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298, Zeitschrift der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten Juni 2015, www.daskonstruktiv.at, Euro 9,– | GZ 12Z039152 M | bAIK, Karlsgasse 9, 1040 Wien 298, Licht Unser heutiger von Funktionalität und naturwissenschaftlich-technischer Rationalität geprägter Zugang zum Licht relativiert sich, wenn wir ihn mit historischen Vorgängern konfrontieren: Ist Licht als Medium kultureller Differenzierung durchschaut, wird bewusst, dass auch unser Lichtverständnis ein Kind seiner Zeit ist.

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Inhalt 8 – 11 12 – 13 14 – 15 16 – 19 20 – 21 22 – 23 24 – 25 26 – 31 Licht Editorial, Vorwort des Präsidiums Puntigams Kolumne, Dusls Schwerpunkt Standpunkte: Rudolf Kolbe, Klaus Thürriedl und Anne Mautner Markhof Gerald Wötzl und Johannes Kostenzer Plus / Minus: Verschönerung durch Licht Die Welt will gedimmt sein | Der kulturelle Paradigmenwechsel von der Festbeleuchtung zur Lichtverschmutzung Wolfgang Pauser Lob der Dunkelheit | Maßnahmen gegen lästiges Licht Gabriele Kaiser Licht am Tag, Dunkelheit in der Nacht | Der Mensch ist für das Leben im Freien konzipiert Gregor Radinger Die Stadt als Luna Park | Boom und Krise des urbanen Lichts Andre Krammer Dialog mit der Erleuchtung | Die nächtliche Straße als Interface zwischen Mensch, Raum und Auto Wojciech Czaja Gut ausgeleuchtet | Regelwerke zur Straßenbeleuchtung Franz Luisi und Nikolaus Thiemann Licht im Gleichschritt | Technologie aus der Quantenphysik Florian Aigner Weibliches Licht | Über die noch ungenutzten Potenziale neuer Lichttechnologien Franziska Leeb im Gespräch mit Siegrun Appelt Registrierung als Energieauditor/in | Mitgliederinformation zum Energieeffizienzgesetz Freiraum: Luxus oder Notwendigkeit? Podiumsdiskussion des baik-Ausschusses Nachhaltiges Bauen Aus dem Wettbewerb, Empfehlungen Jüngste Entscheidung, Krassnitzers Lektüren Porträt: Renate Hammer Matthias Winterer Fehlanzeige, Das nächste Heft Von oben Stephanie Drlik Impressum Medieninhaber und Herausgeber Erscheinungsweise Auflage Einzelpreis Abopreis pro Jahr Redaktion, Anzeigen & Aboverwaltung Redaktionsteam Redaktionsbeirat koNstruktiv 298 Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (bAIK) 1040 Wien, Karlsgasse 9 T: 01-505 58 07-0, F: 01-505 32 11 www.daskonstruktiv.at vier Mal jährlich 14.500 Stück 9,00 Euro 24,00 Euro art: phalanx Kunst- und Kommunikationsagentur Clemens Kopetzky und Susanne Haider (Geschäftsleitung) Franziska Leeb und Marlies Marbler 1070 Wien, Neubaugasse 25 /1/11 T: 01-524 9803-0, F: 01-524 9803-4 redaktion@daskonstruktiv.at, anzeigen@ daskonstruktiv.at, abo@daskonstruktiv.at Christian Aulinger (Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten), Armin Haghirian (Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten), Andrea Hinterleitner-Sedlacek (Stv. Vorsitzende des Forums der Ziviltechnikerinnen), Gabriele Kaiser (Leiterin afo architekturforum oberösterreich), Rudolf Kolbe (Vizepräsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten und Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Oberösterreich und Salzburg), Anna Soucek (Journalistin), Hanno Vogl-Fernheim (Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Tirol und Vorarlberg) Lektorat Grafisches Basiskonzept Gestaltung Druck Schriften Abbildungen F. = Fotograf A. = Architekt Dorrit Korger Gassner Redolfi, Schlins Bohatsch und Partner, Wien ap media – Visuelle Kommunikation, Wien Ueberreuter Print GmbH, Korneuburg Gedruckt auf SoporSet Premium 120 g/m2 Vista Sans (Xavier Dupré), Arnhem (Fred Smeijers) S. 3: F. Johannes Zinner © bAIK; S. 4: F. Ingo Pertramer, Andrea Maria Dusl; S. 5: F. Johannes Zinner; S. 7 – 32: © Siegrun Appelt; S. 40: © Fotolia, AzW; S. 41: © Birkhäuser, Müry Salzmann; S. 42: © Renate Hammer; S. 43: © Fotolia (oben), Karl-Heinz Klopf (unten); S. 44: © NASA Die Redaktion ersucht diejenigen Urheber, Rechtsnachfolger und Werknutzungsberechtigten, die nicht kontaktiert werden konnten, im Falle des fehlenden Einverständnisses zur Vervielfältigung, Veröffentlichung und Verwertung von Werkabbildungen bzw. Fotografien im Rahmen dieser Publikation um Kontaktaufnahme. Das Gestaltungskonzept dieser Zeitschrift ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ist unzulässig. Die Texte, Fotos, Plandarstellungen sind urheberrechtlich geschützt. Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist auf www.daskonstruktiv.at veröffentlicht. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben ausschließlich die Meinung des Autors/der Autorin wieder, die sich nicht mit der des Herausgebers oder der Redaktion decken muss. Für unverlangte Beiträge liegt das Risiko beim Einsender. Sinngemäße textliche Überarbeitung behält sich die Redaktion vor. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Das Zitat auf dem Titel wurde dem Text von Wolfgang Pauser entnommen. 2 | 3

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Editorial Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Faire Vergabe“ war im vergangenen Jahr ein großes Thema. Die Sozialpartnerinitiative „Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze“ hatte einen ambitionierten Forderungskatalog zur Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping vorgelegt und damit viel Aufmerksamkeit generiert. Auf der sachpolitischen Ebene war sie aber weniger erfolgreich: Etliche Forderungen waren einfach nicht umsetzbar, weil sie den EU-Vorgaben widersprochen hätten. Erst jetzt hat das Bundeskanzleramt den geforderten Ministerialentwurf zur Begutachtung versandt. Die hohen Erwartungen der Sozialpartnerinitiative werden mit diesem Entwurf aber nur teilweise erfüllt. Erfreulicherweise wird dagegen die zentrale Forderung der bAIK umgesetzt: Das Bestbieterprinzip soll für geistige Dienstleistungen im Ober- und Unterschwellenbereich künftig zwingend anzuwen - den sein. Ich sehe das als Erfolg der Bemühungen der Bundeskammer im letzten Jahr. Die bAIK hat in zahlreichen politischen Gesprächen und Veranstaltungen – wie der parlamentarischen Enquete im November 2014 – auf die Besonderheiten von geistigen Dienstleistungen hingewiesen. Licht ist ein „Crowd Pleaser“, sagt unser Kolum nist Martin Puntigam. Davon ernäh ren kann man sich zwar nicht, für Gesundheit und Wohlempfinden spielt es aber ebenso eine wichtige Rolle wie die Dunkelheit. Ein Mangel an Tageslicht kann gleichermaßen krank machen wie ein Zuviel an künstlichem Licht in der Nacht. Astronomen, Biologen und Mediziner warnen seit Jahrzehnten vor der Lichtverschmutzung, wobei der Terminus ähnlich ungenau ist, wie z. B. „Klimaschutz“. Denn genauso wenig wie das Klima schutzbedürftig ist, sondern es dabei vielmehr darum geht, den von Menschen verursachten Klimawandel zu reduzieren, geht es bei der Lichtverschmutzung nicht um verschmutztes Licht, sondern um negative Auswirkungen von zu viel künstlichem Licht auf die Umwelt. Etliche Initiativen setzen sich für den sorgsamen Umgang mit Licht ein und verzeichnen erste Erfolge. Diverse Richtlinien und Regeln im Hinblick auf Energieverbrauch ebenso wie Sicherheit veran lassen zahlreiche Kommunen dazu, ihre Beleuchtungskonzepte umzustellen, und sorgen zugleich für Goldgräberstimmung bei den Leuchtenherstellern. Worauf jedoch neben den einfach messbaren Kriterien gerne vergessen wird, sind jene Aspekte, die nicht in Watt, Lumen oder Euro festzumachen sind. So ist es wohl einer der erfreulichsten Effekte des Glühlampenverbots, dass die Diskussion über die ästhetische Qualität von künstlichem Licht in der Gesellschaft ankommen konnte. Das sonnennahe Spektrum der seit 130 Jahren existierenden Glühbirne, dem kein anderes Leuchtmedium das Wasser reichen könne sowie die Ästhetik und die physiologischen Auswirkungen verschiedener Leuchtmittel waren plötzlich in aller Munde, und damit machten sich auch Polemik und Halbwissen breit. Da trifft es sich gut, dass die UNESCO 2015 zum „Internationalen Jahr des Lichts und der lichtbasierten Technologien“ erkoren hat. Die Vereinten Nationen wollen damit an die Bedeutung von Licht als elementare Lebensvoraussetzung und damit auch an seinen zentralen Bestandteil von Wissenschaft und Kultur erinnern. Und genau hier wollen wir auch mit dieser Ausgabe des KONstruktiv ansetzen und einige der vielen Facetten von Licht beleuchten und im besten Fall zum Nachdenken über Licht und seine Wirkung auf die Natur sowie im technologischen Alltag, den öffentlichen Raum und auf uns Menschen anregen. Wie immer, wenn es um das Gestalten unserer Umwelt geht, zeigt sich auch beim Licht, dass gute Lösungen stets das Ergebnis von interdisziplinärem Austausch sind. Franziska Leeb N Christian Aulinger Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten Wir werden die im erwähnten Ministerialentwurf enthaltenen positiven Ansätze nutzen, um weitere Forderungen zu erheben: Wir werden z. B. im Rahmen des Begutachtungsverfahrens darauf hinweisen, dass mit den vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der TU Graz vorgelegten Leistungs- und Vergütungsmodellen für Planerleistungen (LM.VM) auch eine objektive Leitlinie vorgelegt wurde, anhand derer öffentliche Auftraggeber beurteilen können, ob Planungsleistungen angemessen ausgepreist wurden. Die LM.VM sollten daher im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung herangezogen werden. Faire Bedingungen in der öffentlichen Auftragsvergabe sind aber auch in einem weiteren Bereich dringend erforderlich: Bieter stehen oft übermächtigen Auftraggebern gegenüber. Diese asymmetrische Machtverteilung führt dazu, dass Auftraggeber ungestraft vergaberechtliche Bestimmungen missachten, weil die von ihnen oft sogar existenziell abhängigen Bieter keine Anfechtungen riskieren können. Ein Antragsrecht der Kammern würde den einzelnen Ziviltechniker/innen dieses Risiko abnehmen und für einen Ausgleich im erwähnten Machtgefälle sorgen. Wir werden uns daher für eine wirksame Einbindung der Kammern in den Rechtsschutz gegen gesetzwidrige und unfaire Ausschreibungsbedingungen einsetzen. N

