anstrengung nach Kräften zu unterstützen. N 10 | 11 300 Unsere Verantwortung

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Vom Paradox zur Resilienz? | Der Kontext von Reformen der Einstiegsphase von Ziviltechnikern und Ziviltechnikerinnen Der Beginn ist eine delikate Angelegenheit. Will man die Ziviltechnikerlaufbahn einschlagen, ist zunächst zu klären, wie man an den ersten Auftrag kommt und wie diesem weitere folgen. Die nächste Heraus ­ for derung ist der Einstieg in die Kammer. So klar und simpel die ersten Aufgaben formuliert werden können, so komplex ist die Situation, mit der Einsteiger konfrontiert sind. Dafür können sich Interessenten verschiedenenorts Hilfestellungen einholen. Aber das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für die Abwicklung beider Bereiche Reformbedarf gibt. Was sind die sozialen und ökonomischen Rahmenbe ­ dingungen der Reform für Einsteiger? Denn je nach Art des Einstiegs werden verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten angelegt, andere aber ausgeschlossen. Oliver Schürer ist Autor, Editor, Kurator sowie Senior Scientist und stellvertretender Leiter der Architekturtheorie an der TU Wien. Seine Forschungsfelder sind die ökonomischen und technologischen Aspekte von Architektur. Berufsfeld Architektur 1.0 und 2.0 unctad, United Nations, Creative Economy Report 2010 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (bmwi) Öffentlichkeitsarbeit (Hg.): Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2011, Berlin, Dezember 2012, S. 13. http://wirtschafts lexikon.gabler.de/ Definition/resilienz. html Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (bmwi) Öffentlichkeitsarbeit, a. a. O. Beim Einstieg in ein selbstbestimmtes Berufsleben gibt es einen Schlüsselaspekt: die sozialen und ökonomischen Fähigkeiten der Person, die sich die berufliche Selbstständigkeit zutraut. Die Studie Berufsfeld Architektur 1 hat gezeigt, dass die zentralen Momente für das wirtschaftliche Überleben auf der Ebene der Individuen zu finden sind: Innovation und Schaffung von Wettbewerbsvorteilen. Aber diese Kompetenzen können sich in unterschiedlichen ökonomischen Milieus verschieden entfalten. Die Tätigkeiten von Architekturbüros sind von sehr vielen internen und externen Faktoren bestimmt. Wichtige interne Faktoren sind neben der Zusammensetzung des Teams der Individuen und der damit möglichen Gruppendynamik die Expertisen der Einzelnen mit deren Organisationsgeschick und ihrer individuellen Kreativität. Die wichtigsten externen Faktoren sind die Art, wie Aufträge akquiriert werden, und die Befugnis, mit der am Markt agiert werden kann. Architektur ist, den Vereinten Nationen zufolge, Teil der Kreativwirtschaft. Eine Gruppe von „ … more demand­driven and services­oriented industries creating goods and services with functional purposes“. 2 In Österreich stellt die Architektur als Branche einen der stärksten Bereiche der österreichischen Kreativwirtschaft. Weitere wesentliche Merkmale sind laut Wirtschaftsministerium „eine sich schnell wandelnde Beschäftigungsstruk tur und sich ständig verändernde Tätigkeitsfelder und Berufsbilder …“ 3 Die Herausforderung für eine Reform: Wie können sich in einer Wirtschaftsum gebung unter diesen Voraussetzungen junge Unternehmen nicht nur am Markt etablieren, sondern auch dort verbleiben? Resilienz Im heutigen unsicheren und dynamischen Wirtschaftsgeflecht ist es für Individuen sowie Unternehmen unumgänglich, sich einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten und diesen von Projekt zu Projekt durch Adaption auszubauen. „Unternehmerische Resilienz ist die Eigenschaft eines Unternehmens, externe Schocks oder Verwerfungen der sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Rah menbedingungen auszuhalten und sich an die neuen Bedingungen anzupassen.“ 4 Es gilt also auf der individuellen wie der unternehmerischen Ebene der Büros, gleich zeitig flexible und stabi lisierende Eigenschaften zu verstärken und weitere zu kreieren. Architektur hat da einiges zu bieten, zeigt die Studie Berufsfeld Architektur. Denn wenn die Atmosphäre im Büro stimmt, dann führen von positiven Emotionen getragene Arbeitsqualitäten wie Spaß, Abwechslungsreichtum oder künstlerisch­kreative Tätigkeit zu hoher persönlicher Zufriedenheit, begleitet von einer Gruppenzufriedenheit, die aus dem Erleben der direkten Umsetzung der erbrachten Leistung herrührt. Die Studie führt dies auf Tätigkeiten zurück, die einen hohen Anteil an Selbstverwirklichung im kreativen Gestalten und Umsetzen haben. „Wesentliche Produkttypen der Kultur­ und Kreativwirtschaft sind Prototypen, Einzelanfertigungen, Kleinstserien und immaterielle Produkte. Die Art der Produktion sowie die Beschaffenheit der Produkte in der Kultur­ und Kreativwirtschaft sind wesentliche Charakteristika einer wissensbasierten Ökonomie.“ 5 Dieses neue Wirtschaften mit dem In­eins­Setzen von Kultur und Kreativität trifft sich gut mit dem typischen Selbstverständnis der österreichischen Architekten und Architektinnen. Es beruht, laut Studie, auf kreativen, baumeisterlichen Tätigkeiten. Wandel Dieses Selbstverständnis hat eine lange Tradition. Der Beruf des Architekten als Ziviltechniker gehört zu den freien Berufen, wie auch Steuerberater, Ärzte und Rechtsanwälte. Diese waren einstmals eine eigene Art von staatsnaher Institution gewesen, mit klar bestimmten anspruchsvollen Aufgaben und rechtlichen Sonderstellungen. Architekten hatten die Aufgabe, die Kultur, in der sie tätig waren, abzusichern und, im wörtlichen Sinn verstanden, auszubauen. Kreativität hatte man als der Kultur zuträglich verstanden. Die im Talent der Individuen verortete Kapazität wurde eingesetzt, um Kultur zu repräsentieren. Die Befugnis zum Architekten und zur Architektin war dazu da, diese kulturtragenden Aufgaben zu definieren und die Sonderstellung zu sichern, Wettbewerbe ein Medium der Qualitätssicherung auf der Basis von Kriterien und rechtlichen Bedingungen. Vom Paradox zur Resilienz?

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„Junge Architektur in Kärnten.“ Barbara und Christoph Abel sind Architekten. Aber Kultur und Kreativität haben sehr unterschiedliche Eigenschaften. Kultur ist ein kollektives System von Werten und Wissen, das man nur teilweise in Kapitalwerte umsetzen kann. Kreativität hingegen ist eine Eigenschaft von Individuen, Kleingruppen und Prozessen. Man kann sie als Innovationsmotor instrumentalisieren und komplett in Kapitalwert setzen. Kulturtragende Aufgaben im Bauen sind für die Nationalstaaten relativ unwichtig geworden. So ist von der einstmaligen gesellschaftlichen Sonderstellung bei den Architekten wenig übrig geblieben. Mehr noch, der ökonomische Wandel, dessen deutlichstes Merkmal die Erfindung der Kreativwirtschaft ist, macht klar: Inhaltlich wurde Architektur vom freien Beruf zum kreativen Gewerbe gewandelt. Immer noch gilt das Primat vom In­eins­Setzen von Kultur und Kreativität. Heute jedoch ist Kultur der Kreativität zuträglich. Die permanente Variation und Reorganisation von Kulturelementen bildet den Markt, an dem Kreativität in Wert gesetzt wird. Dieser Wandel erfordert die Prüfung, inwieweit die bestehende Befugnis und Wettbewerbe nicht zu sehr dem historisch gewordenen Wirtschaften entsprechen. Paradox Denn nicht alles ist rosig im Berufsfeld Architektur, zeigt die Studie. Innerhalb der österreichischen Kreativwirtschaft haben die Architekten und Architektinnen zwei Spitzenpositionen inne: Sie arbeiten die meisten Stunden und verdienen pro Stunde am schlechtesten. Die Projektarbeit im Architekturbereich ist vom „hire and fire“­Prinzip bestimmt, abhängig vom Auftragsvolumen. In den Architekturbüros gibt es weder eine Kultur der Mitarbeiterförderung, noch eine Tradition der beruflichen Weiterbildung. Ein üblicherweise hohes Arbeitsvolumen wird als Ungleichgewicht von Lebens­ und Arbeitszeit empfunden. Besonders problematisch wirkt sich das als systematische Benachteiligung derer aus, die beruflichen Erfolg mit einem Famili­ enleben verein baren möchten. Mit ihrer Entlohnung sind die Menschen in der Architekturszene nicht zufrieden, egal ob angestellt oder selbstständig. Dies ist über den Studienzeitraum von zehn Jahren in etwa gleich geblieben. Diesen negativen Beurteilungen der eigenen Lebens­ und Arbeitsbedingungen steht eine recht hohe Zufriedenheit mit dem Job gegenüber. Erstaunliches Ergebnis ist, dass die Entlohnung für die Zufriedenheit am wenigsten wichtig ist. Die Studie zeigt, dass die Macher von Architektur ihre Arbeitstätigkeiten als besonders komplex beschreiben. Dies trägt dazu bei, dass die Tätigkeiten als sehr abwechslungsreich und kreativ empfunden werden. Der meist hohe Grad an Aufgabenteilung und die Möglichkeit zu gestaltendem Umsetzen erhöhen die Zufriedenheit stark. Eine unterstützende Tendenz wird durch ein freundschaftliches sozi ales Umfeld am Arbeitsplatz sichtbar. Zwischen den Geschlechtern ist dabei kein Unterschied feststellbar. Paradox aber ist, dass im Gegensatz zum Durchschnitt der österreichischen Berufstätigen die Zufriedenheit mit dem Ausmaß der Arbeitszeit steigt. Architekten und Architektinnen arbeiten gerne – egal ob selbstständig oder unselbstständig. Je weniger Aufträge Arbeit machen, desto un zufriedener sind sie. Auf absehbare Zeit genügend Aufträge im Büro zu haben motiviert und lässt die Zufriedenheit mit der Arbeitszeit steigen – was wiederum die beiden Spitzenpositionen absichert. Marktzugang Welche Rahmenbedingungen brauchen also die neu einsteigenden Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker in der Sparte Architektur, um die paradoxe Situation in resilientes Wirtschaften zu verwandeln? Dazu eine Architektin und ein Architekt, deren Einstiegszeit noch relativ nahe liegt: Lisi Wieser von Weißglut Architektur pointiert die Situation: „Wer Geld verdienen muss, macht keine Wettbewerbe!“ Denn eine Kalkulation wird sonst entweder zu einem unternehmerischen Wahnsinn oder man engagiert Mitarbeiter, die man 12 | 13 300 Vom Paradox zur Resilienz?

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schlecht bezahlt. So wie der Großteil der Wettbewerbe durchgeführt wird, ist die Bestimmung des besten Projekts sehr schwierig. Außerdem ist die Realisierung der ausgeschriebenen Projekte zu selten gesichert. Mehr noch, ein Wettbewerb ist keine nachhaltige Akquise, weil er keine Referenzen auf der Seite der Nachfrage des Markts erzeugt. Denn nur die Kollegen, aber nicht die potenziellen Kunden lesen die Wettbewerbshefte. Leute in anderen Branchen können in Zeiten ohne Aufträge darüber nachdenken, wie sie sich weiterentwickeln möchten, aber Architekten arbeiten einfach permanent so dahin. Eine Alternative zu Wettbewerben gibt es in der Praxis nicht. Andere Arten der Ideenfindung für Kunden zu entwickeln wäre eine wichtige Sache. Darauf sollte man einen Thinktank ansetzen. Wie auch immer, es muss gewährleistet sein, dass der Arbeitsaufwand im Rahmen bleibt, die Leistung muss mit adäquater Honorierung kompensiert werden. Markus Taxer von Allcolours Architecture umreißt noch andere Probleme mit der Entwicklung des Wettbewerbswesen: Wo man noch unlängst mit einem frechen, aufsehenerregenden Projekt bei der Bürogründung Referenzen bekommen konnte, regiert heute die Bürokratie. Die von den Büros verlangten Eigenschaften, um an Wettbewerben überhaupt teilnehmen zu können, werden immer restriktiver und auf immer kleinere Pro ­ jekte angewandt. Zulassungen nur für lokale Büros helfen zwar, Standorte zu sichern, widersprechen aber auch den pluralistischen Prinzipien des europäischen Markts. Offenheit ist die wichtigste Eigenschaft eines Auslobers. Die Alternative zu Wettbewerben ist, einfach selbst an keinen teilzunehmen. Auch in Zeiten der Hypermedialisierung zählt Mundpropaganda. Denn qualitätsvolle Arbeit spricht für sich selbst. Das kann man mit professioneller Pressearbeit gezielt unterstützen. Die Neuordnung der Architektenbefugnis wird zurzeit diskutiert. Denkbare Ergebnisse sind vielfältig. Pragmatisch wäre eine Art zweistufige Befugnis, ähnlich wie beim Führerschein. Aber auch eine Befugnis nach der modularen Art der Softwarelizenzen erscheint machbar. Einem Basispaket könnte man Module zur Erweiterung einer Befugnis zuordnen. Je nach Umfang und Art der abzuwickelnden Projekte – auf Zeit. Viele Wege vom Paradox zur Resilienz sind denkbar. Das Wichtigste ist, die Möglichkeiten zur Adaption an veränderte ökonomische Bedingungen zu maximieren. Studie Berufsfeld Architektur Die zweiteilige Studie Berufsfeld Architektur hinterlegt einerseits bisher vermutete Eigenschaften der Architekturszene mit Daten und macht andererseits bislang unbemerkte Prozesse und Strukturen erkennbar. Sie bildet ein Reservoir von quantitativ und qualitativ erhobenen Fakten über die österreichische Architekturszene: eine Bestandsaufnahme, eine Zeitdiagnose und eine Darstellung von Architektur als Lebenswelt, Wissensgebiet und als Allianznetz aus vielen dicht verwobenen Lebensund Arbeitsnetzwerken. In den Beiträgen analysieren Fachleute die Architekturszene aus den Perspektiven von Marktforschung, Kreativwirtschaft, berufsrechtlicher Situation, Arbeitssoziologie, freien Berufen, Vergleichen mit anderen Branchen der Kreativwirtschaft auf volkswirtschaftlicher und europäischer Ebene sowie Soziologie, Psychologie und Architektur mit besonderem Augenmerk auf den Einstieg in Stu dium und Beruf. Damit werden vielfältige Inhalte bereitgestellt: für die Diskussion von Architek ­ tur­ und Standespolitik, für die Entwicklung von gesetzlichen und steuerlichen Maßnahmen sowie für zukünftige Fördermaßnahmen der vielen unterschiedlichen Segmente der Szene und die Erschließung neuer Geschäftsfelder. N „Mein Wunsch: Dass Auftraggeber/innen verstehen, dass eine dogmatische Billigstbietervergabe für sie sehr teuer werden kann.“ Wolfgang Wildauer ist Architekt. Vom Paradox zur Resilienz?