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Es ist angelichtet Martin Puntigam Kabarettist, Autor und MC der Science Busters Licht ist auf der Erde ein Crowd Pleaser. In prak tisch allen von uns Menschen erfundenen Religionen spielt es eine Hauptrolle. Die Mehrheit der Lebewesen kommt zwar sehr gut ohne aus, lebt doch ein Großteil der Biomasse entweder unter der Erde oder in der Tiefsee, aber wir Menschen lieben Licht. Manche sogar so sehr, dass sie sich ausschließlich davon ernähren möchten. Diese Praktik nennt sich Lichtnahrung oder auch Lichtfasten, die Betroffenen stellen die Nahrungsaufnahme komplett ein bzw. auf Licht um. Ob Welle oder Teilchen ist nicht bekannt. Eine unsichtbare Prana-Energie, die noch kein Mensch je gemessen hat, soll dabei die Hauptspeise spielen. Das hätte viele Vorteile. Man bräuchte nie mehr einkaufen zu gehen, und wenn man vor dem Schlafengehen den FI-Schalter betätigt und die Taschenlampen versteckt, dann gehören die Fressattacken in der Nacht endgültig der Vergangenheit an. Die Sache hat aber leider auch einen Haken. Wer behauptet, er könne sich ausschließlich von Licht ernähren, ist entweder ein Lügner oder braucht psychiatrische Betreuung oder ist tot. Denn Rund-umdie-Uhr-Atmen macht schwach. Allein durch das Ausatmen von Wasserdampf verlieren wir jeden Tag ungefähr 400 Milliliter. Multipliziert man 400 mit 14, so ergibt das 5.600 Milliliter, also fünfeinhalb Kilo in zwei Wochen, die wir leichter werden, nur weil wir uns mit dem dauernden Luftanhalten so schwer tun. Und da wir nicht nur Wasserdampf, sondern auch Kohlenstoff ausatmen, muss auch der ersetzt werden. Viele Lebewesen machen das durch Nahrungsaufnahme in fester und flüssiger Form und kommen damit ganz gut zurande. Will ein Mensch seinen täglichen Kohlenstoffbedarf ausschließlich mit Photonen aus Sonnenlicht decken, müsste er sich allerdings eine Milliarde Jahre in die Sonne legen! Täglich. Da müsste man also den gesamten Jahres urlaub auf einmal nehmen und würde doch nicht satt. Somit ist Lichtfasten leider keine brauchbare Methode, um bis zum Sommer noch in die gewünschte Bademode hineinzuschrumpfen. Und wenn Sie in der Nacht zum Kühlschrank gehen, dann ist auf jeden Fall nicht das Licht im Kühlschrank schuld, wenn Sie zunehmen. N Dusls Schwerpunkt 4 | 5 Puntigams Kolumne, Dusls Schwerpunkt

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Kinderkram? Rudolf Kolbe Vizepräsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten „Sebastian, was liest du denn da in deinem E- Book?“ „Das ist schon für die Ferien, ein neuer Licht und Schatten! Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Das wissen alle. Es gibt aber auch Bereiche, wo ganz wenig Licht ist und fast nur Schatten. Wirklich? Ja, wirklich! Aber das wissen nur wenige. Leider! Wenn es um die Vergabe geistiger Dienstleistungen geht, schaut es finster aus. Auch öffentliche Auftraggeber, die die Regeln ja von Amts wegen kennen müssten, liefern da Pfuschverfahren ab. Sozusagen jenseits von Gut und Böse. Ein Stück Hochwasserschutz für eine ganze Region (!) – was kostet das? Nur Schatten – kein Licht. Und doch: „Wenn Du glaubst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.“ Wieder ein netter Spruch. Dieses Lichtlein könnte der Begutachtungsentwurf zum neuen Bundesvergabegesetz sein. Darin steht nämlich, dass bei der Vergabe von geistigen Dienstleistungen, wie sie die Ziviltechniker/ Abenteuerroman mit Superhelden vom B-Versand.“ „Aber hatten wir nicht vereinbart, dass du, bevor du dir ein neues Buch kaufst, zuerst zur Buchhandlung und in den Leseshop gehst und dir dort Bücher zeigen lässt?“ „Das hätte ich schon so gemacht, wenn ich das Buch gekauft hätte, hab ich aber gar nicht.“ „Wie meinst du das?“ „Ich hab mir das E-Book vom Max geliehen und zahl ihm jetzt monatlich was von meinem Taschengeld. Da kann ich gar nichts machen, wenn der Max so einen Abenteuerroman vom B-Versand …“ Sie werden jetzt einwenden: Schlecht erfunden, wer glaubt denn diesen Blödsinn? Okay, ich probiere es noch einmal: „Sehr geehrte Stadtverwaltung, sind das die Pläne für das neue Verwaltungsgebäude?“ „Das ist für die dringend notwendige Erweiterung, die Planung von B-Plan und …“ „Aber hätten Sie innen tagtäglich aus dem Hut zaubern, nur das Bestbieterprinzip angewendet werden darf. Zum Preis müssen also auch Qualitätskriterien formuliert und bewertet werden. Es geht also nicht mehr nur ums Geld, sondern auch um Hirnschmalz, einfach um gute Projekte. Das will der kluge Auftraggeber letztendlich auch. Im Vergleich zu den Lebenszykluskosten eines Bauwerks betragen die Planungskosten nur einen winzigen Prozentsatz. Aber genau darauf kommt es an! Werthaltigkeit, geringe Betriebskosten, Benutzerfreundlichkeit und keine Scherereien – das will der Bauherr! Genau da helfen die Ziviltechniker/innen, weil sie darin geübt sind und nicht im Preiskampf! Vielleicht sieht das der öffentliche Auftraggeber zukünftig auch unter einem anderen Licht – dem kleinen, am Ende des Tunnels? N Zurück zum Wesentlichen und vorwärts zu neuen Ideen Anne Mautner Markhof Stellvertretende Vorsitzende der Bundessektion Architekten Normen treten immer öfter an die Stelle von Gesetzen. Jedoch werden diese Normen nicht vom – demokratisch legitimierten – Gesetzgeber gemacht, sondern von Einzelpersonen, die sich (zu stetig wachsenden Themenbereichen) in Komitees zusammengeschlossen haben und auf intransparente Weise Österreich standardisieren. Dieser enorme Zeitaufwand und die Kosten (450 Euro pro Jahr für Teilnahme an Normung) verhindern eine Partizipation neutraler Expert/innen wie Ziviltechniker/ innen am Normungsprozess. Selbstverständlich gehört das komplexe Planen zwischen und rund um Vorschriften zum täglichen Brot von Architekt/innen und Ingenieur/innen und macht uns u. a. unentbehrlich; daher könnte für manchen von uns ein stetig dichter werdender Normendschungel von Vorteil sein. Aber diese Ziviltechniker/innen sind die Min- vor Vergabe der Planung diese gemäß Bundesvergabegesetz nicht öffentlich ausschreiben müssen?“ „Doch schon, das hätten wir natürlich gemacht, wenn wir das Gebäude errichten würden, das machen wir aber nicht.“ „Wie meinen Sie das?“ „Das Gebäude wird von der Max-Holding errichtet und wir zahlen dann nur monatlich Miete. Da können wir gar nichts machen, wenn die Max-Holding so eine Planung direkt an B-Plan …“ Sie werden jetzt einwenden: Schlecht erfunden, wer glaubt denn diesen Blödsinn? Diesmal muss ich leider sagen: Gar nicht erfunden, sondern direkt vom Leben geschrieben. Daher ist es unerlässlich, weiter für eine Verbandsklageberechtigung unserer Standesvertretung zu kämpfen, damit unsere Beschwerden nicht weiter wie Kinderkram behandelt werden. N Klaus Thürriedl Vorsitzender der Bundessektion der Ingenieurkonsulenten derheit: Denn wir sind in jedem Fall Anwender/innen und somit – angesichts dieser Normenflut – die Leidtragenden. Die Kreativleistung einer Architektin, wie in meinem Fall z. B., rückt zunehmend in den Hintergrund. Der bürokratische Aufwand und die Kosten steigen dagegen exponentiell: 1999 freute sich das Austrian Standards Institute bereits über die zehntausendste Norm. Seither kommen Jahr für Jahr circa 2.000 neue dazu. Ende 2008 hatte sich die Gesamtzahl bereits auf 20.000 verdoppelt. Die Rückkehr auf den Kernbereich der Normung, das Ende der Geheimverhandlungen sowie Unabhängigkeit und eine gerechte Teilnahme aller betroffenen Gruppen am Normungsprozess sind daher Eckpunkte des Vorschlags für ein neues Normengesetz, den die Bundeskammer als Entwurf der Öffentlichkeit unterbreiten wird. N Standpunkte

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Verschönerung durch Licht „Wien wird schön erst bei Nacht, dann zeigt’s ganz seine Pracht“, hieß es schon in einem aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammenden Lied von Robert Stolz. Längst ging der Zweck der Stadtbeleuchtung damals über ihre Funktion als nächtlicher Wegweiser hinaus. Sie wurde zu Werbezwecken ebenso wie zur Verschönerung der Stadt eingesetzt und war nicht mehr aus dem Stadtbild einer Metropole wegzudenken. Heute betreibt die Abteilung „Wien Leuchtet“ (MA 33) rund 270 Lichtinstallationen, um den emotionalen Erleb niswert von Licht zu nützen und damit die Identität von Wien zu stärken. Der Blick vom Kahlenberg auf das Lichtermeer der Stadt ist nach wie vor eine Attraktion. Bereits seit 1955 werden fast alle Donau- und Donaukanalbrücken mit verschiedensten Effektbeleuchtungen in Szene gesetzt. Lichtinstallationen sind seit Langem ein wichtiger Bestandteil der Beleuchtung in Wien. Durch neue Technologien wie LED, Glasfasertechnik, Leuchtfolien oder computergesteuerte Farbwechselscheinwerfer stehen der kreativen Gestaltung nahezu unbegrenzte Möglichkeiten offen. Mittels Computer können Lichteffekte programmiert werden, die sich speziellen Bedürfnissen anpassen und wirkungsvolle Stimmungen erzeugen. Diese Sonderbeleuchtungen, die eingesetzt werden, um das nächtliche Wien attraktiv zu inszenieren, machen mit insgesamt 7.200 Leuchten bei 240 Anlagen nur einen Bruchteil der städtischen Beleuchtung aus. Denn oberste Priorität hat die Verkehrssicherheit und daher kommen für die Wiener Straßenbeleuchtung 153.000 Leuchten mit 241.000 Leuchtmitteln zum Einsatz. In den Wiener Gassen und Straßen wird – ehemalige Bundesstraßen ausgenommen – die „Halbnachtschaltung“ praktiziert und von 23 bis 5 Uhr von den zwei Lampen pro Straßenleuchte eine automatisch abgeschaltet. Zudem hat die MA 33 eine Standardleuchte entwickelt, die sich durch die Trennung von Gehäuse und Einsatz auszeichnet. Bei Bedarf kann der Einsatz mit wenigen Handgriffen getauscht werden. Es hat also auch eine Stadt, die niemals schläft, viele Möglichkeiten, den Einsatz von künstlichem Licht nach ökonomischen und ökologischen Kriterien zu optimieren. Ein attraktives „Wien bei Nacht“ ist aber nur mit ausreichender Beleuchtung, die durchaus auch optische Akzente setzen darf, denkbar. Gerald Wötzl, MA 33 – Wien Leuchtet N Kulturgeschichtlich ist Licht positiv besetzt, die Dunkelheit negativ. Aber es kann des Guten auch zu viel sein, bei uns viel zu viel. Stellen Sie sich vor, Sie liegen in einer Wiese und schauen in den Nachthimmel. Und anstelle des Großen Wagens, anstelle des Polarsterns sehen Sie eine Lichtglocke, weil in der Nähe ein Fußballplatz beleuchtet wird, weil eine Kirche oder sonstige Gebäude um nächtliche Aufmerksamkeit buhlen. Das ist Realität in weiten Teilen Österreichs. Klar, dass wir Licht benötigen zur Sicherheit auf Straßen und öffentlichen Plätzen. Beleuchtung im öffentlichen Raum gilt heute jedoch als „Statement“, als Werbung. In Szene setzen dort, wo Einfallslosigkeit bei Tag herrscht. Dass damit nicht nur Energie in den Himmel hinein verschwendet wird, sondern auch für die Umwelt negative Auswirkungen entstehen, wissen nur jene, die sich eingehender mit Licht befassen. Licht beeinflusst das Wohlbefinden von Menschen (und Tieren) wesentlich. So wie Depressionen bereits erfolgreich mit Licht therapiert und Heilungsprozesse beschleunigt werden können, so kann störendes Licht (z. B. von der Außenbeleuchtung ins Schlafzimmer) zu psychischen und physischen Beeinträchtigungen führen. Wenn Beleuchtung im Außenraum, speziell am Stadtrand oder nahe an Gewässern, eingesetzt wird, gilt es, ebenso sorgsam zu planen. Denn neben Menschen, die gestört werden können, werden auch zahlreiche Tiere wie Fledermäuse, Vögel und Nachtfalter in ihrem Leben beeinträchtigt. Ganz zu schweigen vom Nachthimmel, der verloren geht im Schein eines Skyglow, einer Lichtglocke, die Astronomen und Romantiker zunehmend zu schaffen macht. Wir sind in Europa so weit überstrahlt, dass das ungetrübte Erleben der Nacht in besonders von Lichtverschmutzung verschonten Gebieten wie dem Nationalpark Eifel in Deutschland oder dem Galloway Forest Park in Schottland als touristische Attraktion angeboten wird. Bei sorgsamer Handhabung kann Licht durchaus ein notwendiges und attraktives Instrument sein, auch für die Werbung. Beleuchtung im öffentlichen Raum sollte jedoch dem Vorsorgeprinzip folgen: nur dort, wo es notwendig ist, und so, dass es andere nicht stört. Mit anderen Worten: Lichteinsatz nach dem Prinzip „weniger ist mehr“. Johannes Kostenzer, Umweltanwalt des Landes Tirol N 6 | 7 Plus / Minus

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Licht Wie Licht unsere Wahrnehmung beeinflusst, ist ein wesentliches Thema in der Arbeit von Siegrun Appelt. Bei ihrem temporären Lichtprojekt „Graz-Reininghaus“ im März 2015 im Rahmen der Ausstellung „Licht“ des Joanneum komponierte sie durch gezielte wechselnde Beleuchtungen der landschaftlichen und baulichen Relikte szenische Landschaftsbilder. Sie verweisen auf frühere Nutzungen und die Geschichte des aufgelassenen Brauereigeländes, auf dem in den nächsten Jahren ein neues Stadtquartier entstehen wird. Das Interesse der Künstlerin fokussiert sich dabei nicht auf dessen skulpturale oder dekorative Möglichkeiten, sondern auf das Bewusst machen der Auswirkungen von Licht in räumlich-ästhetischer Hinsicht. Franziska Leeb N Für das vorliegende KONstruktiv stellte Siegrun Appelt aus der Fotodokumentation von „Graz-Reininghaus“ eine Serie von Bildern zur Verfügung, die einen jeweils identischen Landschaftsausschnitt bei verschiedenen Beleuchtungsszenarien zeigen. Siegrun Appelt, geb. 1965 in Bludenz, lebt und arbeitet in Wien. Ausstellungen und Projekte (Auswahl): Moderato cantabile, Landesgalerie/Landesmuseum Linz; 68.719.476.736 Lichtinstallation im Museumsquartier Wien, MUMOK (2004); 288 KW, Kunsthaus Bregenz, Wegbeleuchtung bei Seeanlagen und Festspielhaus, Bregenz (2005); 116 kW, Luminale, Kunsthalle Schirn, Frankfurt (2006); 64 kW, Arbeit für den Deutschen Pavillon bei der Architekturbien nale Venedig (2008); Reale Formulierungen, Mühlheim/Ruhr und Duisburg (2010); Lichtprojekt Wachau (2010 – 15); Lichtszene–Dreiland, Eine Szenographie entlang des Rheins, Basel (2013); Lichtprojekt Graz-Reininghaus (2015) . www.siegrunappelt.com Siegrun Appelt: Lichtprojekt Graz-Reinighaus, 2015