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Technikkarrieren fördern | „Ein Sammelsurium von Initiativen“ Barbara Feller ist Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich, Obfrau von bink – Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen und betreut den Bereich Architektur bei Kultur­ Kontakt Austria. Seit Jahren wird über den Mangel an Nachwuchs in den Bereichen Naturwissenschaften und Technik geklagt – oftmals zusammengefasst mit der Abkürzung mint (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Laut tönen die Rufe nach „mehr Ingenieuren“ und das Fehlen von Facharbeiterinnen und Facharbeitern wird, insbesondere von der Wirtschaft, öffentlichkeitswirksam beschworen. Betrachtet man den Bereich differenzierter, wird sichtbar, dass der Mangel, der im Übrigen nicht nur technische Berufe, sondern stark auch die Sektoren (Kranken)Pflege und Soziales betrifft, speziell bei Lehrberufen am stärksten ausgeprägt ist. In der Liste der aktuellen Mangelberufe, die jährlich vom Bundesministerium für Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft kundgemacht wird (Fachkräfteverordnung) – und zum Erwerb der Rot­Weiß­Rot­Karte berechtigt – sind elf der zwölf für 2015 angeführten Berufe aus dem Bereich der Technik: von Fräser/innen über Schwarzdecker/innen bis zu Techniker/innen mit höherer Ausbildung in den Fachgebieten Maschinenbau und Starkstromtechnik. Im Bereich der technischen Studien ist das Bild uneinheitlicher. Auch hier kämpfen insbesondere Maschinenbau und Elektrotechnik mit einer zu geringen Zahl an Studierenden und Absolven ­ ten und Absolventinnen, bei vielen weiteren Fachrichtungen ist die Situation jedoch vielschichtiger – zahlreichen offenen Stellen steht oftmals eine Vielzahl an Jobsuchenden gegenüber. Häufig sind die Anforderungen der Firmen so spezifisch, dass nur eine kleine Personengruppe dafür infrage kommt. Und es lässt auch vermuten, dass der „Fachkräftemangel manchmal dramatisiert wird“, wie es einige Experten und Expertinnen formulieren, damit sich die Unternehmen weniger Gedanken über die Attraktivität ihrer Arbeitsplätze machen müssen und aus einem großen Pool an Interessierten schöpfen können. Unattraktive technische Berufe Unzweifelhaft ist jedoch, dass die Attraktivität von technischen Berufen in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat. Während das Interesse an Architektur laufend steigt, geht die Zahl an Studieneintritten und insbesondere an Absolventen und Absolventinnen in den meisten technischen Fächern teilweise dramatisch zurück. Und insbesondere die Zahl an Frauen wächst – trotz intensiver Bemühungen über beinahe vier Jahrzehnte – nur äußerst gering. Vielfältige Gründe werden für diese Situation in den zahlreichen Studien zum Thema genannt, wobei die Datenlage für Deutschland wesentlich umfassender ist als für Österreich: Generell lässt sich bereits in der Schule ein rückläufiges Inter ­ esse an technischen Fächern beobachten, weil diese zumeist in Didaktik und Methodik wenig mit der Lebensrealität von jungen Menschen gemeinsam haben. Zudem wird die Wahl oder Vertiefung technischer und naturwissenschaftlicher Fächer von den Bezugspersonen (Eltern, Freundeskreis) selten empfohlen. Dabei zeigen Studien, dass insbesondere jene Menschen häufig technische Studien wählen, die in ihrem unmittelbaren Umfeld von entsprechenden „role­models“ umgeben sind. Das Bild des mit dem Sohn, sehr selten der Tochter, fantasievolle technische Anlagen bauenden Vaters entspricht jedoch kaum noch der heutigen Realität moderner Familien. Und jene, die nach Karriere und hohem Einkommen streben, wählen eher ein betriebs­ oder sozialwissenschaftliches Studium – aus der Beobachtung, dass Führungskräfte zunehmend aus diesen Bereichen und immer weniger aus den technischen oder naturwissenschaftlichen Fächern stammen. Es sind also vielfältige Aspekte, die für eine Hebung der Akzeptanz sorgen könnten. So zeigt sich, dass ein eigenes Fach „Technik“, welches jedoch nur sehr vereinzelt an Schulen angeboten wird, wesentlich stärker angenommen wird als der klassische Fächerkanon mit Physik, Chemie und Mathematik. Im Hinblick auf „Raum“ ist insbesondere das am Wirtschaftskundlichen Gymnasium in Salzburg entwickelte Oberstufen­Wahlpflichtfach mit Maturamöglichkeit „dat – Design Architektur Technik“ bemerkenswert, welches naturwissenschaftlichtechnische mit künstlerisch­angewandten Elementen kombiniert. Forschen und Experimentieren sind hier Unterrichtsprinzipien, ebenso wie die enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen „Fachwelten“. Diese Durchlässigkeit zwischen dem „Kosmos Schule“ und externer Fachexpertise ist generell im österreichischen Schulsystem nur sehr gering und erschwert die Ausarbeitung von übergreifenden Strategien und Projekten. Hier setzt das von „bink – Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen“ entwickelte und von der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten geförderte Projekt „technik bewegt“ an – bei dem Experten und Expertinnen unterschiedlicher technischer Disziplinen mit ihrer persönlichen Präsenz den Schulalltag bereichern. Diese Lebensnähe sowie die pra xisnahe und problemorientierte Ausrichtung sind auch wesentliche Punkte, die viele Studierende in ihren technischen Studienfächern vermissen, wie zahlreiche Befragungen deutlich machen. 14 | 15 300 Technikkarrieren fördern

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Impulswoche technik bewegt. Eine raumwissenschaftliche Betrachtung

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„Respekt, Entwicklung, Ver trauen, Engagement und Neugierde mit Kunden, Partnern und im Team erleben.“ Jens Liebmann ist Ingenieurkonsulent für Elektrotechnik. Mehr Ingenieurinnen In beinahe allen Texten und Statements zum Thema wird insbesondere der Mangel an Frauen in technischen Berufen beklagt. Die Distanz zu diesem Bereich beginnt bereits sehr früh – in den Familien, wo traditionelle Rollenbilder vermittelt werden, im Kindergarten, wo Burschen oftmals die „Hoheit“ über die technischen Spielsachen haben, und in den Schulen, wo die Präferenz von Mädchen für die sprachkünstlerischen Fächer und ihre Absenz bei Naturwissenschaften und Technik ungebrochen ist. Trotz einer schier unüberschaubaren Anzahl an Initiativen und Projekten, die seit Jahrzehnten in diesem Bereich stattgefunden haben und weiterhin stattfinden und schon in ihren Titeln ihre Entstehungszeit ablesbar machen: von „Werkfrau und Schlossermädl“ oder „Töchter können mehr“ bis zu den aktuellen „Girls’Days“. Es ist unmöglich, bei der Fülle den Überblick zu haben, und wie verstreut die einzelnen Projekte und Initiativen (nicht nur für Frauen, sondern generell) sind, findet sich augenscheinlich auf der Homepage eines der zuständigen Ministerien, jenem für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, wo unter mint­ Maß nahmen angeführt ist: „Sammelsurium von Initiativen zur Förderung von mint­Fächern“, um gleich auf die Website „technischebildung.at“ weiterzuverlinken, wo eine Vielzahl an Initiativen mit ihren jeweiligen thematischen Schwerpunkten aufgelistet ist. Es gibt so viele, von Bundes­ und Landesstellen, von den unterschiedlichen Gebietskörperschaften, von Vereinen und Firmen – eine Gesamtstrategie fehlt allerdings, weil jeder seine eigenen Ziele verfolgt. Und die zuständige Bildungsund Frauen ministerin Gabriele Heinisch­Hosek räumt ein, dass die Kampagnen „ein Urwald seien, der strukturiert gehört,“ und sie die Summen, die in diesen Bereich bisher geflossen seien, nicht beziffern könne. Und allen ist gemeinsam, dass man sie als weitgehend gescheitert bezeichnen muss, da sie wenig an den realen Verhältnissen geändert haben und weiterhin die Berufswahl von Stereotypen und Traditionen bestimmt wird. Früh beginnen Noch stärker als bei Burschen betonen die einschlägigen Untersuchungen, dass Frauen persönliche Vorbilder – Eltern, Bekannte, mitreißende und motivierende Lehrende – brauchen, um tradierte Rollen zu verlassen. Und dass eine möglichst frühzeitige Förderung, ein lustvoller und spielerischer Kontakt mit technischen Aspekten, beginnend altersadäquat schon im Kindergarten, von ganz zentraler Bedeutung ist. Eine Veränderung von Wertschätzung und Vermittlung muss sich in der Schule fortsetzen, wobei Studien zeigen, dass es förderlich sein kann, wenn Technik in reinen Mädchengruppen vermittelt wird, weil die Herangehensweise an komplexe technische Problemstellungen zwischen Burschen und Mädchen häufig unterschiedlich ist – Frauen probieren eher langsam und haben Angst vor Misserfolgen, während Burschen oftmals einfach loslegen. Sehr problematisch und hinderlich für technische Berufe ist insbesondere der Zeitpunkt, an dem diese Entscheidungen fallen – am Höhepunkt der Pubertät, wenn es schwierig ist, sich gegen den Strom zu entscheiden. Daher muss bereits in jungen Jahren die Basis für Technikbegeisterung gelegt werden. Technikkarrieren fördern

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Sabine Dessovic ist Ingenieurkonsulentin für Landschaftsplanung und -pflege. „Die Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf ist nicht Frauensache allein, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Karrierehindernisse Mit dem Überspringen der „Hürde Pubertät“ ist jedoch nur ein erster Zwischenschritt erfolgt. Die Entscheidung für einen technischen Beruf oder ein technisches Studium garantiert noch keinesfalls auch die tatsächliche Arbeit in diesem Bereich. Denn Frauen mit erfolgreichem Abschluss eines mint­Studium, haben deutlich größere Schwierigkeiten als Männer, einen Berufseinstieg zu finden, der ihrer Qualifikation angemessen ist. Sie sind stärker von Arbeitslosigkeit betroffen und können häufiger nur in befristete und meist schlechter bezahlte Jobs einsteigen. Und auch ihre Aufstiegschancen sind, analog zu anderen Bereichen, deutlich schlechter als jene von Männern. Interessant ist, dass die Arbeitslosenquote von Ein Grund dafür Frauen in technischen Berufen signifikant höher ist die geringe liegt als in „typischen“ Frauenberufen, wie Zahl an Teilzeitstellen, die in technischen Berufen beispielsweise in Pädagogik oder Sozialarbeit. so gut wie gar nicht vorhanden sind, wodurch sich viele Frauen bei Familiengründung aus der Technik verabschieden. Da mit fehlen die so notwendigen Vorbilder, und der Kreislauf von schwacher Präsenz von 18 | 19 Frauen führt wiederum dazu, dass nur wenige Eltern und Töchter eine Karriere im Bereich der Technik erstrebenswert finden. Die Präsentation von Identifikationspersonen, wie sie mit Expertinnen aus der Technik etwa das Netzwerk femtech (Frauen in Forschung und Technologie) des Bundesministeriums für Verkehr, Infrastruktur und Technologie bietet, erscheint als ein Erfolg versprechender Weg. Wesentliche Partner bei diesen Bemühungen müssen auch die Medien sein, die oftmals ein verstaubtes und wenig greifbares Bild des Technikers vermitteln. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele Aspekte ineinandergreifen müssen, um zukünftig das Interesse an technischen Berufen und insbesondere den Anteil an Frauen zu erhöhen, und dass es wohl noch lange dauern wird, bis sich spürbare Veränderungen einstellen werden. N Technikkarrieren fördern

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Work­Life­Balance | Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie Silvia Forlati ist Architektin und Partner von SHARE architects. Neben der Arbeit im Architekturbüro ist sie auch in der Lehre und Forschung tätig. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne. Anne Isopp ist freiberufliche Architekturjournalistin. Sie ist Österreich­Korrespondentin für A10 und seit 2009 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn. Sabina Riss ist Architektin, tätig in Architektur Vermittlung, Lehre und Forschung; seit 2012 an der TU Wien, Abteilung Wohnbau, mit nutzerinnen­ und frauenspezifischen Schwerpunkten. Sie hat eine Tochter. Name geändert Architektin Susanne S. 1 ist nach der Geburt ihres Kindes in Teilzeit in das Architekturbüro zurückgekehrt, in dem sie vorher schon lange gearbeitet hat. Inzwischen hat sie diesen Job aufgegeben, da sie nach ihrer Karenz „nur noch uninteressante Arbeiten machen durfte“, wie sie erzählt. Architektin Karin H. 1 hingegen arbeitet aus genau diesem Grund Vollzeit: „Wenn man Teilzeit arbeitet, bekommt man einfach nicht dieselbe Verantwortung wie bei einem Fulltimejob.“ Sie ist in einem gro ­ ßen Architekturbüro angestellt und hat zwei Kinder. Ihr Mann arbeitet ebenfalls Vollzeit und sie teilen sich die Kinderbetreuung und den Haushalt gleichmäßig auf. Möglich ist das für Karin H. nur, weil das Büro, in dem sie arbeitet, Kernarbeitszeiten am Vormittag eingeführt hat, um so die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Anna K. 1 wiederum ist selbstständig und hat mit ihrem Partner gemeinsam ein eigenes Büro. Für sie hat die Selbstständigkeit den Vorteil, dass „sie sich alles viel besser einteilen kann, weil es keine fixen Arbeitszeiten gibt“. Um sich die Verantwortung für Büro und Kind gleichmäßig aufzuteilen, haben sie und ihr Partner mit der Geburt ihres Kindes für ihr Büro einen erfahrenen Mitarbeiter eingestellt, „der zwar etwas mehr kostet, uns aber auch Verantwortung abnehmen kann“, wie sie sagt. Dies sind nur drei Beispiele von unzähligen, wie Frau und Mann in der Architektur versuchen Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen ist – egal in welcher Branche – nicht einfach. In der Architektur scheint es aber besonders schwierig zu sein. Jeder und jede ist gefordert, eigene Strategien und Lösungen zu entwickeln, um dies zufriedenstellend hinzubekommen. Dennoch sehen sich viele Betroffene, vor allem Frauen, – sobald das erste Kind da ist – weitgehend unvorbereitet mit dem Thema konfrontiert. Sie erleben es meist als ihr individuelles Problem. Das führt dazu, dass sie dem Architekturberuf den Rücken kehren und sich andere Betätigungsfelder suchen. Das erzählen nicht nur die Betroffenen, sondern ebenso die Zahlen: Über 50 Prozent der Architekturstudierenden in Österreich sind weiblich, unter den Ziviltechniker/innen finden sich in Österreich hingegen nur 18 Prozent Frauen. Diese Zahlen haben uns – die Autorinnen dieses Artikels – nachdenklich gemacht und dazu bewogen, die Hintergründe zu erkunden. Für die über das Schütte­Lihotzky­Stipendium sowie von der Architektenkammer und der ma 57 geförderte Studie „Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie“ haben wir in Form von Interviews und Fragebögen mit 33 Architekten und Architektinnen gesprochen. Dabei haben wir Strategien und Modelle kennengelernt, wie sich in der Architektur Beruf und Familie vereinen lassen, sowie Hürden erkannt, die aufgrund berufsspezifischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen die Vereinbarkeit erschweren. Bedingungen ändern Charakteristisch für die Architekturbranche ist, dass die Büros sehr klein strukturiert sind – weniger als drei Prozent aller europäischen Architekturbüros bestehen aus mehr als fünf Leuten (ace 2014). Lange Arbeitszeiten, geringe Bezahlung, Unsicherheiten, Prekariat und überwiegende Selbstständigkeit gehören zu den charakteristischen Eigenschaften des Architekturberufs in allen europäischen Ländern. Diese Bedingungen führen dazu, dass viele Architekt/innen, die wir interviewt haben, die innerhalb ihrer Familie die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung übernommen haben, sich dazu entschließen, den Architekturberuf nicht mehr auszuüben und in andere Berufsfelder zu wechseln. Neben den berufsspezifischen Parametern haben aber auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einen großen Einfluss auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die österreichische Politik fördert lange Karenzzeiten und Teilzeitarbeit. Der Soziologe Christoph Reinprecht weist darauf hin, dass in Österreich die Einkommen erwerbstätiger Frauen im Schnitt 24 Prozent unter denen von Männern liegen und Österreich damit neben Estland das Schlusslicht in Europa bildet. Die Architektur ist eine Profession, die von vielen Frauen wegen ihres liberalen Images gewählt wird, so Reinprecht, und deren Realität für sie dann oft sehr desillusionierend sein kann. Er fordert, die ungeschriebenen Regeln und Handlungsmuster in der Architektur zu überdenken und in den Büros neue Arbeitsformen zu definieren, nur so lasse sich eine Verschiebung der Geschlechterrollen in der Profession und damit auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie erreichen. Die Soziologin Ulrike Papouschek betont, dass für eine bessere Vereinbarkeit auch ein großes Augenmerk auf die Arbeitszeitkultur in der Architektur zu legen ist: Erst wenn Konsens darüber herrscht, dass Architektur sich auch mit geregelten Arbeitszeiten betreiben lässt, sei die Vereinbarkeit mit dem Familienleben gegeben. Architekt Christoph Achammer ist davon überzeugt, dass mehr Frauen – bei gleichzeitiger Verantwortung für Kinder und Familie – erfolg ­ reich in der Architektur tätig sein könnten, wenn sich einige Grundeinstellungen der Betrof fenen ändern würden. Er hat dazu in seiner Firma eine Kernarbeitszeit von nur drei Stunden eingeführt. Work­Life­Balance

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aufrechte Befugnis ruhende Befugnis Weitere Informationen zur Studie Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie unter: www.wonderland.cx/ work­life­balance/ Zur Situation von Ingenieurinnen gibt eine Studie der „Wirtschaftsimpulse für Frauen in Forschung und Technik“ von 2007 Auskunft: http://www.w­fforte.at/ downloads.html Architekt/innen 8 Frauen 29 Männer Burgenland 5 Frauen 13 Männer 31 Frauen 228 Männer 33 Frauen 66 Männer 193 Frauen 945 Männer Wien 94 Frauen 277 Männer Ob Holland, Frankreich oder Schweden – ein Blick ins Ausland zeigt, dass auch in der Architektur andere Länder weit fortschrittlicher und emanzipatorischer agieren als Österreich und dass es dadurch einfacher ist, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Entscheidungshilfe In der von den Autorinnen herausgegebenen Broschüre „Vereinbarkeit von Architektur­Beruf und Familie“ kann man nicht nur Essays zu diesem Thema von den beiden oben erwähnten Soziologen nachlesen, sondern auch anhand von 33 Fallbeispielen erfahren, welche konkreten Möglichkeiten es gibt, Beruf und Familie zu kombinieren. Die Interviews geben einen Einblick in den Alltag der Personen und zeigen, welche Erfahrung diese mit der von ihnen gewählten Strategie gemacht haben. Ingenieurkonsulent/innen 2 Frauen 37 Männer Burgenland Keine Frauen 12 Männer 5 Frauen 289 Männer 9 Frauen 103 Männer 26 Frauen 445 Männer Wien 19 Frauen 197 Männer Angestellt oder selbstständig, Teilzeit oder Vollzeit – diese Entscheidungen muss jeder für sich selber treffen. Wichtig ist, zu erkennen, dass jede Form ihre Vor­ und Nachteile hat und – egal welche man wählt – diese immer das Berufs­ und das Famili enleben (das kann man nie getrennt be trachten) beeinflussen. Für eine bewusste Entscheidungsfindung haben die Autorinnen einen Bausteinkasten zusammengestellt, aus dem Interessierte Vor­ und Nachteile ablesen können und so Entscheidungen in Zukunft bewusster treffen können. Das Thema ist in der Architektur viel zu wenig beachtet, und so bleibt es nach wie vor schwierig, in der Architektur Beruf und Familie zu vereinbaren. Dafür verantwortlich ist auch das weithin gepflegte Selbstbild vom kreativen Architekten, das eine 100­prozentige Verfügbarkeit für den Beruf erfordert und zu einer Entgrenzung von Privat­ und Berufsleben führt. Diese ungeschriebenen Regeln 20 | 21 300 Work­Life­Balance

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„Ich wünsche mir anhaltende Freude an der Arbeit sowie spannende Architekturprojekte, viele gute Interaktionen und mehr Akzeptanz für Frauen im architektonischen Michaela Mair ist Architektin. Berufsfeld.“ Andreas Rumpfhuber ist Architekt. „Ich hoffe auf ein Berufsverständnis der Architekt/innen jenseits der Technokratie.“ werden als ideologische Voraussetzungen akzeptiert, die unser Handeln und die Strukturen des Berufs bestimmen. Als erster Schritt in Richtung Veränderung müssen diese ungeschriebenen Regeln aber endlich einmal konkret ausformuliert und kritisch diskutiert werden. Als zweiten Schritt ist es an der Zeit, über neue Organisationsformen und Arbeitsstrukturen in der Architektur nachzudenken (z. B. Teilzeitjobs, geregelte Arbeitszeiten) sowie einen beruflichen Wertewandel einzuleiten. Damit Architektinnen auch bei geringerem Zeit­ aufwand aufgrund der familiären Verpflichtungen den Architekturberuf genauso professionell und kreativ ausüben können. Die Autorinnen hoffen, mit ihrer Arbeit zur Bewusstseinsbildung beitragen zu können. 2 N Work­Life­Balance

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Lost in Intermediation | Über Kommunikationsdefizite und das Imageproblem Die Bauwirtschaft befindet sich in einem (voraussichtlich historischen) Umbruch, und mit ihr die Rolle der Planerinnen und Planer aller Disziplinen. In vielen Bereichen lassen sich Veränderungen absehen, die erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie künftig Bauprozesse stattfinden werden. Das hat zum einen mit sozialen Entwicklungen zu tun, zum anderen mit technologischen Errungenschaften, deren Innovationsgrad eine immer höhere Skalierung erreicht. Patrick Jaritz ist Gründer von ALLCOLOURS Architecture, Sprecher der Plattform Baukulturpolitik, bis Herbst 2014 Sprecher der IG Architektur, Board­ Mitglied von Wonderland, ehemaliger Vorsitzender der Fachschaft Architektur und der Fakultätsvertretung Architektur und Raumplanung an der TU Wien. Als Technikerin und Techniker sieht man solchen Veränderungen tendenziell positiv entgegen, bedeuten sie schließlich einen hohen Bedarf an Ingenieurkompetenzen. Wirft man einen etwas weiteren, prospektiven Blick in die Zukunft, gelangt man zu der einen grundlegenden Frage: Welche Tätigkeiten werden nicht von immer schneller werdenden Prozessoren mit unzähligen vernetzten Sensoren, intelligenten Maschinen und ausgefeilten (und sich selbst verbessernden) Algorithmen übernommen werden können? Die jetzt in Heranbildung befindliche Generation, die sich in zehn bis 15 Jahren im Feld etablieren wird, wird früh genug eine Antwort darauf finden müssen, welche intellektuelle Leistung nicht ersetzt werden kann. Dagegen scheint es die arrivierte Kohorte mit Themen wie Urbanisierung, bim, Ökobilanz und Lebenszyklusanalyse auf den ersten Blick vergleichsweise einfach zu haben. Allein, abgefragt wird die damit verbundene Expertise selten. Ein Gefühl, das Ingenieure, vor allem Architekturschaffende, seit Längerem begleitet und abermalig attestiert wurde: Wir haben ein Imageproblem. Spätestens mit dem Diplom in der Hand wird gewiss, dass die über viele Jahre erarbeitete Kompetenz nicht auf das erwartete Interesse trifft. Das zeigt sich etwa an der großen Zahl an anspruchslosen Bauaufgaben, für die raumbildende Expertinnen und Experten in der Regel überqualifiziert sind. Immer seltener erhält man die Gelegenheit, zu zeigen, welche Fähigkeiten man sich angeeignet hat. Oft werden in referenzbasierten Wettbewerben ambitionierte Idealisten herausgefiltert, die dann doch nur bereits festgelegte Ideen umsetzen. Es ist nicht klar, ob es sich um Geringschätzung, Ignoranz oder Angst handelt, wenn auf die gebührende Einbindung von Fachleuten mehr und mehr verzichtet wird. In jedem Fall fragt man sich innerhalb der Zunft, woher diese missfällige Haltung kommt. Außerhalb scheint sich ein Ruf etabliert zu haben, der im besten Fall beunruhigend ist. Müsste die Planung nicht von Gesetzes wegen von Ziviltechnike r innen und Ziviltechnikern durchgeführt werden, wie groß wäre tatsächlich die Nachfrage nach hochwertiger Planungsleistung im Architekturbereich? Wie viele Nichtziviltechniker und ­innen können von ihrer Kernkompetenz leben, wenn sie nicht für zt­Büros tätig sind (und sollen sie das überhaupt)? Bei vielen Kolleginnen und Kollegen tauchen diese Fragen erst nach dem Studium auf, wenn sie sich Zeit nehmen können, um über den weiteren Berufsverlauf nachzudenken. Evident wird jedenfalls das viel zitierte Imageproblem. Und dem vorausgegangen ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Kom munikationsproblem. Aber so, wie es nach außen offensichtlich Übertragungsschwierigkeiten und Schnittstellenkonflikte gibt, herrschen auch zu nehmend Defizite bei der Verständigung untereinander. Reserviertheit gegenüber den Institutionen Deutlich wird das an der Entwicklung der (internen) Austausch­ und Diskussionskultur. Wesentlicher Bestandteil des Architekturberufs ist die Projektpräsentation, die in den Entwurfsübungen, vor allem aber unter den Studierenden in den Zeichensälen und Studios geschult und fortlaufend geübt wird. Die öffentliche Präsentation spielt dabei insofern eine besondere Rolle, da sie zum einen zum Dialog mit der Fachwelt, zum anderen als pr­ und Akquiseinstrument dient. Beispielhafte Initiativen wie „Yo.V.A.“ oder „architektur in progress“ kümmern sich regelmäßig darum, junge Architektur vor den Vorhang zu holen und zur Diskussion zu stellen. Und auch von den zehn Mitgliedern der Architekturstiftung gab und gibt es bundesweit mustergültige Ausstellungen, um die nachfolgenden Generationen sichtbar zu machen. Während dieses Engagement unentbehrlich ist, um bei Nichtfachleuten ein Verständnis zu erwecken, scheint sich beim Fachnachwuchs gegenüber den etablierten Institutionen eine gewisse Reserviertheit abzuzeichnen. So lässt sich, gemessen an der enormen Anzahl an jungen Architekturschaffenden, aus manchen Mitgliederentwicklungen herauslesen, dass es zunehmend schwieriger wird, die Verbindung zum Nachwuchs zu halten bzw. überhaupt herzustellen. Trotz intensiver Öffentlichkeitsarbeit werden Angebote nicht mehr so einfach angenommen – wenn sie die Jungen denn überhaupt erreichen. Wie die Vermittlungseinrichtungen und bestehenden Netzwerke in einer Zeit wahrgenommen werden, in der sich der Austausch der jungen Kol leginnen und Kollegen, das Abrufen von inspirierendem Input und die Suche nach Role Models in die digitale Sphäre verlagern, wo es maßgeschnei derte Plattformen dafür gibt, lässt sich schwer beurteilen. Für die innerfachliche Kommunikation so unverzichtbare Tools wie die Mailingliste der ig Architektur werden von einer 22 | 23 300 Lost in Intermediation