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Die Welt will gedimmt sein | Der kulturelle Paradigmenwechsel von der Festbeleuchtung zur Lichtverschmutzung Wolfgang Pauser beschäftigt sich als Kulturwissenschaftler, Autor und Berater mit Konsum, Produkten, Marken und Märkten. In den 1990er- Jahren schrieb er Kolumnen über Konsumwelten für „Die Zeit“ und unterrichtete Architekturtheorie am Institut für Wohnbau und Entwerfen an der TU Wien. Literatur: – Schivelbusch, Wolfgang: Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert, München 1983. – Behne, Adolf: Gedanken über Kunst und Zweck, dem Glashause gewidmet, in: Kunst gewerbeblatt, 27. Jg., Neue Folge 1915/16, H. 1 Oktober. – Kohlmaier, Georg/ von Sartory, Barna: Das Glashaus. Ein Bautypus des 19. Jahrhunderts, München 1999. – unesco-whc, unesco-iau, cie, otpc-iac (Hrsg.): Starlight Reserve. Concept – Dimensions – Categories – Criteria. Recommendations. 3/2009 General recommendations on outdoor lighting, S. 19 ff. resp. 24 ff. – Nutzenergieanalyse der Statistik Austria: www.statistik.at/ web_de/statistiken/ energie_und_umwelt/ energie/nutzenergie analyse/ Abfrage 05/2015. – Seitter, Walter: Geschichte der Nacht, Berlin 2002. Licht ist unsichtbar. Im Vakuum zeigt sich seine Anwesenheit nur an reflektierenden Objekten. Blendung tritt ein bei dem Versuch, es direkt anzublicken. Sterne lassen sich zwar anblicken, beleuchten aber nichts. Flammen beleuchten und wir können sie auch betrachten, sehen dabei aber das Feuer, nicht das Licht. Auch wenn wir reflektierende Dinge betrachten, sehen wir kein Licht, sondern die beleuchteten Dinge. In der Erdatmosphäre nehmen wir nur Brechungs- und Streueffekte feinster Partikel wahr. Dass es Licht überhaupt gibt, schlussfolgern wir aus der Helligkeit des Sichtbaren und ihren Gegenspielern Schatten und Dunkelheit. Licht ist das, was erscheinen lässt, und auch der Lichtschein ist eine Erscheinungsform des Lichts. Daher ist Licht für uns Menschen primär ein Medium. Etwas, das zeigt, präsentiert und Zeichen gibt von Anwesendem. Licht ist die Hinterbühne der hervortretenden Welt, der Projektor hinter uns im Kino des Lebens. Es physikalisch und damit losgelöst vom Sehen zu interpretieren ist eine von vielen Möglichkeiten. Auch für die Naturwissenschaft wird Licht medial sichtbar an Messgeräten und davon abgelesenen Zahlen. Kein Wunder also, dass dieser unsichtbare Projektor im Laufe der Geschichte selbst zum Ziel mythologischer und weltbildlicher Projektionen wurde. Unser heutiger von Funktionalität und naturwissenschaftlich-technischer Rationalität geprägter Zugang zum Licht relativiert sich, wenn wir ihn mit historischen Vorgängern konfrontieren: Ist Licht als Medium kultureller Differenzierung durchschaut, wird bewusst, dass auch unser Lichtverständnis ein Kind seiner Zeit ist. Wir wollen weniger – in diesen drei Worten ist der Zeitgeist zusammengefasst. Weniger Licht emittieren, weniger Energie verbrauchen, weniger Freiheit bei der Auswahl von Leuchtmitteln haben, weniger Beleuchtung der Städte, Häuser, Gärten, Straßen und Wohnräume. Der Wunsch nach weniger artikuliert sich beim Licht wie in zahlreichen anderen Bereichen des Alltagslebens. Weniger Autos, weniger Fleisch, weniger heizen, reisen, essen, trinken, rauchen etc. Die Gesellschaft hat den langen Weg zum Immermehr verlassen und nimmt Kurs auf Reduktion, Selbstbeschränkung und Verzicht. Gesetze gegen die „Lichtverschmutzung“ betreffen die öffentliche wie die private Beleuchtung und existieren bereits in Spanien, Italien, Slowe nien, Tschechien und Chile. Der Bundesstaat New York hat sich Dimmen verordnet, in den staatseigenen Wolkenkratzern Manhattans wird „nicht erforderliches Licht“ ab 23 Uhr abgeschaltet. Wie viel an Strahlkraft, Anziehungskraft und mythischer Identität die Weltmetropole dabei verliert, wird verschieden beurteilt. Wesentlich daran ist das Signal zur Umkehr einer jahrtausendealten Entwicklungsrichtung von Eos zu Neon, vom Höhlenfeuer zum Halogen. In der Technikgeschichte der künstlichen wie der natürlichen Beleuchtung folgte stets das Hellere dem Dunkleren, das Reinere dem Trüberen und Schmutzigeren, das Lichtstärkere dem Dämmrigen. Erfindungen wie Kerze, Öllampe, Gaslicht, Glühstrumpf, elektrische Bogenlampe und Glühbirne ebenso wie die Herstellung großflächiger Glasscheiben stießen zwar wie jede Novität anfangs auch auf Ängste und Ablehnungen, konnten sich jedoch im Großen stets durchsetzen. Bei grober Betrachtung wirkt die Technikgeschichte der Beleuchtung wie eine kontinuierlich aufsteigende Kurve zu einem Mehr an Licht. Ob diese Kurve nun knickt ist die Lichtfrage unserer Zeit. Das Maßnahmenprogramm der unesco gegen Lichtverschmutzung und für „intelligente Beleuchtung“ ist umfassend. Leuchtende Werbung und Dekoration sollen nur noch in den frühen Abendstunden erlaubt sein. „Unnötige“ Beleuchtung soll durch Reduktion der Intensität und Regulierung der Gerichtetheit abgeschafft werden. Verzicht auf nach oben strahlende Leuchtkörper, wie etwa Bodenlampen, soll durchgesetzt werden. Lichtquellen sind so abzuschirmen, dass sie weder seitlich noch nach oben leuchten. Straßenbeleuchtung soll sich nur noch einschalten, wenn Bewegungsmelder das Nahen eines Menschen registrieren. Autos soll Fernlicht verboten werden, was eine allgemeine nächtliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h zur Folge hat. Dass Licht vom Freund zum Feind geworden ist, betrifft Ingenieure und Techniker wie Architekten in gleichem Maße, vor allem an ihrer Schnittstelle, dem künstlichen Licht im Raum. Obwohl die Kosten für Beleuchtung und edv nur 2,9 Prozent des Energiebedarfs eines mit Glühlampen erhellten privaten Haushalts betragen, steht die technische Entwicklung neuer Leuchtmittel unter hohem Inno- 330 000 v. Chr. Feuer 50 000 v. Chr. Offene Feuerstellen 8 000 v. Chr. Schalenlampen 8 | 9 Die Welt will gedimmt sein