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Generation, die E­Mails als anachronistisch auffasst, möglicherweise nicht mehr weitergetragen werden. Beobachtbar ist gleichzeitig eine generelle Zurückhaltung im berufspolitischen Bekenntnis, aber auch in der dafür nötigen Diskussion. Junge Initiativen als Anregung „In the name of architecture“, das Mies Magazin (bzw. Mies Festival), das international publizierte Projekt „Hypotopia“ und die Zeichensaal­Initiativen konnten indes als studentische Kommunikationsformate in den letzten Jahren einige Aufmerksamkeit gewinnen. Dem vom Architektur­ und Raumplanungsdekanat der tu Wien geleiteten „future.lab“ gelang es, sich mit dem hauseigenen Printmagazin erfolgreich als Diskursplattform zu positionieren. Solche Beispiele vermögen vielleicht als Anregung dienen, wie ein fruchtbarer architekturpolitischer Diskurs künftig geführt und die Architekturschaffenden generationsübergreifend im Sinne der Vertretung baukultureller Interessen organisiert werden können. Statt sich als Einzelkämpfer am internationalen Markt behaupten zu müssen, könnte auch ein gemeinsamer Export der angesehenen heimischen Architektur angestrebt werden. Interne und externe Kommunikation ist also entscheidend für die Auseinandersetzung mit der Imagefrage. Das ist jedoch keine einseitige Verantwortung. In Finnland sind seit mehr als 15 Jahren die Architekturbildung an Schulen, Erwachsenenbildungsmaßnahmen und baukulturelle Bildungsprogramme für Entscheider und Entscheiderinnen wesentliche Voraussetzung für die dort umfangreich eingesetzte Bürger/innenbeteiligung. Auch bei uns müssen sich die Gesellschaft und die zuständigen Normativkräfte für oder gegen eine nachhaltige Entwicklung der gebauten Umwelt entscheiden – und Nachhal tigkeit ist ohne Planerinnen und Planer jedenfalls nicht möglich. „Architektur ist ein Ausdruck der Kultur“, lautet der erste Satz des französischen Architek turgesetzes von 1977. Um dieses gesellschaftliche Bewusstsein auch in Österreich zu verankern, bedarf es einer verständlichen Übersetzung der Ziele und Werte unseres Berufs. Interessant wird deshalb, zu verfolgen, wie sich die in der Architektur so essenzielle Verständigung untereinander verändern wird. Und wahrscheinlich ist es höchst ratsam, die nächste Generation bald bei der eingangs erwähnten Beantwortung zu unterstützen, was den Kern der Architekturleistung ausmacht, der nicht von Maschinen übernommen werden kann. Die Frage ist, welche neuen Kom munikationsformate es braucht, um wieder zu einem gemeinsamen Verständnis davon zu gelangen, was wir überhaupt tun, warum und für wen. Wenn wir dorthin kommen, ist es auch möglich, glaubhaft nach außen zu transportieren, dass qualitätsvolle Planung ökonomischen und ökologischen Nutzen bringt und Baukultur der Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen Gesellschaft dient. N Johann Kunesch ist Ziviltechniker für Maschinenbau-Gebäudetechnik. „Die Qualität, nicht nur der Preis möge entscheiden: bestbieter statt billigstbieterprinzip!“ Lost in Intermediation

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Vorbilder | Emanzipation von eingefahrenen Rollen Versuche, Mädchen für Technik zu begeistern, gibt es viele. Dennoch: Es bewegt sich recht wenig. Woran liegt das? Wie kann es geändert werden? Warum greifen die Anstrengungen so wenig oder so langsam? Anna Soucek ist Journalistin, Kuratorin und Mitbegründerin des forum experimentelle Architektur. Es gibt zahllose Initiativen von Ministerien, Universitäten und Interessenverbänden in Form von Bildungskampagnen, Plakataktionen und Nachwuchswettbewerben. Es gibt etwa die von der Wiener Frauenstadträtin veranstalteten Töchtertage, die Mädchen für Berufe gewinnen sollen, die „keine typischen Frauenberufe“ sind. Oder die privatwirtschaftlich initiierte Aktion „Österreich sucht die Technikqueen“, die unter der Jugend weibliche technische Fachkräfte für Industrieunternehmen rekrutieren will. Und es gibt beherzte, um die Er ziehung ihrer Kinder bemühte Eltern. Alle sagen Rollenklischees ab, und alle, so scheint es, sind sich einig: Der Nachwuchs in der Technik ist weiblich! Karriereknick Technik? Betrachtet man die Statistiken der technischen Hochschulen und Universitäten in westlichen Industrieländern, gibt es international kaum Unterschiede. Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Kurzum: Die Zahl der Frauen, die technische Fächer inskribieren, steigt langsam, aber stetig. Ebenso jene der Absolventinnen. Danach – also im weiteren Verlauf der Karriere – sinkt die Kurve jedoch rapide. Die Anzahl der Professorinnen in technischen Fächern ist immer noch gering. Ebenso wie die Zahl der weiblichen Fachkräfte in Industrieunternehmen, die in Österreich nur etwa 15 Prozent ausmacht. Irgendwann zwischen Studienbeginn und Karrierehöhepunkt machen sich die Frauen aus dem Staub, so scheint es. Beginnen wir bei den Kindern Aus irgendeinem Grund, den selbst Entwicklungspsychologen, Soziologinnen und Pädagogen nicht eruieren können, sprechen Mädchen weniger auf technisches Spielzeug an als Burschen. Freilich gibt es Ausnahmen, und freilich gibt es Mädchen, die sich auch etwa für Vehikel, Werkzeug und Baugeräte interessieren. Doch geht es ihnen beim kindlichen Spiel eher um Zwischenmenschliches. Der Bagger bekommt einen Namen und Freunde, der Kran wird gefüttert und zu Bett gebracht. Macht nichts, Eltern, gebt nicht auf! Der Soziologe Ortwin Renn meint in einem Interview des Wochenmagazins „Die Zeit“ (20.11.2014), dass naturwissenschaftliches und technisches Interesse früh gefördert werden muss: „Wir haben herausgefunden, dass Mädchen sehr viel stärker als Jungen Bezüge zu sozialen Kontexten oder zur Natur favorisieren. Während es sich z. B. in Rollenspielen bei Jungs häufig um Ritter und Helden dreht, spiegelt sich bei Mädchen die soziale Lebenswelt wider, etwa im Mutter­Kind­Spiel. Es ist noch nicht wirklich klar, warum das so ist, aber da müssen wir ansetzen. Deshalb darf man bei Mädchen nicht nur über den analytischen Weg gehen, der ist nicht attraktiv für sie. Stattdessen muss man sie über den konstruktiven Weg ansprechen, z. B. indem man zusammen eine Stadt aus Klötzen baut. So können Mädchen spielerisch ihre soziale Welt erschaffen.“ Hat das Mädchen den Weg zur Technik über Bauklötze begonnen und sich in seiner Schullaufbahn nicht vom Interesse für Mathematik, Physik und geometrisches Zeichnen abbringen lassen, wird es möglicherweise an einer technischen Universität inskribieren. Das ist heute glücklicherweise keine Besonderheit mehr. Vor allem in der Architektur, die an der tu Wien ein beinahe ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei Studienanfängern und Studienanfängerinnen aufweist. In Fächern wie Elektrotechnik hingegen ist der Frauenanteil mit etwa 8 Prozent ausgesprochen gering. Die Abbruchquote liegt insgesamt bei Frauen 30 Prozent über jener der Männer, wie Sabine Köszegi, Professorin für Arbeitswissenschaft und Organisation, und ihre Kolleginnen in einer Studie festgestellt haben. Zusammenfassend schreiben sie über Geschlechterdiskriminierung an der tu Wien: „Bewerben sich für eine ausgeschriebene wissenschaftliche Position an der tu Frauen und Männer, wird in Experimenten deutlich, dass (potenzielle) EntscheidungsträgerInnen Männer und Frauen nach geschlechtsspezifischen Stereotypen beurteilen. Darüber hinaus werden Lebensläufe von Frauen dann signifikant schlechter beurteilt, wenn das Geschlecht aus der Bewerbung ersichtlich ist. Bei Männern tritt der gegenteilige Effekt auf. Maßnahmen wie der Hinweis auf das Gleichbehandlungsgesetz im Bewerbungsverfahren erweisen sich als nicht effektiv.“ Wiewohl anerkannt werden muss, dass der tu Wien – nach rund 200 Jahren und 100 Rektoren – seit Oktober 2011 erstmals eine Frau als Rektorin vorsteht, die Werkstoffwissenschaftlerin Sabine Seidler, ist die Zahl an Professorinnen mit 59 (Stand: März 2015) immer noch verbesserungswürdig. Einstiegshürden und Berufsalltag Was ist nun mit jenen Frauen, die ihr Studium abschließen und nicht unterrichten? Betrachten wir die Architektur, wie oben erwähnt ein Sonderfall unter den technischen Disziplinen. Von der Ausbildung zur Berufsausübung nimmt der Frau­ 24 | 25 300 Vorbilder

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Nilufar W. Winkler ist Architektin. „Hoffnungen/Wünsche/Erwartungen: steigendes Auftragsvolumen/Bauherren, denen Qualität genau so wichtig ist wie uns/Porsche 911 Targa (natürlich schwarz) als Firmenwagen.“ enanteil stark ab. Zudem arbeiten Frauen sozusagen „versteckt“, ohne Ziviltechnikerbefugnis bzw. in architekturverwandten Disziplinen. Oder als Mitarbeiterinnen in Büros, oft im Hintergrund und ohne sichtbare Anerkennung ihrer Leistungen. Anita Zieher schreibt in dem 1999 im Verlag Anton Pustet erschienenen Buch „Auf Frauen bauen. Architektur aus weiblicher Sicht“: „Gerade Frauen, die in einer Bürogemeinschaft mit dem Lebenspartner arbeiten, verzichten aus Kostengründen häufig auf ihre aufrechte Befugnis und arbeiten nach der Geburt ihres Kindes als Mitarbeiterinnen im Büro. Dieser Umstand rächt sich oft bitter, wenn solche Partnerschaften zerbrechen. Die Männer beanspruchen dann die Reputation des über viele Jahre gemeinsam aufgebauten Büros, während die Frauen von vorne anfangen und in einem hart umkämpften Markt kaum die Möglichkeit haben, wieder Fuß zu fassen.“ Anita Zieher nennt als weitere Karrierehindernisse für Frauen in der Architektur etwa das fin anzielle Risiko einer Bürogründung, die Schwierigkeit in der Akquirierung von Aufträgen aufgrund mangelnder sozialer Strukturen und Netzwerke sowie Vorurteile über die fachliche Kompetenz seitens der Bauträger. Diese Schwierigkeiten haben wohl abgenommen und dürften den Erfahrungsschatz von Architektinnen heute weniger als vor einigen Jahren noch prägen. Zu verdanken ist dies nicht nur den sogenannten Stars der Weltarchitektur, allen voran Zaha Hadid, sondern in Österreich jenen Architektinnen, die erfolgreichen Büros vorstehen und auch die Öffentlichkeit nicht scheuen, etwa Marta Schreieck, Bettina Götz oder Elke Delugan­Meissl. Alle drei sind übrigens zu Kommissärinnen österreichischer Beiträge zur Architekturbiennale in Venedig ernannt worden. Eine öffentlichkeitswirksame Posi tion, die zu Recht auffallend häufig mit Frauen besetzt wird. Man ist an oberster Stelle bedacht da rauf, es richtig zu machen. Es gibt sie also, die weiblichen Vorbilder, in der Architektur vielleicht sichtbarer als in anderen Disziplinen der Ziviltechnik. Doch – und damit kehren wir wieder zu den Kindern zurück – um den Frauenanteil in technischen Berufen zu erhöhen, muss man früher ansetzen. Da braucht es nicht nur mediale Vorbilder, sondern vor allem Mütter, die selbstständige Ziviltechikerinnen sind, Freundinnen, die Statik studieren, und Tanten, die als Ingenieurinnen erfolgreich sind. Frauen im nächsten Umfeld, die ihre Technikbegeisterung schon den Kleinsten vermitteln können. Ob Mädchen oder Buben. Vielleicht müssen wir uns noch gedulden und auf die nächste Generation warten. Der Weg wird hoffentlich ebener. Zu verdanken wird das nicht zuletzt den bildungspolitischen Maßnahmen, die heute gesetzt werden, sein. N Vorbilder

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Fritz Matzinger | Überzeugungstäter, nicht Auftragnehmer Vor 40 Jahren realisierte Architekt Fritz Matzinger erstmals sein Konzept des Atriumhauses. Heute gilt er als Pionier des gemeinschaftlichen Bauens und Wohnens – und beweist, dass man sich den vermeintlichen Zwängen seines Berufs auch entziehen kann. Reinhard Seiß, Stadtplaner, Filmemacher und Fachpublizist, porträtierte das Werk von Architekt Fritz Matzinger in seinem 2013 auch als DVD erschienenen Dokumentarfilm „Häuser für Menschen“. Sie muss einiges an Befremden ausgelöst haben, die futuristisch wirkende Anlage mit ihren zweiund dreigeschoßigen Wohnwürfeln, den Flachdächern und den nach außen gewölbten, bullaugenartigen Fenstern, als Fritz Matzinger sie vor vier Jahrzehnten auf eine Obstwiese in der Linzer Nachbargemeinde Leonding gestellt hat. „Mein erstes Haus war noch ein Ausfluss der Ideen, die ich nach dem Studium entwickelt hatte“, so der heute 74­jährige Linzer Architekt. „Ich überlegte damals, wie man in großer Zahl preiswert Wohnungen produzieren kann, und kreierte ein System aus vorfabrizierten Raumzellen, die man zu unterschiedlichen Typen kombinieren konnte und die nebeneinander­ oder übereinandergestellt einen Wohnbau ergaben.“ Fixe Idee aus Afrika Nach seinem Diplom 1965 hatte Matzinger für Büros in Wien und Linz gearbeitet, ehe er sich 1971 zur Selbstständigkeit entschloss – nicht aus Mangel an Jobs, sondern „weil ich mit dem normalen Wohnbau nichts anfangen konnte“. Die Umsetzung seines ursprünglichen, rein technologischen Lösungsansatzes scheiterte allerdings an einer Afrikareise 1973, die seine bisherigen Überlegungen über den Haufen warf. „Ich habe in den Dörfern in Kamerun und an der Elfenbeinküste eine Gesellschaft und eine Wohnform kennengelernt, in der es keine Kindergärten gibt und keine Seniorenheime, keine Schlüsselkinder, die den ganzen Tag allein sind, oder alte Menschen, die vereinsamen.“ Unser Wohnbau dagegen offenbarte sich für Fritz Matzinger als reine Befriedigung physischer Bedürfnisse – „ein paar Wände, ein Dach über dem Kopf und fertig. Aber das kann es nicht sein. So hatte ich noch in Afrika die fixe Idee, diese Eindrücke in einem Wohnprojekt umzusetzen.“ Zurück in Linz ist innerhalb eines Monats ein Plan für einen Prototyp entstanden, den der Architekt zusammen mit anderen Familien auch realisieren wollte – als gemeinschaftliche Alternative zum Nebeneinanderher­Wohnen, ob im Wohnblock, ob im Einfamilienhaus. Auf seine kleine Zeitungsannonce hin meldeten sich 150 Interessierte. Mit 15 von ihnen startete Matzinger nach Erwerb eines Grundstücks 1975 die Bauarbeiten, wobei er ein enormes Risiko auf sich nahm: Um Zweifel seiner Mitstreiter an diesem Experiment zu zerstreuen, bot er ihnen eine Fixpreisgarantie, für die der knapp 30­jährige Familienvater privat haftete. „Aus heutiger Sicht habe ich damals mein Hirn ausgeschaltet.“ „Aber ich war besessen von meiner Vision und wollte sie unbedingt verwirklichen“, blickt der Architekt zurück. Durch vorgefertigte Raumzellen aus Beton konnten die Häuser kostengünstig und schnell errichtet und „am 1. Dezember desselben Jahres von uns bezogen werden“. In der zweiteiligen Siedlung umschließen je acht mehrgeschoßige Wohneinheiten einen quadratischen Hof oder, wie der Architekt es nennt, ein Atrium, das bei Schlechtwetter durch ein Glasdach geschützt wird. Verbunden sind beide Hälften durch ein Schwimmbad samt Sauna, das ebenfalls Sommer wie Winter genutzt werden kann und laut Fritz Matzinger als ein Kristallisationspunkt des Gemeinschaftslebens fungiert. Eingebettet ist die Anlage in einen großen gemeinschaftlichen Grünraum, das Wesentlichste aber sind die zwei Innenhöfe: Sie dienen den Bewohnern als Treffpunkt, Spielraum, Sporthalle, Festplatz und Veranstaltungsort – ja, als eine Art Wohnzimmer und Wintergarten der Hausgemeinschaft. Dass die Atrien so intensiv genutzt werden, liegt für Matzinger daran, dass sie den Zugangsbereich zu den einzelnen Wohneinheiten bilden. Wann immer die Bewohner ihre eigenen vier Wände verlassen oder betreten, gehen sie über den Hof. So begegnet man sich automatisch, ein kurzes Gespräch drängt sich geradezu auf – und gemeinsame Aktivitäten oder auch gegenseitige Nachbarschaftshilfe ergeben sich wie von selbst. „Interessant ist, dass die Gemeinschaft unter gelegentlichem Bewohnerwechsel in keiner Weise litt“, bilanziert der 74­Jährige, der mit seiner Frau nach wie vor in seinem ersten Atriumhaus wohnt und hier auch sein Büro führt. „Im Gegenteil. Aus dem Familiendomizil der 70er­Jahre ist keine Seniorenresidenz geworden, sondern ein Mehrgenerationen­Wohnen aller Altersklassen.“ Trotz anfänglicher Skepsis von Außenstehenden gegenüber der „kommunenartigen“ Wohn ­ form stieß der Architekt rasch auf das Interesse weiterer Bauwilliger. So konnte Fritz Matzinger bis heute an 21 Standorten 36 Atriumhäuser mit insgesamt rund 700 Wohnungen verwirklichen. Die meisten davon in Oberösterreich, aber auch welche in Wien, Niederösterreich, der Steiermark und Salzburg – sowie in Berlin, Baden­Württemberg und Sachsen. Die wohl ungewöhnlichste seiner Siedlungen ist das „Nachbarschaftliche Wohnen Guglmugl“ aus dem Jahr 2000. Hier bilden die Reihenhäuser nicht den üblichen Hof – sie erstrecken sich in zwei parallelen Zeilen das steile Hanggrundstück hinauf. Dementsprechend verläuft das 600 Quadratmeter große Atrium samt Wintergarten und Wasserfall wie eine Gasse durch ein Bergdorf zwischen den beiden Häuserreihen hindurch. Die Hanglage des Grundstücks nutzte der Architekt, um die mehr­ 26 | 27 300 Fritz Matzinger

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geschoßigen Häuser terrassenartig abzustufen und jedes Flachdach als großzügigen Garten für die oberhalb anschließende Wohneinheit zu gestalten. Darüber hinaus verfügen die Reihenhäuser noch über Balkone, Terrassen beziehungsweise kleine ebenerdige Gärten. Ein Gemüsegarten, ein Spielplatz, ein Sportplatz, ein Theaterkeller und ein Hallenbad mit Sauna sorgen auch hier für ein leben diges Gemeinschaftsleben. Die sozialen Aspekte sind ein Teil des Nachhaltigkeitsanspruchs, den Matzinger an den Wohnbau stellt. Daneben stehen sein ökologischer Anspruch, den er durch die Wahl von Standorten an öffentlichen Verkehrsmitteln sowie durch das boden­, bau stoffund heizenergiesparende Zusammenrücken seiner Häuser erfüllen will – ebenso wie der Anspruch, auch wirtschaftlich nachhaltig zu bauen: für die Bewohner selbst durch verbilligende Gemeinschaftslösungen und für die Gesellschaft durch enorme Einsparungen bei der Siedlungsinfrastruktur gegenüber herkömmlichen Einfami lienhaussiedlungen. Nur einmal mit Bauträger Trotzdem scheinen weder Politik noch Wohnungswirtschaft an seinem Konzept interessiert. Erst bei seinem jüngsten eigeninitiierten Bau unterstützte ihn das Land Oberösterreich nach einem Sonderbeschluss der Landesregierung in vollem Umfang. „Bis dahin erhielten wir die große Wohnbauförderung nur dann, wenn wir am Projekt offiziell eine Wohnbaugesellschaft beteiligten, die aber erst wieder Geld von uns dafür verlangte“, so der Architekt. Bloß eine einzige Anlage in Österreich entsprang dem Auftrag eines Bauträgers – und auch das nur, weil dieser darauf hoffte, dass Matzingers Haus im Unterschied zu einem herkömmlichen Wohnkomplex von den streitbaren Anrainern akzeptiert werden würde. Der Archi ­ tekt wiederum machte bei diesem Projekt die Erfahrung, dass seine Qualitätsvorstellungen mit den Rentabilitätsvorstellungen der Wohnbaugesellschaften nicht in Einklang zu bringen sind. Auch an Wettbewerben nimmt er mittlerweile nicht mehr teil, „weil in den Jurys kaum Leute sitzen, die sich mit der Materie Wohnbau ernsthaft beschäftigen“. Einzig sein Obdachlosenheim in Steyr, das er ebenfalls am Konzept seiner Atriumhäuser ausrichtete, entsprang einem geladenen Wettbewerb. Aktuell arbeitet Matzinger an vier Projekten – zwei Neubausiedlungen im Raum Steyr und zwei Umbauten historischer Komplexe: In das Linzer Kapuzinerkloster integriert er ein sos­Kinderdorf sowie ein Therapiezentrum und ergänzt auf dem Vorplatz einen Wohnbau nach seinen Prinzipien. In der Gemeinde Garsten wiederum wandelt er einen großen, aufgelassenen Vierkanthof aus dem 16. Jahrhundert in ein Atriumhaus um und baut in die teils denkmalgeschützten Gemäuer 20 Woh ­ n ungen sowie 1.000 Quadratmeter Gemeinschaftsfläche ein. „Wir Architekten haben schon genug Landschaft vernichtet“, spart Fritz Matzinger nicht mit Kritik am eigenen Berufsstand. „Es ist höchste Zeit, dass wir uns um den Baubestand kümmern. Da ist viel Platz für innovative Konzepte, auch im Wohnbau, und viel Arbeit für eine hoffentlich engagierte, neue Generation von Planern.“ N Fritz Matzinger als junger Architekt im Jahr 1977 in seinem ersten Atriumhaus. „Ich war besessen von meiner Vision und wollte sie unbedingt verwirklichen.“ Fritz Matzinger

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Engagement ist gefragt | Neue Möglichkeiten für junge Ziviltechniker und Ziviltechnikerinnen Christian Aulinger ist seit etwas über einem Jahr als Kammerpräsident im Amt. Im Gespräch mit Franziska Leeb zieht er Bilanz über das erste Jahr und berichtet über die aktuellen Aktivitäten der Kammer im Hinblick auf die Förderung des Ziviltechnikernachwuchses. Christian Aulinger, geb. 1964 in Graz, Architekt, Gründungsmitglied der IG Architektur, 2012 Bundesvorsitzender der Architekten und seit Oktober 2014 Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten. Franziska Leeb: Zu Beginn Ihrer Amtszeit standen drei große Vorhaben auf Ihrer Agenda – die Strukturreform der Kammer, eine österreichweite zt­Akademie und die Verankerung des Berufsnachwuchses in den Kammerstrukturen. Wie weit ist man diesen Zielen in der Zwischenzeit näher gekommen? Christian Aulinger: Ein großer Plan ist schnell erzählt, aber man braucht dafür Grundvoraussetzungen und muss gewisse Hausübungen erledigen. Daher galt es, im ersten Jahr die unverzichtbare Knochenarbeit zu leisten, die großen Plänen immer vorangehen muss. Beim Kammertag Ende Oktober wurde mit großer Mehrheit eine neue Budgetstruktur für unsere disponiblen Kosten verabschiedet, die uns wesentlich mehr Spielraum erlaubt. Im Juni 2015 haben wir im Vorstand der Bundeskammer einstimmig die Gründung der Österreichakademie im Rahmen einer bereits bestehenden GmbH­Struktur der Bundeskammer beschlossen. Weiters wird die Reform des Ziviltechnikergesetzes (ztg) im Hinblick auf einen Ziviltechniker­Anwärterstatus neue Formulierungen und damit neue Möglichkeiten beinhalten. FL: Das reformierte Gesetz soll die Kammer für Berufsanwärter/innen öffnen. CA: Ja, konkret möchten wir im Gesetz die freiwillige Mitgliedschaft von Studienabsolventinnen und ­absolventen verankern. Das ist ein Riesenschritt, weil sich damit die Absolventinnen und Absolventen politisch organisieren und artikulieren können und sich so vom Tag des Studienabschlusses an in ihr Berufsumfeld einbringen können. Ich weiß nur zu gut, dass gegenüber unserer Kammer – wie gegenüber jeder Kammer – fast reflexhafte Vorbehalte existieren. Ich habe das selbst sehr intensiv ausgelebt. Die ig Architektur wäre nicht gegründet worden, wenn wir damals nicht das Gefühl gehabt hätten, in dieser Kammer sollte so manches anders laufen. fl: Was war für Sie der Grund, Ihr Engagement von der sehr aktiven, rebellischen Interessengemeinschaft dann doch in die Kammer zu verlagern? ca: Wenn ich es ganz hochtrabend ausdrücke, würde ich sagen, das beruhte auf einer Wirkmächtigkeitsanalyse. Die Kammer ist die gesetzlich vorgesehene Berufsvertretung. Daher war für mich irgendwann klar, da muss ich mitreden und wenn man einmal in einer so heterogenen vielschichtigen Struktur drinnen ist, stellt man auch sehr schnell fest, dass man erst dann etwas bewegen kann, wenn Andrei Gheorghe ist Architekt. „Mein Leitmotiv für die Zukunft, mit den Worten von Hermann Hesse: ‚Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu er reichen ...‘ “ 28 | 29 300 Engagement ist gefragt

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„Mein Wunsch: Wettbewerbe, die auch jungen Büros mit noch wenigen Referenzen als gleichwertigen Akteuren offen stehen.“ Philipp Broinger ist Architekt. man sich über die Maßen einbringt und Funktionen übernimmt. Ich will jetzt nicht behaupten, dass das ein großer Masterplan gewesen wäre. 2006 habe ich keinen Gedanken daran verschwendet, dass ich in acht Jahren Bundeskammerpräsident sein könnte. Ich wollte einfach nur mitreden, und dann ist passiert, was meistens passiert, wenn sich jemand konstruktiv einbringt. Das ist ja auch sehr positiv an der Kammer, dass dies nicht als lästige Kritik zur Seite geschoben, sondern angenommen wird und der­ oder diejenige schnell eingebunden ist. Engagement ist immer wichtig, auch wenn es viel Zeit und Energie vom eigenen Unternehmen abzieht. Wenn man aber einmal damit begonnen hat, will man das ja auch zumindest bis zu einem bestimmten Punkt weiterbringen. Da steckt schon ein gewisser Ehrgeiz dahinter, etwas zu bewegen. fl: Was bietet die Kammer den künftigen Ziviltechnikeranwärter/innen außer der Möglichkeit, sich einzubringen? ca: Auch die eingangs bereits erwähnte Österreich­ Akademie soll den Anwärter/innen neue Möglichkeiten eröffnen. Vergünstigte Konditionen gibt es, da es ja unsere eigene Akademie ist, nur für Mitglieder. Das Angebot kann sich dann auch viel spezifischer an den Ziviltechnikernachwuchs wenden, und indem wir an weiteren Standorten agieren, wird es leichter zugänglich werden. Für jemanden, der in Innsbruck ansässig ist, war die Inanspruchnahme von Weiterbildungsangeboten der Kammer bislang mit großem zeitlichem und damit auch finanziellem Aufwand verbunden, weil man extra nach Wien anreisen musste. Die jungen Kammermitglieder werden selbstverständlich auch den gesamten Service der Kammer, wie z. B. die Rechtsberatung, in Anspruch nehmen können. Es soll die Schwelle zur Kammer abgebaut werden und deren Wahrnehmung stärker ins Positive verändert werden. Es gibt in der Kammer sehr viele Leute, die das Richtige wollen und tun, was oft durch suboptimale Strukturen erschwert wird. Das zu verändern ist meine Ambition. Ich denke, es tut sich schon allerhand in diese Richtung. Ein gemeinsames Handeln der Architekten und Ingenieure ist jedenfalls zielführender, als die Sparten von vornherein zu trennen, um sie dann in einem Meinungsbildungsprozess wieder zusammenzuführen. Zweifellos gibt es in jeder Kammer Reformbedarf. Aber dass das ein Modell wäre, das sich grundsätzlich überlebt hat, das sehe ich schon längst nicht mehr so – vor allem durch die Einsicht, dass besonders in Zeiten, wo die Politik nicht so stark aufgestellt ist, das Kammersystem Relevanz bekommt, auch in einer kleinen Vertretung, wie es die unsere ist. Wir haben diesbezüglich viel von unserem Generalsekretär Felix Ehrnhöfer und seiner politischen Erfahrung gelernt, was uns auch viele Zugänge ermöglicht hat. Und in den letzten Jahren haben wir gelernt, sukzessive auch bei den Großen mehr und besser mitzuspielen. Wir werden schon allein aufgrund der viel geringeren Mitgliederzahlen nie in jene Liga aufsteigen, in der Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer agieren, die bei den Sozialpartnerverhandlungen direkt am Tisch sitzen und das Land verhandeln. Früher sind wir nicht einmal am Tisch gesessen, wenn es um unsere Berufsangelegenheiten gegangen ist – das haben wir mittlerweile geschafft. fl: Eine Zeit lang schwirrte der Begriff „Ziviltechniker light“ herum. Was hätte das bedeutet und warum hat man sich davon wieder verabschiedet? Engagement ist gefragt