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vationsdruck. Dieser hat auch schon mannigfache Ideen und Erfindungen zum Zwecke des Energiesparens und der Lichtschmutzvermeidung auf den Plan gerufen. Viel Hoffnung richtet sich auf die oled-Technologie. Sie würde stark in die Raumwahrnehmung von Architekturen eingreifen, da sie die punktuell strahlende Lichtquelle durch selbst leuchtende Oberflächen ersetzt. Wie müssen Räume geplant werden, die ohne Schatten sind, weil oled-Folien als Tapeten, Fenster- und Möbelbeschichtungen alles bisher Beleuchtete in Selbstleuchtendes verwandeln? Neu im lichttechnischen Innovationsprozess ist der Impulsgeber und Richtungsweisende. An die Stelle des Konsumenten und seiner Bedürfnisse ist die Allianz aus Umweltpolitikern und Lobbyisten getreten. Große Industrien, die eine neue Genera tion von Geräten per Gesetz am Markt durchsetzen wollen, sind die stärksten Innovationstreiber der Gegenwart. Auf diese Weise ist neben dem freiwilligen Lichtkonsum der Lichtzwangskonsum zum Nachfrager geworden. Während der letzten 500 Jahre wäre es undenkbar gewesen, Licht als Schmutz wahrzunehmen. Zu eng war die Erhellung mit der Idee der Aufklärung verbunden. Dass diese sich vom „dunklen Mittelalter“ abstoßen konnte, fußt auf der technisch bedingten Vergrößerung der Fenster im 16. Jahrhundert. Obwohl die Aufklärung programmatisch den Logos an die Stelle von Mythen und Sinnbildern setzen wollte, verrät sie doch schon in ihrem Namen, selbst ein Lichtmythos zu sein. Wissenschaft sollte Licht ins Dunkel der Materie und Natur bringen, die Philosophie „clare et distincte“ erkennen und dem Licht der Wahrheit, des Geistes und der Erkenntnis in aller Welt Geltung verschaffen. Damit steht die Aufklärung in der sehr alten Tradition des „Kampfes des Lichts gegen die Finsternis“. Die Geister, Gottheiten und Königinnen der Nacht zählten noch nie zu den Guten. Das negative Image der Nacht in der Antike fußte nicht nur auf Todesmetaphorik und psychischer Angst vor der Dunkelheit, sondern auf vielerlei realen Gefahren. Diese mussten erst technisch und zivilisatorisch gebändigt sein, bevor in der Romantik die Nacht poetisch verklärt werden konnte. Dass das Böse, die Hölle, der Hades im lichtlosen Untergrund lokalisiert sind, während Gutes, Götter und Lebensenergie von hel- 2 000 v. Chr. Kerzen 700 v. Chr. Tonlämpchen 299 v. Chr. Leuchtturm von Alexandria Die Welt will gedimmt sein

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len Himmeln auf uns niedergehen, ist von Religionen, Märchen und Hollywood tief in unsere Kultur eingebrannt. Weil das Helle fraglos dem Dunklen vorgezogen wurde, war nicht „die Rettung der Nacht“, sondern „die Vertreibung der Nacht“ bis hin zum „Sieg“ über sie das erklärte Ziel von Technik und Zivilisation. Doch was sind die Motive unserer neuen In den Anfängen Aversion gegen die künstliche Erhellung der der Grünbewegung stand das Nacht? Wort „Umweltverschmutzung“ im Zentrum. Soweit diese Verschmutzung für Menschen wahrnehmbar war, wurde sie nach und nach technisch und legistisch verringert. Als die These der vom Menschen verschuldeten globalen Erwärmung aufkam, konnte sich der grüne Begründungsdiskurs vom Schmutzbegriff lösen und sich auf die persönlicher Wahrnehmung unzugängliche Klimarettung verlagern. Seither ist auch der nicht verschmutzende Mensch allein aufgrund seines Energieverbrauchs und seiner Wärmeabstrahlung als Schuldiger im politischen Visier. Mit der kulturellen Umdeutung des Lichts vom Heilsbringer zur Emission kehrt nun bildhaft der Verschmutzungsbegriff der Anfangsjahre zurück. Unter der Lichtglocke finden die Ziele des kälteren Wetters, des Tier- und Pflanzenschutzes und der menschlichen Gesundheit zusammen. Das traditionelle Symbol der Reinheit tritt in die Fußstapfen des aus der Wahrnehmung verschwundenen Schmutzes. Angesichts eines Lichtermeers ist Sorge an die Stelle des Jubels getreten. Doch so sehr die Technikgeschichte der Beleuchtung dem Modell kontinuierlichen Fortschritts entspricht, zeigt die kulturelle und politische Betrachtung, dass wir nicht die ersten Lichtfeinde der Geschichte sind (und hoffentlich nicht die letzten). Langfristig wechseln gesellschaftliche Lichtbegeisterung und Lichtverachtung einander ab. Das 16. Jahrhundert war von einem wahren Lichthunger bestimmt: Dank größerer Fenster öffneten sich in der Renaissance „die Häuser dem Lichte, wie sich die Geister dem Licht der Humanität, der Wissenschaft, der Freiheit des Gewissens und Denkens öffneten“. Parallel gab es erste Ansätze öffentlicher Beleuchtung in Form von Laternen, die vor den Häusern angebracht wurden. Diese waren jedoch zu lichtschwach, um zu beleuchten, und dienten nur dem Anpeilen und Identifizieren. In den Städten währte der Primat des Selbstleuchtens gegenüber dem Beleuchten bis Ende des 19. Jahrhunderts. Im Absolutismus des 17. Jahrhunderts spaltete sich die Gesellschaft immer extremer auf in Aristo kraten und Untertanen. Diese Spaltung bildete sich auch im Verhältnis zum Lichte ab. Neben großen Feuerwerken illuminierten 24.000 Kerzen – als domestizierte Freudenfeuer – ein Hoffest des Sonnenkönigs, um dessen Lichtmythos zu inszenieren. Dabei ging es ebenso wenig um Beleuchtung wie bei den Spiegelwänden und Kristalllustern, die nicht die Sichtbarkeit, sondern den Glanz verstärken sollten. Die prestigeheischende Verlagerung der Feste in die Nacht entkoppelte die Zeitrhythmen der Klassen. Bis in den Nachmittag zu schlafen gehörte zum demonstrativen Müßiggang. Eine ganz andere Bedeutung erhielt das nächtliche Licht für die Bürger mit der Entwicklung des Polizeistaats. Für sie galt Ausgangssperre ab 21 Uhr und die Pflicht, im Dunkeln ein Licht mitzuführen, um kontrollierbar zu sein. In der Mitte der Straßen wurden zum Zwecke der Symbolisierung des Königs Laternen angebracht, an denen sich alsbald die Wut der Revolutionäre entzündete. Lampenzertrümmern wurde zum Volkssport. Die Aufständischen machten sich damit für die Polizei unsichtbar und begingen damit zugleich eine Majestätsbeleidigung, die mit mehrjährigem Kerker bestraft wurde. Paris versank in Dunkelheit, bis 1789 der Sieg mit Freudenfeuern gefeiert wurde. Lichtfeindschaft gab es auch im 19. Jahrhundert. Den Anschluss des Hauses an öffentliche Gasleitungen empfand man als Autarkie- und Autonomieverlust. Das Bürgertum verspürte ein wachsendes Abgrenzungsbedürfnis des Öffentlichen vom Privaten. Da Licht der Öffentlichkeit und deren Kontrollinteresse zugeordnet wurde, stieß es auf wachsende Ablehnung. Diese zeigte sich nicht nur darin, dass häusliches Gaslicht in Wohnräumen verpönt blieb, sie übertrug sich auch auf das Tageslicht. Je größer die Fenster wurden, um so mehr und dichtere Vorhänge wurden aufgeboten, um das äußere „öffentliche“ Licht nicht in den privaten Wohnraum eindringen zu lassen. 1870 wurden Butzenscheiben modern. Da auch die Elektrizität von außen kam, wurden die Glühbirnen möglichst verdunkelt – der „Tiffany-Lampenschirm“ löste 1890 das Intimität störende Helligkeitsproblem. Die Lichtbegeisterung des frühen 20. Jahrhunderts wuchs aus der Opposition zum traumversunkenen Bürgertum. „Dem Licht fiel die Rolle eines Peitschenschlages zu (…), gerichtet gegen jenen bürgerlichen Spießer, der, hinter festem Mauerwerk sitzend, es sich gemütlich gemacht hatte. 450 v. Chr., Empedokles: Endliche oder unendliche Lichtgeschwindigkeit? 1061 Erste Kerzenzieherinnung in Frankreich 1417 Laternen mit Kerzen als Straßenbeleuchtung London 10 | 11 Die Welt will gedimmt sein

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Die Helligkeit soll künftig verhindern, in Stumpfsinn, Gewohnheit und Gemütlichkeit zu verfallen.“ (Adolf Behne 1915) Mit dem Ersatz von Mauern durch Glasfassaden wurde eine „Befreiung“ wie von Gefängnismauern erhofft. Die Glasarchitektur der frühen Moderne Auch der öffentlichen elektri - wollte nicht weniger, als mittels Licht einen neuen, besseren Menschen erschaffen. schen Beleuchtung schlug nicht mehr Argwohn, sondern Euphorie über das „Lichtermeer“ entgegen. Ist unsere momentane Lichtfeindlichkeit einzureihen in die historischen Lichtwellen? Wie wird man sie in hundert Jahren interpretieren? Entweder als kulturgeschichtliches Symptom für die Ablösung der Aufklärung durch Naturreligionen, die zum Schema der Selbstbeschuldigung und des Opferbringens zurückkehrten. Oder als verspäteten, aber doch richtungsweisenden ersten guten Beitrag zur Abwendung der Klimakatastrophe, von dem wir dann erst endgültig wissen werden, ob er vergeblich war oder erfolgreich. N 1518 Ulrich von Hutten kritisiert schlechte Beleuchtung in Burgen 1667, Ole Rømer: Erste erfolgreiche Abschätzung der Lichtgeschwindigkeit 1667 Weltweit erste Straßenbeleuchtung in Paris Die Welt will gedimmt sein