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Martin Seidner ist Ingenieurkonsulent für Bauingenieurwesen. „Unsere Aufgaben bewegen sich weg von der Technik hin zu wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen. Das erfordert Kompetenz und muss honoriert werden.“ 30 | 31 ca: Es gab die Vorstellung, dass „Ziviltechniker light“ kleine Bauaufgaben, etwa in jenem Umfang, für den eine Bauanzeige ausreicht und es keine Bauverhandlung braucht, abwickeln dürfen. Das wurde von den Jungen – mich damals eingeschlossen – immer gewünscht. Sobald man als Absol vent die Möglichkeit hat, für jemanden aus dem Freundeskreis einen kleinen Umbau zu machen, ist das das wichtigste Thema der Welt. In Wahrheit ist das auf ein ganzes Berufsleben gesehen nicht so relevant. Vielmehr ist das Problem aber, dass wir ein Ziviltechnikergesetz haben, und das ist nicht endlos differenzierbar. Bei den Architekten würde man vielleicht sogar noch die Abgrenzung zusammenbringen, aber wie funktioniert das bei den Vermessern – dürfen die dann nur bis zu einer bestimmten Distanz messen? Wenn man diese Überlegungen über die verschiedenen zt­ Befugnisse – und derer haben wir sechzig – anstellt, erkennt man die Unmöglichkeit und Unsinnigkeit dieses Vorhabens. Es ist gesetzlich so gut wie unmöglich, das zu formulieren. Das wäre unendlich kompliziert und wir wissen aus Erfahrung: Je komplizierter ein Gesetz ist, als umso absurder erweist es sich nach kürzester Zeit. fl: In Wahrheit haben doch noch alle Wege gefunden, die Häuschen ihres Schulfreundes auch ohne Befugnis umzubauen. ca: Richtig! Da würde ich eher denken, dass Leute, wenn sie einmal in der Kammer sind, damit ja auch in einem Berufsnetzwerk sind. Mit Mentorenprogrammen können wir dann die jungen Kolleginnen und Kollegen unter die Fittiche nehmen und zum Beispiel in einem kooperativen Zugang Projekte abwickeln. Dafür werden sich Möglichkeiten finden, und das wird eben einfacher sein, wenn die Leute schon Kammermitglieder sind und die gesetzlichen Rahmenbedingungen geklärt sind. Es eröffnen sich neue Möglichkeiten, die wir die letzten hundert Jahre nicht hatten. Es gibt eine Bringschuld auf Ebene der gesetzlichen und standesrechtlichen Rahmenbedingungen, es gibt aber auch eine Holschuld, und ich wünsche mir, dass sich junge Mitglieder finden, die sich engagieren. Die Befugnis light hat die viel wichtigere Diskussion, wie man den Jungen gleich eine politische Stimme geben kann, zwanzig Jahre lang aufgehalten. Man hat sich immer nur um dieses Detail gekümmert. Hätte man das hintangestellt und hätte man gleich gesagt, die Leute sollen früher in die Kammer dürfen, früher wählen dürfen, sich artikulieren können, dann können sie sich in diesen Angelegenheiten des Berufsstarts viel besser vertreten. fl: Der Anteil der Frauen unter den Ziviltechnikerinnen ist nach wie vor beschämend gering. Was unternimmt die Kammer, um dieses Ungleichgewicht der Geschlechter zu verringern? ca: Aktuell unterstützen wir Aktionen in den Schulen, wie zum Beispiel „Technik bewegt“. Aber das reicht nicht. Ich habe am Beginn erwähnt, dass es neuen budgetären Spielraum für Projekte gibt. Wir werden diese Projekte, die ich heute noch nicht kenne, starten und weitere Impulse setzen. Es gilt, Engagement ist gefragt

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Katharina Ulm-Gasser ist Ingenieurkonsulentin für angewandte Geowissenschaften. „Meine Priorität: der Schutz der Ressource Wasser und ihre bestmögliche Nutzung für die Wasserkraft.“ an mehreren Stufen anzusetzen: Das Interesse der Mädchen für Technik muss schon sehr früh geweckt werden, und dann muss man etwas unternehmen, dass sich an den Universitäten Frauen in einem viel höheren Maß als jetzt in den noch männlich dominierten technischen Fächern inskribieren. Es stimmt nicht, dass es bei den Frauen größere Dropout­Raten gibt. Wir wollen eine Änderung im Studienrecht erwirken, die bei einem Wechsel von einem technischen Fach nach einem Studienjahr keine finanziell nachteiligen Konsequenzen nach sich zieht. Diese behindern nämlich Frauen, die grundsätzlich Interesse hätten, dabei, in diese männerdominierten Soziotope einzudringen. Sobald kein finanzielles Risiko wie der Verlust der Kinderbeihilfe damit verbunden ist, ist der Anreiz größer, es zumindest zu versuchen und im besten Fall dabei zu bleiben. Generell gibt es zu wenige, die ein technisches Studium inskribieren, und besonders zu wenige Frauen. Das zu durchbrechen ist ein wichtiges Ziel, und wenn es notwendig ist, dafür eine Änderung im Studienrecht – für ein zelne Studien – herbeizuführen, dann fordern wir diese ein. fl: In der Architektur ist zwar bei den Studierenden die Parität der Geschlechter hergestellt … ca: … und auch in den Mitarbeiterstrukturen der Büros sind Frauen gut repräsentiert – zumindest im urbanen Raum. Aber sobald es um Projektleiterfunktionen und Selbstständigkeit geht, wird es auch bei den Architektinnen um einiges dünner, auch wenn es bereits etliche Architektinnen gibt, die ganz vorne mitspielen. fl: Die immer höher werdenden Zugangshürden zu Architekturwettbewerben sind ein kontinuierlicher Kritikpunkt so gut wie aller Berufseinsteiger/innen als auch nicht mehr so junger, kleinerer Büros. Was kann die Kammer hier erreichen? ca: Wir können warnen, dass Bedingungen problematisch oder lückenhaft formuliert sind. Das ist Bestandteil der täglichen Arbeit, die in den Länderkammern erledigt wird. Es gibt große Auslober, wie z. B. die Stadt Wien, da kann es sich mit hoher Professionalität sowohl zum Guten wie zum Schlechten bewegen und da kann es mitunter schwierig sein, gegenzusteuern, weil zu viele Abteilungen involviert sind. Wir haben aber viele Situationen, wie z. B. kleinere Gemeinden, die nicht diese riesigen Verwaltungsapparate haben, wo man im direkten Gespräch sehr schnell sehr viel erreichen kann und die Verantwortlichen, die in Wettbewerbsangelegenheiten wenig Routine haben, gern den Empfehlungen der Kammer folgen. Vor dem Hintergrund der Überschuldung der Kommunen ist die Großwetterlage nicht so optimal. Es werden andere Finanzierungen gesucht und Zugangskriterien wie Mindestumsätze etc. in die Höhe geschraubt, weil man meint, sich besser absichern zu müssen. Wir vertreten den Standpunkt, dass die Qualität der Gesamtabwicklung nicht davon abhängt. Beweisbar ist, dass eine breitere Beteiligung der Quali ­ tät der Ergebnisse zuträglich ist. Eine breitere Beteiligung bringt ein breiteres Spektrum an Lösungen zutage. fl: Architekturqualität als Wert ist ja gesellschaftlich nicht sehr verankert. ca: Ich würde sagen, sie ist verankert, aber auf einer Stufe eingefroren, die nicht hoch genug ist. Vermeintliche ökonomische Kriterien sind immer prioritär gegenüber der Baukultur. Es steht immer die völlig unbewiesene These im Raum, dass ein wie auch immer geartetes Wettbewerbsverfahren das Projekt verzögert, verteuert oder sonst irgendwie erschwert. Das ist grundfalsch. Das Gegenteil ist der Fall. Die Leute, die das Wettbewerbswesen zurückdrängen, haben andere Interessen. Man wird niemanden finden, der offen sagt: „Ich pfeif auf die Baukultur!“, aber es gibt viele, die sich das denken. N Engagement ist gefragt

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Gerhard Buresch | 1937 – 2015 „Hinter der Palette von Vorschriften lässt sich Eigeninitiative und Mut zauberhaft verstecken. Die öffentlichen Auftraggeber brauchen Per sönlichkeiten, die dazu bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.“ Gerhard Buresch war so ein verantwortungsbewusster Auftraggeber, wie er ihn später selbst – schon als Pensionist, aber immer noch unermüdlich im Dienste der Baukultur aktiv – einforderte. 32 | 33 Nach Abschluss des Architekturstudiums an der Technischen Universität Wien trat er 1959 in die seinerzeitige Bundesgebäudeverwaltung I Wien ein, wo er bis 1969 als Bauleiter tätig war, ehe seine Karriere in etlichen leitenden Funktionen den Weg durch zahlreiche Abteilungen des staatlichen Hochbauwesens nahm. Nach Gründung der Bundesimmobiliengesellschaft wurde er 1993 zu deren Geschäftsführer bestellt, eine Position, die er bis zu seiner Pensionierung 2002 innehatte. Die BIG entwickelte sich unter seiner Führung zu einem der vorbildlichen Auftraggeber, der Projekte beispielhaft vor bereitet und abwickelt – eine Grundvoraussetzung für das Entstehen von architektonisch herausragenden Bauten. Die BIG wurde mehrfach mit dem österreichischen Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs ausgezeichnet und etliche ihrer hervorragenden Bauten wurden mit zahlreichen weiteren Preisen und Auszeichnungen gewürdigt. Ein starker Partner „Als gelernter Architekt wusste Gerhard Buresch um die Bedeutung einer starken Idee und guter Planung für die Schaffung von herausragender Architektur. Er war ein starker Partner der für die BIG planenden Architekt/innen und zudem ein Garant für gute und faire Wettbewerbe, die auch jungen Kolleg/innen die Chance auf eine interessante Planungsaufgabe eröffneten. Einige heute international renommierte Architekt/innen bekamen damals durch die BIG die Gelegenheit, ihre Karriere zu starten“, würdigt der Präsident der Bundeskammer, Christian Aulinger, die Verdienste von Gerhard Buresch in seiner Bauherrenrolle. Mit großer Einsatzbereitschaft war Gerhard Buresch auch nach seiner Pensionierung im Dienste der Architektur und Baukultur engagiert. Seine ehrenamtlichen Tätigkeiten als Vizevorsitzender im Vorstand der Architekturstiftung Österreich Gemeinnützige Privatstiftung und als Präsident des Vereins Architekturtage übte er mit großer Leidenschaft und Begeisterung aus und war vielen – durchwegs bedeutend jüngeren – Mitstreitern mit seinen reichen Erfahrungen und Kenntnissen ein hochgeschätzter Ratgeber, liebenswerter Weggefährte und Freund. „Wir sehen Architektur. Wir fühlen Architektur. Wir verstehen Architektur. Lernen wir voneinander!“ So lautete einst sein Statement anlässlich der Architekturtage 2008. Gerhard Buresch war stets ein Sehender, Fühlender, Verstehender, Lernender – und Lehrender. Mit seinem überraschenden Tod am 7. September 2015 verliert die österreichische Architekturszene eine feinsinnige Integrationsfigur. N Gerhard Buresch

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Am 20. November wurde der Staatspreis Consulting 2015 verliehen, der Leistungen im Bereich des Ingenieurconsultings würdigt. Die Austrian Consultants Association (ACA), die gemeinsame Plattform der Bundessektion Ingenieurkonsulenten der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten und des Fachverbands Ingenieurbüros der Wirtschaftskammer Österreich, sowie das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gratulieren dem Gewinner VCE Vienna Consulting Engineers ZT GmbH. Mit der Generalplanung der neuen Botlekbrücke über die Maas im Hafen von Rotterdam werden neue Maßstäbe gesetzt. Die kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke wurde im Zuge der umfassenden Erneuerung der Autobahn A15 von Maasvlakte nach Vaanplein in den Niederlanden konstruiert. Für das Passieren des Schiffsverkehrs bietet die Brücke zwei, jeweils 88 Meter breite Durchlässe, die geschlossen eine Höhe von 14 und offen 45 Metern über dem Normalwasserstand aufweisen. Ihre beiden mobilen Stahlfachwerk-Überbauteile haben eine Spanne von jeweils 92 Metern und 50 Meter Breite und wiegen 5.000 Tonnen. Mit einem Hubgewicht von 10.000 Tonnen, was dem Gewicht des Eiffelturms entspricht, bewegt die Brücke weltweit die größte Masse und arbeitet das auch noch mit der höchsten Hubfrequenz und Hubgeschwindigkeit ab. Etwa einmal pro Stunde wird sie in einer Zeit von 110 Sekunden, ähnlich einem Gebäudeaufzug, um 30 Meter gehoben oder gesenkt, was in Summe bis zu 9.000 Öffnungen pro Jahr ergibt. „Die Ingenieurleistung ist auf dem höchsten internationalen Niveau einzuordnen; sie verbindet Geotechnik, Wasserbau, konstruktiven Ingenieurbau, Verkehrs- und Transporttechnik sowie Maschinen- und Elektrotechnik auf einzigartige Weise. Die erfolgreiche Realisierung einer derart großen und schnellen Hubbrücke stellt eine bedeutende Innovation dar, und der damit verbundene Planungsprozess musste in vielerlei Hinsicht neuartige Wege außerhalb festgelegter Normen gehen“, heißt es in der Jurybegründung. Nominierungen Für die Weiterentwicklung hochauflösender luftgestützter Aufnahmen von Geoinformationsdaten wurde die Firma AeroMap GmbH, Einreicher Thomas Meissl, gewürdigt. Eine eigens entwickelte Stabilisierungsplattform ermöglicht die Platzierung der Aufnahmesysteme in Ultraleichtflugzeugen. Durch die Kosten- und Treibstoffersparnis wird diese Technologie auch auf weniger großen Flächen erschwinglich. Zudem wird die Genauigkeit der Daten präzisiert, da kleinere und leichtere Flugzeuge langsamer fliegen können. Mit der Nominierung der bionic surface technologies GmbH, Andreas Flanschger und Peter Adrian Leitl, werden die Konstruktion und der Bau des schnellsten und effizientesten Rennflugzeugs im Red Bull Airrace durch Einsatz von Strömungssimulation und Nanotechnologie anerkannt. Die Ergebnisse dieser Arbeit fließen aktuell in Folgeprojekte zur Förderung der Effizienz von Windkraftwerken oder in der Zivilluftfahrt hinsichtlich Sprit - ersparnis und Lärmminderung ein. Als Auftragsarbeit angelegt war die Optimierung der Produktion von Spezialdrähten durch numerische Strömungsmodellierung, durchgeführt von Hermann Maier von Gridlab GmbH. Das auf numerische Simulation am Computer spezialisierte Unternehmen kann bestehende Mängel in Industrieanlagen feststellen und verorten und daraus dementsprechende Maßnahmen zur Effizienz steigerung ableiten. Erkenntnisse daraus, vor allem im Bereich Energie- und Umwelttechnik, führen nun bei der Verbesserung von Industrieöfen zu aufschlussreichen Anwendungen. Ebenfalls nominiert wurde ein Projekt für saubere Luft in Sibirien – die von der Pörner Ingenieurgesellschaft mbH, vertreten durch Peter Schlossnikel und Gerhard Bacher, eingereichte Entschwefelungsanlage in der Stadt Norilsk, Standort des größten Nickelerzeugers der Welt und einer Kupferhütte. Besondere Herausforderungen waren, neben der Masse des zu reinigenden Materials, die Abgeschiedenheit und Einreichung sämtlicher Unterlagen auf Russisch und Englisch sowie die Einreichplanung nach russischem Recht. Sonderpreis Der Sonderpreis der Jury für ein innovatives Projekt eines jungen Unternehmens geht an das Grazer Ingenieurbüro für Gewässerökologie und Wasserbau „flusslauf“ für dessen Weiterentwicklung des Fischlifts. Die Innovation des von Georg Michael Seidl eingereichten ausgezeichneten Projekts besteht aus der funktionalen Lösung der Zuschwimmstrecke, bei der mit einigen wenigen herkömmlichen Becken einer Fischtreppe der Fischlift auch für Fische erheblich unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Aufenthaltsbereiche im Wasser zugänglich gemacht wird. Durch eine gezielte Gestaltung des Fischlift-Innenraums wird außerdem auch kleinen Fischarten ein sicherer Aufenthalt, neben Raubfischen wie dem Huchen oder dem Hecht, ermöglicht. N Der Staatspreis Consulting 2015 – Ingenieurcon sulting wird von den Partnern ERSTE BANK, ARGE GROUND UNIT, KOMMUNALKREDIT PUBLIC CONSULTING, AON, UNIQA, OESTERREICHISCHE KONTROLLBANK unterstützt. Staatspreis Consulting 2015 – Ingenieurconsulting