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Lob der Dunkelheit | Maßnahmen gegen lästiges Licht Gabriele Kaiser ist Architekturpublizistin und seit 2010 Leiterin des afo architekturforum oberösterreich; seit 2009 Lehrbeauftragte an der Kunstuniversität Linz; 2011 Co-Veranstalterin des Lichtverschmutzungs-Symposiums „Das Ende der Nacht“. Längst ist die in der westlichen Moderne entflammte Lichteuphorie zum globalen Phänomen geworden und immer noch wird mehr Licht mit Macht, Fortschritt und Wohlstand gleichgesetzt, obwohl die ungebremste Aufhellung des Nachthimmels ihre Schattenseiten bereits deutlich zeigt. Für die zunehmende Kontaminierung der Atmosphäre durch vergeudetes (ungenutzt nach oben abstrahlendes) Kunstlicht hat sich der Begriff „Lichtverschmutzung“ eingebürgert, man spricht auch von „Lichtsmog“, der die natürliche Nachtdunkelheit empfindlich stört. Hauptverursacher der Lichtverschmutzung sind ineffiziente, himmelwärts strahlende Beleuchtungskörper. Nächtliches Effektlicht, das früher Kirchentürmen, Schlossanlagen und bedeutenden Bauwerken vorbehalten war, verleiht nun auch Lagerhallen, Parkplätzen, Werbetafeln und Einfamilienhäusern monumentale Präsenz, Flutlichtanlagen und Skybeamer bohren ihren Lichtstrahl tief in den Nachthimmel. Durch die Streuung des künstlichen Lichts in den unteren Schichten der Atmosphäre bilden sich vor allem über Großstädten immer mächtigere Lichtglocken. Verstärkt wird der Lichtsmog durch Feinstaubpartikel, die das nach oben abstrahlende Licht reflektieren, brechen und streuen. Nicht nur in Städten, auch in ländlichen Regionen wird es nachts immer heller, z. B. rund um die im Flutlicht gleißenden nächtlichen Skipisten. Doch haben die Auswirkungen der Tatsache, dass die Helligkeit des Nachthimmels in Ballungsräumen jährlich um fünf bis zehn Prozent zunimmt, in einigen Ländern bereits ein vorsichtiges Umdenken eingeleitet. Nicht nur, weil 90 Prozent der Sterne nicht mehr sichtbar sind, sondern vor allem deshalb, weil das Ausblenden der Nacht durch schlecht konstruierte und unzweckmäßig eingesetzte Lichtquellen mit weitreichenden ökonomischen und ökologischen Konsequenzen verbunden ist. Umweltanwaltschaften, Kommunen, aber auch Fachleute aus der Beleuchtungsindustrie haben deshalb Konzepte mit streulichtarmer und effizienter Beleuchtung ausgearbeitet, denn Lichtverschmutzung ist u. a. auch eine Folge schlechten Designs und unsachgemäßer Montage. Das Verblassen des Sternenhimmels ist nur eine der Auswirkungen von Lichtverschmutzung. Dass die ausbleibende Nachtdunkelheit auf Ökosysteme negative Auswirkungen hat, ist seit Langem wissenschaftlich belegt. So werden etwa Insekten von streulichtreichen Außenleuchten mit hohem uv-Lichtanteil angesaugt, was nicht nur vielen anderen Tieren die Nahrungsgrundlage entzieht, sondern auch die Wartungskosten der Lampen drastisch erhöht. Aber auch der menschliche Organismus ist seit Jahrtausenden auf den Tag-Nacht- Rhythmus eingestimmt, zahlreiche physiologische Funktionen folgen dem circadianen Rhythmus des Körpers. Das u. a. für die Zellregeneration wichtige Hormon Melatonin wird nur bei ausreichender Dunkelheit produziert. Licht, das beispielsweise von einer Straßenlaterne in ein schlecht abgedunkeltes Schlafzimmer strahlt, kann die Produktion dieses Hormons hemmen. Derartige Störungen, wie sie etwa bei Nachtschichtarbeitern untersucht wurden, stehen im Verdacht, zu Fehlfunktionen des Körpers und zu Erkrankungen zu führen. Die who hat Lichtverschmutzung (Light at Night – lan) bereits als Krebsrisikofaktor klassifiziert, berichtet der Linzer Unfallchirurg und Astrofotograf Dietmar Hager, der sich seit vielen Jahren mit den Folgen der Lichtverschmutzung beschäftigt. Vereinigt gegen zu viel Licht Die internationale Dark-Sky-Association – eine in den usa gegründete Vereinigung von Astronomen – setzt sich bereits seit Ende der 1980er-Jahre für die Bewahrung der natürlichen Dunkelheit und für einen bewussteren Umgang mit himmelwärts strahlenden Lichtquellen ein. Tiefe nächtliche Finsternis, einst eine Selbstverständ lichkeit, bietet sich fast nur noch in sogenannten Dunkelparks (International Dark Sky Parks) wie etwa in Utah – einem der schwärzesten und reinsten der usa. Ein Vorreiter in der Bekämpfung von Lichtverschmutzung ist Slowenien, das 2007 das weltweit erste wirksame Lichtverschmutzungsgesetz erlassen hat. Darin ist beispielsweise festgehalten, dass in der Außenbeleuchtung nur Lampen eingesetzt werden dürfen, die keine Abstrahlung oberhalb der Horizontalen aufweisen. Skybeamer sind prinzipiell verboten, für die Beleuchtung industrieller Produktionsstätten gibt es festgelegte Energiehöchstwerte. Bei der Illuminierung von Gebäudefassaden dürfen maximal zehn Prozent der Lichtmenge das Objekt verfehlen. Wenn ein Gebäude einer bedrohten Tierart als Lebensraum dient, ist eine nächtliche Beleuchtung ebenso untersagt wie bei Hausfassaden, mit Wohnungsfenstern. In Deutschland gilt Augsburg als „Modellstadt für umweltfreundliche Beleuchtung“. Durch Dimmen der öffentlichen Beleuchtung bzw. eine flächendeckende Umrüstung auf Natriumdampf- bzw. led- Lampen konnte der jährliche Stromverbrauch be- 1669 Lichtsteuer in England 1687 Erste Straßenbeleuchtung in Wien mittels Talglichtern in Laternen 1783 Argand-Öllampe 12 | 13 Lob der Dunkelheit

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reits um 20 Prozent gesenkt werden. Das in Wien am häufigsten anzutreffende Modell der Straßenleuchte, ein länglicher Kasten mit einer oder zwei Leuchtstoffröhren und halbrunder Plexiglasabdeckung, strahlt rund 30 Prozent des abgegebenen Lichtes seitlich nach oben ab. Antilichtverschmutzungsinitiativen, darunter die Tiroler Plattform „Die Helle Not“ oder die oberöster reichische Kampagne „Besseres Licht“, empfehlen als Alternative zu den vor allem in Landgemeinden noch weit verbreiteten Quecksilberdampf-Hochdrucklampen ökologisch unbedenklichere Natriumdampf-Hochdrucklampen oder led-Systeme, die mit hoher Energieeffizienz und guter Farbwiedergabe punkten und als relativ insektenfreundlich eingestuft werden. Gute Umweltbedingungen können durch sogenannte Full-Cut-Off-Leuchten geschaffen werden. Ihr Licht strahlt über plane Verglasungen ausschließlich nach unten ab, wobei hochreflektierendes Innendesign die Lichtausbeute zusätzlich erhöht. Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion der ineffizienten Lichtemission ist die Teilnachtschaltung, die in zahlreichen österreichischen Kommunen bereits praktiziert wird, unter anderem in Wien, wo um 23 Uhr die Straßenbeleuchtung um die Hälfte reduziert wird. Die reflexhafte Gleichsetzung von „mehr Licht“ mit „mehr Sicherheit“ wird von Sicherheitsexperten differenziert betrachtet. Bei Wohnhausanlagen und Industriegebäuden sind Bewegungsmelder eine sinnvolle Alternative zur ununterbrochenen Lichtberieselung, für die es weder stichhaltige sicherheitstechnische noch wirtschaftliche Argumente gibt. Um Lichtverschmutzung als quantifizierbare Größe stärker ins öffentliche Bewusstsein zu bringen, werden sukzessive Lichtmessnetze errichtet: Ein zunehmend dichter Lichtkataster mit Messgeräten (Lightmetern) in urbanen und ländlichen Räumen sowie in unbesiedelten Regionen der Alpen soll aufzeigen, wie sich die nächtliche Himmelsaufhellung über die Jahre entwickelt. Dennoch scheint die Nachtdunkelheit mit ihren natürlichen Erscheinungen in den postindustriellen Gesellschaften längst noch kein Wert zu sein, für dessen Rückgewinnung sich ein bedachter Umgang mit Ressourcen zu lohnen scheint. Für einen Gesinnungswandel gibt es vorerst vereinzelte Anzeichen – und eine erhellende Metapher: Goethe soll 1832 sein Leben mit den Worten „Mehr Licht!“ ausgehaucht haben. Diese heroischen letzten Worte werden von Thomas Bernhard 150 Jahre später in seiner Erzählung „Goethe stirbt“ zum sinnfälligen „Mehr nicht!“ korrigiert. N 1798/1802 Gaslicht in englischen Manufakturen 1799, Philippe Lebon: Gaslicht-Patent 1800 Lichtbogen zwischen Kohle-Elektroden entdeckt Lob der Dunkelheit