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Wie sieht das Wohnen von morgen aus? Der Superscape wird biennal an innovative und visionäre Architekturkonzepte verliehen. Im Fokus steht das Zusammenspiel von privatem Wohnraum und urbanem Kontext. Mit seiner langfristigen Perspektive von 50 Jahren generiert Superscape einen kreativen Freiraum für unkonventionelle Ideen, die der realen Architektur und Stadtentwicklung Impulse geben sollen. Durch neue Organisationsformen von Arbeit, diskontinuierliche Lebensläufe, neue Haushalts- und Lebensformen und Veränderungen der Alltagskultur wandelt sich auch der individuelle und kollektive Raumbedarf. Zudem verlangt der steigende ökonomische Druck auf Flächen im urbanen Raum nach innovativen Strategien und Modellen, die leistbaren Wohnraum möglichst zentrumsnah herstellen. Superscape 2016 fragt daher nach visionären Gestaltungsvorschlägen, die diesem mannigfaltigen Strukturwandel Rechnung tragen und neue Raumkonzepte und Organisationsformen ausloten: Welchen Bedürfnissen müssen Flächen im Wohnbau der Zukunft vor dem Hintergrund sich wandelnder Lebensbedingungen, neuer Alltagskulturen und einer sich permanent diversifizierenden Gesellschaft standhalten? Welche Standards heute üblicher Wohnungen sind entbehrlich und welche neuen Spielräume könnten durch den Verzicht darauf eröffnet werden? Welche Standards sind hingegen mindestens erforderlich? Bis zum 7. März 2016 sind Architekt_innen, Landschaftsarchitekt_innen, Raumplaner_innen und Designer_innen aufgefordert, prägnante Ideenskizzen zum thematischen Fokus des Superscape 2016 einzureichen. Daraus nominiert die Fachjury eine Shortlist, die eingeladen ist, ihre Konzepte auszuarbeiten. Die Aufwandsentschädigungen für die Teams der Shortlist und das Preisgeld betragen insgesamt € 30.000,–. Weitere Informationen sowie die Auslobungsunterlagen finden Sie unter www.superscape.at

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Im Turnier der Illusionen Der Wettbewerb gleicht einem Turnier. Wer sich gedanklich zuerst bewegt, fällt aus, geht die Sage über im Turnier waltende Illusionen. Für die Teilnehmer herrscht die Illusion, dass sich gegen teuer Entwurfsgeld die minimale Chance eröffnet, erstrangig zu sein. Dabei könnte ein Ritter als Gewinner trotz wenig Preisgeld nobilitiert werden, weil er Zugang zu symbolischen Gütern erlangt – das ist Selbstausbeutung in festlicher Rüstung. Die Auslober haben die Illusion, dass Turniere gegen billig Organisationsgeld die immense Chance eröffnen, eine herausragende Leistung zu sehen und einen solitären Verhandlungspartner zu finden. Dabei erhöht der Auslober seine demokratische Reputation und sein baukulturelles Kapital – das ist Ritterausbeutung in festlicher Zurüstung. Belohnungsgehabe und Ausbeutungszusammenhang greifen ineinander. Wie der Auslober auch verfasst ist, das Turnier ist naturgemäß öffentlich. Es muss ein städtisches Fest sein, sonst wäre das kulturelle Gepräge nicht stimmig. Der Platz, auf dem die Symbole des Sieges getauscht werden, will gut gewählt sein. Es wird nicht der raue Richtplatz vor der Stadt sein, sondern der gut einsichtige Turnierhof im Zentrum. Das Turnierspiel soll als gesellschaftlich angesagte Begegnungsform ein friedliches Stechen mit strengem Disput sein, manchmal sogar mit Tumult, aber ohne blutige Bestrafung. Gute Turnierausschreiber wissen, dass die Turnierordnung auch einen saftigen Geldpreis versprechen muss. Die Prunkharnische sind teuer, die Plattner und Harnischfeger lassen sich die glänzenden Vorwölbungen gegen die Zuschauergehirne gut bezahlen. Wer würde nicht gerne seine „Wiener Kastenbrust“ aus zwei Millimeter starkem Stahlblech auf seinem arabischen Hengst in der Inneren Stadt ausführen? Architekten gehen mit der Illusion über Schmerzensgeld, Auftragsversprechen und Reputationsgewinn in den Wettbewerb. Die WOA 2000 forderte als Preisgeldsumme zumindest das 0,5­ bis 2­Fache des Vorentwurfshonorars. Der WSA 2010 verlangt das 1,5­Fache. Ein kluger Auslober müsste für den wertvollen Lerneffekt von vielen Vorentwürfen gerne den Gegenwert von zwei zahlen. Die erste aller Wettbewerbsordnungen sagte aber bereits 1864: „Der erste Preis muss mindestens dem Honorar entsprechen, welches ein renommierter Architekt für eine derartige Arbeit erhält.“ Die „spätritterliche“ Gründerzeit wünschte ein volles Vorentwurfshonorar als Preisgeld für den Gewinner! Selbst das WSAkonforme Drittel davon wird heute selten gezahlt. Umgelegt auf drei Preise und zwei Anerkennungen führt die Illusion von 1864 auf eine Preisgeldsumme von etwa 3,3 Vorentwürfen. Das wäre auch heute durchaus angemessen, aber in Neoritterkreisen grassiert eine neoliberale Geizfantasie. Welch eine Turniervergessenheit! Walter M. Chramosta N Griffempfehlung Frau und Technik, das alte Lied. Sollte längst kein Problem mehr sein. Wären da nicht die Statistiken der Studienwahl. Irgendwas wehrt sich. Was Vernünftiges ist es nicht. Also was Unvernünftiges! Zwischen Frau und Technik liegt mehr als ein Gendergap. Es ist ein Abgrund ins metaphorisch Dunkle, der sich da auftut. Technik ist männlich, aber: Was will das Weib? Diese von Freud formulierte Frage stellen sich heute die Hersteller von Autozubehör. Sie halten das Auto ob seiner maskulin codierten Technik dem Weibe gegenüber für vermittlungsbedürftig. Um den Abgrund zwischen Frau und Technik zu überbrücken, stellen sie Produkte bereit, die zwischen Frauenhand und Autotechnik vermitteln: das spezielle Knaufmodell für „Ladys“. Dieses ist situiert am neuralgischen Punkt sexualmetaphorischer Aufladung des Wagens insgesamt, am Zentralartefakt des Griffs zur Macht, dem Knüppel. Frauen, Hände weg von der Technik! Dieser Imperativ gilt dort, wo das Phallische automobiler Mechanik als eiserne Verlängerung des triebhaften Getriebes sich im Cockpit hochreckt, am Schalthebel (Automatik ist unmännlich, wie man weiß). Um die Frau vor solcher Derbheit zu beschützen, wird der männliche durch einen weiblichen Knauf ersetzt. Doch was macht einen Knauf weiblich? Die Antwort ist eine Farbe namens Pink. Sie wurde zur universalen Retterin sinnbildlicher Weiblichkeit auserkoren. Wo immer inmitten unserer Entsexualisierungsmoderne ein Mangel an Feminität aufpoppt, wird mit Pink übermalt, was das Zeug hält, und alles ist wieder gut. Doch die rosa Farbe allein wäre noch zu wenig. Leder muss einem textilen Flechtwerk weichen, schließlich ist das Textile das Weibliche, so wie das Mechanische das Männliche ist. Als Krönung des Frauenknaufs brillieren falsche Diamanten. Sie spiegeln der Fahrerin zurück, dass sie auch beim Chauffieren nicht auf männliche Weise die Welt im Griff hat, sondern den Status eines geschmückten Objekts behält. Dass sie nicht Subjekt, sondern Objekt der Technik ist. Wolfgang Pauser N Rechtsempfehlung Handbuch des Ziviltechnikerrechts Pflaum/Karlberger/Wiener/ Opetnik/Rindler/Henseler LexisNexis Verlag 2015, 2. Auflage Das Handbuch des Ziviltechnikerrechts ist nun in zweiter Auflage erschienen. Ergänzt um die Kapitel „Der ZT im öffentlichen Recht“ sowie „Arbeitsrecht“ bietet es einen umfassenden Überblick über alle wesentlichen Rechtsgebiete, die die Berufsausübung von Ziviltechniker/innen berühren. Auf die Gestaltung von Ziviltechnikerverträgen wird in diesem Werk ein besonderes Augenmerk gelegt: Die Pflichten für Ziviltechniker/innen und deren Entgeltansprüche werden näher be leuchtet, wobei hier auch auf die neuen Leistungs­ und Vergütungsmodelle (LM.VM 2014) eingegangen wird. Es wird über die Grundsätze von Urheberrecht sowie unlauterem Wettbewerb informiert. Wichtige Fragen zur Gewährleistung und zur Schadenersatzpflicht werden ebenso erläutert wie das Rechtsverhältnis von General­ und Subplanern zueinander sowie gegenüber den Auftraggeber/innen. Auch der im Ziviltechnikeralltag sehr bedeutenden Rechtsmaterie des Vergaberechts wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Außerdem werden versicherungsrechtliche Fragen beleuchtet und rechtliche Einblicke in das Recht der Gesellschaften und Arbeitsgemeinschaften von Ziviltechniker/innen gewährt. Besonders hilfreich sind die zahlreichen Querverweise und die Verknüpfungen der Rechtsgebiete untereinander, wodurch zum Verständnis der umfangreichen Rechtsmaterie wesentlich beigetragen wird. Musterverträge und zahlreiche Praxistipps runden das Gesamtwerk über das Ziviltechnikerrecht in gelungener Weise ab. Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten N 40 | 41 Aus dem Wettbewerb, Empfehlungen

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Umgehung von Vergaberecht durch „Vorschieben“ eines privaten Dritten VwGH 24.06.2015, Ra 2014/04/0043 Ein öffentlicher Auftraggeber hat Druckerzeugnisse (Festspielprogramme) ausgeschrieben. Die erste Ausschreibung wurde widerrufen; die zweite Ausschreibung wurde für nichtig erklärt. Aufgrund dessen hat die Präsidentin des öffentlichen Auftraggebers dem Präsidenten des Vereins F mitgeteilt, dass die Abwicklung einer weiteren Ausschreibung vor dem Beginn der Festspiele zeitlich nicht mehr möglich sei. Daraufhin hat der Verein F ein Angebot eines Bieters zu jenen Konditionen angenommen, die dieser Bieter zuvor im für nichtig erklärten Vergabeverfahren angeboten hat. Liegt eine Umgehung des Vergaberechts vor? Der VwGH hielt fest, dass das „Vorschieben“ eines privaten Dritten, um der Bindung an vergaberechtliche Bestimmungen zu entgehen, unzulässig ist. Es ist zu prüfen, welcher Tatbestand des Vergaberechts umgangen werden sollte und ob dieser Tatbestand erfüllt ist. Gegenständlich sollte die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber vermieden werden, weshalb zu prüfen sei, ob die Auftraggebereigenschaft erfüllt ist. Zunächst ist zu beurteilen, ob die Beschaffung der Leistungen nach den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers erfolgt und ob Entgeltlichkeit vorliegt. Da gegenständlich die Druckunterlagen vom öffentlichen Auftraggeber direkt an die Druckerei übermittelt wurden, die Lieferscheine von diesem kontrolliert wurden und dem vom Verein abgeschlossenen Vertrag Preise zugrunde gelegt wurden, die bereits dem vorangegangenen Vergabeverfahren zugrunde lagen, wurde das Kriterium der Leistungsbeschaffung nach den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers als erfüllt angesehen. Hat der öffentliche Auftraggeber dem Verein die beschafften Leistungen abgegolten, so wäre von einem Umgehungsgeschäft und der Anwendbarkeit des BVergG 2006 auf diesen Auftrag auszugehen, was die Vorinstanzen noch nicht geprüft haben. Sollte der Verein hingegen die Leistung für den öffentlichen Auftraggeber ohne wirtschaftliche Gegenleistung beschafft haben, so wäre dies dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen. In einem ähnlich gelagerten Fall (OGH 28.03.2000, 1 Ob 201/99 m), in welchem ein privater Dritter (Architekt) durch einen öffentlichen Auftraggeber unter Zusicherung einer Abgeltung ermächtigt wurde, an dessen Gebäude nach dessen Vorgaben Bauleistungen vorzunehmen, wurde das Handeln des privaten Dritten (Architekten) dem öffentlichen Auftraggeber zugerechnet. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Beauftragung durch einen privaten Dritten eine Umgehung des Vergaberechts darstellt. Hannes Pesendorfer Schramm Öhler Rechtsanwälte www.schramm­oehler.at N Modelling Vienna Real Fictions in Social Housing Andreas Rumpfhuber, Michael Klein (Hrsg.) Turia + Kant 2015 Es ist ein kurzes Manifest, bestehend aus zwei Dutzend prägnanten Forderungen wie „Queer up housing!“, „Rule out liberalized/ liberalizing EU laws!“, „Luxury for all!“ oder „Open up the Gemeindebau!“. Verfasser der öffentlichen Erklärung ist die Wiener Architektengruppe Blankspace („_“), die eine neue Form des sozialen Wohnbaus anstrebt, die sie „gesellschaftlichen Wohnungsbau“ nennt. Es ist keine Bildungslücke, noch nie von „_“ gehört zu haben, denn es handelt sich um eine Fiktion, die nur in der englischspra­ chigen Monografie „Modelling Vienna. Real Fictions in Social Housing“ existiert. „_“ proklamiert, dass in Zeiten neoliberaler Sparpolitik eine neue Form des öffentlichen Bauens vonnöten sei, deren Ziel nicht nur – wie beim sozialen Wohnbau – leistbares Wohnen ist, sondern die auch Raum für Arbeit, gemeinschaftliche Tätigkeiten, überhaupt für alle Bereiche des Lebens bereitstellt. Partizipation und Selbstorganisation gehören zu den Prinzipien des „Gesellschaftlichen Wohnungsbaus“. Allerdings stößt der Leser auf Widersprüche: Auf der einen Seite wird der im sozialen Wohnbau herrschende Geist des Paternalismus und der Überregulierung kritisiert, was in dem – natürlich auch fiktiven – „_“­Projekt „Gemeinde raus aus dem Gemeindebau“ gipfelt. Auf der anderen Seite wird übersehen, dass auch die neoliberalistisch geprägte Ökonomie der Gegenwart nichts anderes ist als eine Form der Selbstorganisation, die erst durch massive Deregulierung ihre gesellschaftszerstörende Wucht entfalten konnte. Michael Krassnitzer N Theoretikerinnen des Städtebaus. Texte und Projekte für die Stadt Katia Frey, Eliana Perotti (Hrsg.) Reimer Verlag 2015 In ihrem Roman „Herland“ entwarf Charlotte Perkins Gilman (1860 – 1935) die feministische Utopie einer nur von Frauen bewohnten Stadt. Die Aktivistin und Journalistin, die für eine Professionalisierung der Hausarbeit plädierte und eine neue Form der Dorfsiedlung ausarbeitete („Applepieville“), ist eine jener Frauen, an die das Buch „Theoretikerinnen des Städtebaus“ nun erinnert. Der von Katia Frey und Eliana Perotti herausgegebene Band würdigt erstmals in kompakter Form die Leistungen von Frauen als Denkerinnen, Planerinnen und Entwerferinnen auf dem Gebiet des Städtebaus und stellt eine Reihe von Frauen aus Europa, den USA und der Sowjetunion vor; dazu gibt es zahlreiche Quellentexte aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Die Leserschaft erfährt etwas über die preußische Gräfin Adelheid von Dohna­Poninska (1804 – 1878), die unter dem Pseudonym Arminius städtebauliche Vorschläge zur Verbesserung der Arbeiterwohnverhältnisse machte, über die US­amerikanische Sozialbaureformerin Mary Kingsbury Simkhovitch (1867 – 1951), die sich erfolgreich für den Bau bezahlbaren Wohnraums durch den Staat einsetzte, oder die österreichische Architektin Martha Bolldorf­Reitstätter (1912 – 2001), welche sich im Zuge der Planung der Wiener Donauinsel mit einem eigenwilligen Alternativprojekt zu Wort meldete. Michael Krassnitzer N Jüngste Entscheidung, Krassnitzers Lektüren

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„Ich will den gesamten Prozess vom Entwurf bis zur Fertigung mitgestalten.“ | Sigrid Brell­Cokcan im Porträt Anne Isopp ist freiberufliche Architekturjournalistin. Sie ist Österreich­Korrespondentin für A10 und seit 2009 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. 42 | 43 Sigrid Brell­Cokcan ist Expertin für individualisierte Bauproduktion und Baurobotik. Sie entwickelt Programme, die es erlauben, die am Computer gezeichneten Entwürfe direkt in die Produktion zu übertragen. Außerdem beschäftigt sie sich mit dem Einsatz von Industrierobotern in der Bauproduktion. Im Mai diesen Jahres hat sie eine Professur an der Architekturfakultät der RWTH Aachen erhalten, mit der Aufgabe, den dort neu gegründeten Lehrstuhl für Individualisierte Bauproduktion aufzubauen. Angefangen hat alles mit einem Architekturstudium an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Sigrid Brell­Cokcan gehört zu der Studentengeneration, die ihr ganzes Studium lang die Pläne händisch gezeichnet hat und erst am Ende des Studiums, das war Ende der Neunzigerjahre, begann, den Computer als Entwurfswerkzeug zu entdecken. Ihre Diplomarbeit zeichnete sie dann in AutoCAD. Nach dem Studium ging sie zu den Tragwerksplanern Wolfdietrich Ziesel und später zu Bollinger+Grohmann und begann dort mit der Geome ­ trie­ und Materialrecherche für das Kunsthaus Graz und der digitalen Bearbeitung in Rhino. Eigentlich wollten die Architekten, um die digitalen Daten der blauen Blase zu erhalten, das Modell einscannen. Aber da dieses aus Kunstharz und damit durchscheinend war, musste die Form digital neu aufgebaut werden. Enttäuscht war sie, als sie feststellen musste, dass ihre eingegebenen Daten von der ausführenden Firma für die Produktion der gekrümmten Glasplatten kaum herangezogen wurden, vielmehr wurden die Produktionsdaten von der Firma neu generiert. Seitdem lässt sie das Thema der Schnittstellenproblematik im Planungsprozess nicht mehr los: Wie kann man Daten aufbereiten, dass sie vom ersten Entwurf bis zur Ausführung nützlich sind? Nach dem Kunsthaus Graz arbeitete sie noch an einigen Projekten für Coop Himmelb(l)au, wie z. B. das Museum in Lyon oder die BMW­Welt in München. Es folgten Stationen als Lehrbeauftragte und Forschungsassistentin an der Universität für angewandte Kunst in Wien und an der TU Wien. Im Zuge ihres Doktoratsstudiums entwickelte sie gemeinsam mit dem Mathematiker Helmut Pottmann eine CAD­Schnittstelle, die die ebene Parametrisierung von Freiflächen ermöglicht. Diese ist als Plugin für Grasshopper nach wie vor verfügbar. Gemeinsam mit Johannes Braumann hat sie 2010 den Verein „Robots in Architecture“ gegründet, der sich mit dem Einsatz von Robotern in der Kreativindustrie wie Architektur und Industriedesign beschäftigt. Sigrid Brell­Cokcan ist Vorsitzende dieses Forschungsvereins, zu dem weltweit circa 80 Universitäten gehören wie die ETH Zürich, Universität Stuttgart, aber auch Partner aus der Industrie. Die Idee des Vereins ist es, digitale Werkzeuge für den Einsatz von Robotern zu entwickeln und diese allen beteiligten Institutionen für ihre Forschung frei zugänglich zu machen. Als ob das nicht schon genug Themen und Aufgaben wären, führt Sigrid Brell­Cokcan nebenbei auch noch das Architekturbüro II Architects int gemeinsam mit ihrem Mann Baris Cokcan. Sie bauen hauptsächlich an der türkischen Riviera und erproben hier auch Produktionsprozesse aus ihrer Forschung. Gerade befindet sich an der türkischen Riviera ein Museum für Archäologie in Bau. Typisch für die Bauindustrie ist die Umsetzung von Prototypen, also die individuelle Planung und Realisierung eines jeden Gebäudes und seiner Bauteile. Beim Kunsthaus Graz wurden z. B. 1.000 verschiedene, dreidimensionale Einzelteile für die Fassade gefertigt. Sigrid Brell­Cokcan sagt, dass es ein großes Interesse vonseiten der Flugzeug­ und Automobilindustrie an ihrer Arbeit gibt, weil man dort auch anfängt, z. B. Autos individuell zu gestalten und zu produzieren. „Ich versuche gerade die Themen der Baufertigung mit der industriellen Produktion zu verheiraten“, sagt sie in ihrer neuen Funktion als Leiterin des Instituts für Individualisierte Bauproduktion. Die Schwierigkeit ist nach wie vor, die digitale Datenkette vom Entwurf zur Fertigung zu schließen, unter anderem auch weil bislang jede Industrie mit ihrer eigenen Maschinensoftware arbeitet. Das ist auch einer der Gründe, warum an der RWTH Aachen der neue Lehrstuhl für Individualisierte Bauproduktion gegründet wurde. Angehenden Architekten rät sie, sich immer mit den neuesten technischen Entwicklungen zu beschäftigen und sich diese nutzbar zu machen. Man solle sich nicht nur auf den Entwurf beschränken, sondern den gesamten Prozess bis zum Bauen mitgestalten. Das geht nur, sagt sie, wenn man mit den neuesten technischen Entwicklungen vertraut ist. Weiters empfiehlt sie, sich ein gutes Netzwerk aufzubauen. Als kleines Büro habe man bei der heutigen Komplexität des Bauens kaum eine Chance, deshalb sei es wichtig, sich zu spezialisieren und das Know­how im Netzwerk auszutauschen. Sie selbst hat ihre Spezialisierung eindeutig gefunden. Für eine Frau auch heute noch eine ungewöhnliche Spezialisierung. Aber feministische Themen sind ihr eher fremd, viel lieber erzählt sie von den Robotern, die Bauteile automatisiert produzieren, und von der Software, die ohne Zutun des Architekten die CAD­Daten in Maschinendaten umwandelt. N Porträt Sigrid Brell­Cokcan

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Fehlanzeige Der Nachwuchs – arm, aber sexy? Der französische Soziologe Pierre Bourdieu beschrieb in seinem Hauptwerk „La Distinction“, das 1982 auf Deutsch unter dem Titel „Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft“ erschienen ist, Abgrenzungsmechanismen zwischen sozialen Schichten. Die einzelnen Akteure der Gesellschaft benötigen laut Bourdieu gleichzeitig soziales, kulturelles und ökonomisches Kapital, um symbolisches Kapital und somit Prestige zu erwerben, das ihnen hilft, die eigene Position auf Dauer abzusichern. Die Chancen, dies zu tun, hängen nicht zuletzt mit der jeweiligen Berufsgruppe und deren Ansehen in der Gesellschaft zusammen. Diese von Bourdieu beschriebenen Mechanismen können auch heute noch beobachtet werden. Bauingenieure etwa können traditionell auf eine technische Kompetenz verweisen, deren gesellschaftlicher Wert wohl kaum infrage gestellt werden wird, während Architekturschaffende zugleich versuchen müssen, einen Mehrwert geltend zu machen, der zwar theoretisch ebenfalls unumstritten sein mag, der jedoch der Allgemeinheit schon schwerer vermittelbar ist und somit auch Konjunkturen in der Außenwahrnehmung ausgeliefert ist. Im Zweifelsfall – so könnte man etwas überspitzt sagen – darf ein Gebäude zwar nicht einstürzen, aber kulturellen Wert muss es nicht unbedingt besitzen. Doch sind es gerade die Verheißungen künftigen Ruhms und Ehre, die ebenfalls mit ihrer Branche verbunden sein können, die junge Architekturschaffende antreiben und dazu verführen, oft über ihr eigenes prekäres wirtschaftliches Fundament hinwegzusehen. Wie etwa ließe sich sonst die Bereitschaft erklären, mit unvernünftig hohem Einsatz von Eigenkapital immer wieder an offenen Wettbewerben teilzunehmen, mit – statistisch betrachtet – geringer Aussicht auf Erfolg? Das Streben nach dem Prestige, das den Stars der Branche anzuhaften scheint, verleitet gerade da mitunter zu halsbrecherischer Selbstausbeutung, wo kühles Rechnen auf der Tagesordnung stehen müsste. Insofern sollte die Forderung nach Angleichung der ökonomischen Wirklichkeit an den hohen gesellschaftlichen Wert, der mit der Baukultur verbunden ist – nach einem nachhaltigen Gleichgewicht zwischen kulturellem und ökonomischem Kapital im Sinne Bourdieus – eine zentrale Forderung insbesondere der jüngeren Generation Bauschaffender bleiben. „Arm, aber sexy“ ist letztlich nur der Slogan einer Großstadt, und auch die braucht Menschen, die in Zukunft an ihr weiterbauen. Andre Krammer N Das nächste Heft Die kommende Ausgabe steht ganz im Zeichen der Reflexion von gebauter Umwelt als Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher Prozesse. Anlässlich der Architekturbiennale in Venedig als auch der österreichischen Architekturtage, die am 3. und 4. Juni 2016, unter dem Motto „wert/haltung“ bereits in die achte Runde gehen, soll die Relevanz von Architektur, auf konstruktiver als auch gestalterischer Ebene, mit Aspekten von Leistbarkeit, Qualität und Wertigkeit für das Leben aller Menschen thematisiert werden. Im Fokus stehen daher die Fragen, was Ziviltechniker und Ziviltechnikerinnen leisten und was sich die Gesellschaft im Hinblick auf lebenswerte Räume leisten möchte.

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Von oben betrachtet sieht der Wiener Prater nicht wie eine Bildungslandschaft aus. Auch nicht wie ein Initiationsmaschinenpark für kindliche Technikbegeisterung, wie ein Museum des mechanischen Zeitalters, wie ein Rekrutierungsgelände für In ­ genieurberufe oder ein parodistisches Denkmal jenes Maschinenglaubens, wie er dem 19. Jahrhundert noch naiv gegeben war. Doch all das ist er, wenn man ihn nicht nur von oben betrachtet. Im technologischen Paradigma vor der Mitte des 20. Jahrhunderts stand der von mechanischen Maschinen beschleunigte Transport im Zentrum. Egal ob es sich um den Transport von Materialien, Gütern, Informationen oder Menschen handelte, es ging um das Erreichen von Zielen und Zwecken. Arbeit war das primäre Einsatzgebiet der Technik, Ernsthaftigkeit der Modus ihrer Verwendung. Vor der bürgerlichen industriellen Revolution gab es auch schon feinmechanisch ausgeklügelte Automaten, die jedoch ausschließlich im Dienst der Verblüffung und medialen Unterhaltung der Aristokratie standen. Auch heute wieder prägen Unterhaltungsmedien das alltägliche Bild des technischen Fortschritts. Das jeweils neueste iPhone gilt in der Mediengesellschaft als Sinnbild aktuellster Innovation. Eisenbahn, Auto, Rakete: Die Transportrati ­ onalität endete nicht beim Beamen, sondern verkehrte sich mit dem Internet in ihr Gegenteil. Heute zielt das technische Bestreben nicht mehr primär darauf, Menschen zu fernen Orten zu transpor tieren, sondern ferne Orte zum Interface. Die Pratermaschine ist eine lustige Mischung aus Transport­ und Medientechnik. Zwar transportiert sie Menschen, bewegt sie aber nirgends hin, sondern dreht sie im Ringelreih vor Ort an den gemalten Hintergründen vorbei. Sie funktioniert wie eine riesige Filmspule, die, statt die Bilder am Menschen vorbeiziehen zu lassen, den Menschen im Panorama kreisen lässt. Ein Spaziergang im Prater bietet Gelegenheit, den technologischen Paradigmenwechsel von der Transportrationalität zum Medienspiel als ein Kippmoment zu bestaunen, das den Vergnügungskreiseln selber innewohnt. Im Wunderland der Parodiemaschinen kann man gut über den Zweck von Technik überhaupt sinnieren. Oder sich mit einem Gespinst aus Zuckerwatte das Gesicht verkleben. Wolfgang Pauser N