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Licht am Tag, Dunkelheit in der Nacht | Der Mensch ist für das Leben im Freien konzipiert René Magritte zeigt in seiner zwischen 1949 und 1964 entstandenen Gemäldeserie „Das Reich der Lichter“ Variationen einer offensichtlich nächtlichen Szenerie: Aus einzelnen Fenstern dringt Licht, die anderen sind mit Läden verschlossen, auf die Fassade fällt das Licht einer Straßenlaterne. Kontrastiert wird diese Stimmung von einem strahlenden Tageshimmel. Gregor Radinger ist Lehrbeauftragter an mehreren österreichischen Universitäten, Leiter des Zentrums für Umweltsensitivität und des Lichtlabors der Donau-Universität Krems. Forschungsschwerpunkte: Querschnittmaterie Tageslichtplanung, klimagerechtes Bauen. din 5031-7, Strahlungsphysik im optischen Bereich und Lichttechnik (1984). Hammer, Renate/ Radinger, Gregor: Belichtung und Beleuchtung von Innenräumen, in: Mit Sicherheit gesund Bauen, Wiesbaden 2013, S. 202. Brandi, Ulrike/ Augustesen, Christina/ Ulrike Brandi Licht GmbH (Hamburg): Tageslicht, Kunstlicht. Grundlagen; Ausführung; Beispiele, München 2005, S. 12. Hobday, Richard: The light revolution, Forres 2006, S. 39f., 45 f. Corrodi, Michelle/ Spechtenhauser, Klaus/ Auer, Gerhard: LichtEinfall: Tageslicht im Wohnbau, Basel 2008, S. 132 f. Baker, Nick: Daylighting in architecture: a European reference book. Europäische Gemeinschaften (Hrsg.), Reprint Aufl. London 1998, Kap. 3. Brandi/Augustesen, Tageslicht, Kunstlicht, 27 f. Hausladen, Gerhard/ Liedl, Petra/Saldanha, Mike de: Klimagerecht Bauen: Ein Handbuch, Basel 2012, S. 70. 1807, George Philipps: Sinumbra-Lampe Die Gleichzeitigkeit von Tag und Nacht auf Magrittes Bildern birgt ein Irritationsmoment, das zu unterschiedlichen Betrachtungen von Licht und seinen vielfältigen Einflüssen auf bauliche Strukturen und die Menschen, die in ihnen leben, anregt. Ein Großteil der von der Sonne ausgehenden solaren elektromagnetischen Strahlung wird im Wellenlängenbereich der optischen Strahlung abgegeben. Jener Anteil von 380 nm bis 780 nm, der zwischen Ultraviolett- und Infrarotstrahlung angesiedelt ist, wird als sichtbares Licht bezeichnet. 1 Der Mensch ist grundsätzlich für das Leben im Freien unter den Bedingungen eines tropenähnlichen Klimas konzipiert: Der Lebensraum des frühen Homo sapiens in Ostafrika weist intensive Besonnung und eine jährliche Globalstrahlung von bis zu 2.500 kWh/m 2 auf, im nördlichen Europa hingegen herrscht lediglich ein Drittel dieses Strahlungsangebots. Innerhalb eines evolutionär kurzen Zeitraums von etwa 120.000 Jahren vollzieht sich ein physiologischer Adaptionsprozess, der z. B. an Haar- und Hautpigmentierung erkennbar ist und der die Wichtigkeit der solaren Strahlung für den menschlichen Organismus deutlich macht. Bis zur globalen Einführung der Elektrifizierung war die Nutzbarkeit von Innenräumen weitgehend von Tageslichtein trägen abhängig. Mit der Erfindung leistungsfähiger, künstlicher Lichtquellen sind die Menschen innerhalb weniger Generationen in den Innenraum übersiedelt und halten sich seither in Umgebungen mit stark vermindertem Strahlungs- und Lichtan gebot auf. 2 Mit Einführung der Leuchtstofflampe, die eine höhere Wirtschaftlichkeit als die Glühbirne ver - s prach, veränderten sich die Beleuchtungskonzepte rasant und führten bis hin zum Bau fast tageslichtloser Großraumbüros, die mittels automatisierter Steuerung mit Kunstlicht und Frischluft versorgt wurden. 3 Die Zunahme von saisonal affektiven Störungen (sad, „Winterdepression“) ist u. a. auf verminderte Lichtexposition der betroffenen Menschen zurückzuführen. 1813 Gasbeleuchtung London Entsprechende Gebäude planung ist zur Vorbeugung dieser Krankheiten besonders geeignet – etwa durch Maßnahmen zur Sicherstellung eines adäquaten Lichtangebots im Innenraum, aber auch durch attraktive, leicht zugängliche Freibereiche. Diese sollen ausreichend Helligkeit und Exposition zu physiologisch rele vanter ultravioletter Strahlung, die den Innenraum aufgrund der Transmissionseigenschaften von Verglasungen nicht erreichen kann, garantieren. 4 Licht und Baukörper Der Eintrag und die Verteilung von diffusem und direktem Sonnenlicht sowie die bauliche Verschattungssituation werden mit der Gebäudeorientierung und räumlichen Strukturierung des Baukörpers festgelegt. Dabei sind die wesentlichen Komponenten, über die sich der Lichteinfall in den Innenraum steuern lässt, Gebäudehöhe, Raumtiefe, Modulation des Baukörpers sowie die Anordnung und Größe von Fensteröffnungen. Dazu kommen Einflussfaktoren wie die Lichttransmissionseigenschaften von Verglasungen und Rahmenanteile von Fenstern. 5 Große Raumtiefen erfordern entweder zwei- bzw. mehrseitige Belichtung über Fassaden oder Öffnungen in der Dachfläche. Diese sind zur Raumbelichtung besonders geeignet, da sie den Eintritt von zenitalem Licht ermöglichen, das im Falle eines gleichmäßig bedeckten Himmels die dreifache Intensität von horizontalem Licht aufweist. 6, 7 In gemäßigten Klimazonen kommt vor allem der Gebäudehülle die komplexe Aufgabe zu, Lichteintrag und passiv solare Gewinne im Winter zu ermöglichen und sommerliche Überwärmung hintanzuhalten. Dieses Zusammenwirken von thermischen und visuellen Gebäudeeigenschaften wird vordergründig von orientierungsabhängigen Verglasungsanteilen von Fassaden beeinflusst, die auf das je nach Ausrichtung vorhandene Strahlungsangebot abgestimmt werden. Die Tageslichtversorgung kann dabei durch entsprechende Position und Proportion der Fenster begünstigt werden. 8 Natürliches Licht ist eine hochwertige und kostenfrei zur Verfügung stehende Ressource. Daher ist die Tageslichtautonomie, also eine ausreichende natürliche Belichtung von Räumen während des Tags ohne zusätzlich künstliche Beleuchtung, 1818 Erste Gasbeleuchtung in Wien 14 | 15 Licht am Tag, Dunkelheit in der Nacht

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Posch, Thomas/ Freyhoff, Anja/ Uhlmann, Thomas: Das Ende der Nacht: Die globale Lichtverschmutzung und ihre Folgen, Weinheim 2010, S. 137 f. Zagler, Thomas: Entwicklung eines Messgerätes zur Messung von Vollmondhelligkeiten, Master Thesis Donau-Universität Krems (2012). 1826, John Walker: Reibzündholz ein wesentliches Raumcharakteristikum. Ist zur Raumbeleuchtung künstliches Licht notwendig, soll dieses einer qualitativen Betrachtung unterzogen werden, die neben energierelevanten und wirtschaftlichen Aspekten auch die spektrale Zusammensetzung des ausgesendeten Lichts mitein bezieht. Erkenntnisse aus der fotobiologischen Forschung legen nahe, Lichtemissionen mit starken Blauanteilen während den Nachtstunden beson ders vorsichtig einzusetzen. Diese können die Schlaf-Wach-Rhythmik und andere hormongesteuerte Prozesse des menschlichen Organismus am leichtesten beeinflussen. 9 Aus Sicht der Physio logie ist festzuhalten, dass einer entsprechenden Versorgung mit Licht während des Tags auch angemessene Dunkelheit während der Nacht gegenüberzustellen ist, die aufgrund des hohen kunstlicht generierten Beleuchtungsniveaus speziell in dicht verbauten Gebieten nicht gegeben ist. 10 Vor diesen Hintergründen wächst die Bedeutung der Licht planung weit über das Sichtbarmachen der Dinge und die Inszenierung von Räumen hinaus. Als Querschnittmaterie sind ihre Aufgaben nicht nur im Bereich ökologischer und wirtschaftlicher 1830 Paraffinkerze Aspekte angesiedelt, sondern auch auf gesundheitlicher Ebene relevant. René Magrittes traumartige Bilderserie ist eine Inspirationsquelle für den bewussten Einsatz von Licht und dessen weitreichenden Einfluss auf unser tägliches Leben. N 1832 Johann Wolfgang von Goethe sagt: „Mehr Licht!“ Licht am Tag, Dunkelheit in der Nacht

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Die Stadt als Luna Park | Boom und Krise des urbanen Lichts Andre Krammer ist Architekt und Urbanist in Wien. Denn die einen sind im Dunkeln Und die andern sind im Licht. Und man siehet die im Lichte Die im Dunkeln sieht man nicht. aus: Bertolt Brecht: Dreigroschenoper 1930 Die Geschichte des urbanen Lichts ist so alt wie die Stadt selbst und dennoch kann gegenwärtig eine vertiefte Auseinandersetzung mit Fragen der städtischen Beleuchtung festgestellt werden. Immer mehr europäische Städte und Kommunen verfügen bereits über Lichtmasterpläne oder sind dabei, einen auszuarbeiten. Der Plan Lumière stellt eine vergleichsweise junge städtebauliche Disziplin dar, deren Aufkommen als Symptom gelesen werden kann, das einerseits auf eine Krise des urbanen Lichts hinzudeuten scheint, andererseits auch als Vorzeichen eines Aufbruchs interpretiert werden kann. Die Dialektik zwischen Tageslicht und Schatten, Insbesondere die Beleuchtung und Dunkelheit hat die Geschichte Dunkelheit wurde der Stadt entscheidend mitgeprägt. schon im Altertum als Anomalie betrachtet, nicht zuletzt da nachts feindliche Angriffe von außerhalb der Stadtmauern drohten, aber auch Verschwörungen im Inneren. Der lange Weg, der von den Öllampen auf der antiken Agora zur leuchtenden Stadt, zur „city that never sleeps“ führt, kann als fortschreitende Emanzipation vom Tag-Nacht-Rhythmus der Natur betrachtet werden. Lange Zeit waren tatsächlich nur zentrale Plätze und Hauptstraßen beleuchtet, während schon in den Nebenstraßen Finsternis einsetzte. Bis hinein in die Moderne war der beleuchtete Außenraum primär Anliegen und Privileg städtischer Eliten. Ironischerweise führte nicht zuletzt die im industriellen Zeitalter aufkommende Nachtarbeit und die damit verbundene Beleuchtung der Nachtschicht zu einer Ausweitung künstlicher Beleuchtung im privaten wie öffentlichen Bereich. Licht – das darf nicht vergessen werden – ist per se ein schillernder Begriff, der nicht nur an wahrnehmungsbezogene, historische und technologische Aspekte gebunden ist, sondern auch eine zentrale Bedeutung in (bio)politischen, geistesgeschichtlichen, religiösen und ideologischen Diskursen einnimmt. So ist Licht untrennbar mit dem Sehen, dem Erkennen und dem Interpretieren verbunden. Der französische Phänomenologe Maurice Merleau-Ponty hat darauf hingewiesen, dass Sehen – neben automatisierter Wahrnehmung – immer auch Denken ist. Auch die Epoche der Aufklärung verstand sich als eine Bewegung, die vom Dunkel (des Mittelalters) zum Licht hin, vom Irrationalen zum Vernünftigen führen sollte. Doch die dem Licht innewohnende Dialektik lässt sich nie gänzlich auflösen: Wo Licht ist, ist immer auch Schatten, Dunkel. In der Moderne wird die Tradition, Dunkelheit, Unsichtbarkeit und Verborgenheit mit Rückständigkeit, Irrationalität und Kriminalität gleichzusetzen, weitergeführt. Und dem Licht wird ein Geschwister zur Seite gestellt. Glas und Licht sind das Paar, das den raumpolitischen Diskurs zu Themen der Transparenz, Überwachung und Kontrolle bis heute mitbestimmt. Rückblick Städtebauliche Reformen, ob sie nun politisch, po lizeilich, sozialreformerisch oder ästhetisch mo tiviert waren, führten in der Stadtgeschichte tendenziell zu einer Auflösung labyrinthischer, undurchsichtiger Stadtstrukturen und zu einem vermehrten Durchleuchten der Stadt. Schon unter Napoleon dem Dritten und seinem Präfekten Haussmann wurden Sichtachsen durch die verwinkelte und unübersichtliche Bausubstanz alter Stadtquartiere geschlagen, um die Stadt auch nach Maßgabe po lizeilicher Kontrollierbarkeit neu zu ordnen. Auch heute werden Fragen der Sichtbarkeit und der Beleuchtung eng mit Strategien der Kriminalprävention verbunden. Der Städtebau der Moderne – nicht zuletzt aufgrund der menschenunwürdigen Lebensbedingungen in Elendsquartieren und lichtfernen Mietskasernen sozialreformerisch engagiert – hat auf mehr Licht, Raum und Hygiene gesetzt. Das Primat der natürlichen Belichtung führte so auch zur Auflösung spannungsgeladener, funktional wie räumlich verdichteter Stadtstrukturen und so wurde eine sich bis heute in den Bauordnungen auswirkende Tradi - tion begründet, die Regelungen zur Minimierung von Verschattung in den Vordergrund stellt und dabei zwischenräumliche Qualität vernachlässigt. 1839, Alexandre Edmund Becquerel: Entdeckung des fotovoltaischen Effekts als Voraussetzung der Solarzellen 1857, Heinrich Geißler: Geißlersche Röhre 1862, Justus Liebig: Acetylengas für die Karbidlampe 16 | 17 Die Stadt als Luna Park

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Aber auch die technologische Entwicklung hat die Geschichte der städtischen Beleuchtung entscheidend geprägt. Waren Öllampen bis zum Ende des 17. Jahrhunderts im Einsatz, eroberte, ausgehend von England, um 1800 das Gaslicht die europäischen Städte und schließlich am Ende des 19. Jahrhunderts die elektrische Beleuchtung. Fortan begann ein Wetteifern von Parallelentwicklungen, das bis heute andauert. Leuchtstofflampen, Quecksilberdampf- und Natriumdampf-Hochdrucklampen kamen im Laufe des 20. Jahrhunderts dazu und führten zu einer additiven Ausdehnung und Mischung der Systeme und somit zu einer zunehmenden Heterogenität des Nachtbilds der Städte. Derzeit ist die Licht emittierende Diode, die led, dabei, die Stadträume zu erobern. Heute geht die Beleuchtung längst über die Zur Sicherheitsbeleuchtung ist die funktionale Straßenbeleuchtung hinaus. Effekt- und Akzentbeleuchtung dazugekommen, in der Licht primär als Gestaltungselement eingesetzt wird, etwa im Bereich von Schaufenstern, aber auch zur Anstrahlung von Bauobjekten wie historischen Gebäuden, Brücken und Denkmälern. Die Inszenierung der nächtlichen Stadt geht auf so unterschied- liche Entwicklungen zurück wie jene der Beleuchtung des städtischen Vergnügens, des „Luna Park“, der als „Electric Eden“ mit tausend Lämpchen in den Nachthimmel leuchtete, aber auch auf missbräuchliche Verwendung zu Propagandazwecken, wie sie im Rahmen von Parteitagen und Kundgebungen der Nationalsozialisten und anderer totalitärer Regime stattgefunden hat. Mehr Dunkel! – Die Krise des urbanen Lichts Das rasante Anwachsen an künstlicher Lichtemission hat kritische Stimmen laut werden lassen, die eine fortschreitende Lichtverschmutzung thematisieren. Die Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus und das Schwinden der Nacht werden im Rahmen der Chronobiologie in ihren negativen Auswirk ungen auf Menschen und Tiere untersucht, während die Scotobiologie die Funktion der Dunkelheit im Biorhythmus von Lebewesen erforscht. Zudem wird der enorme Energieverbrauch durch ein Übermaß an künstlicher Beleuchtung angeprangert. Auf internationaler Ebene wurden erste Initiativen gestartet und Deklarationen verabschiedet, wie die Declaration in Defence of the Night Sky and the Right to Starlight in La Palma 2007 oder die Richt linien der unesco-Starlight Reserves, die für die Kernzone von Schutzgebieten das Vollmondkri- 1865, James Clerk Maxwell: Theorie der klassischen Elektrodynamik führt zur Elektrizitätslehre 1866, Werner Siemens: Dynamomaschine 1879, Thomas Alva Edison: Kohlefadenglühlampe Die Stadt als Luna Park

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terium empfehlen, welches eine maximale künstliche Beleuchtung unter der maximalen natürlichen ansetzt. Auf eu Ebene sind seit 2009 u. a. zwei neue eu-Verordnungen in Kraft, die Details der Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie in Bezug auf Beleuchtung regeln. Die weltweit in Entstehung begriffene Rechtauf-Dunkelheit-Bewegung betrachtet die nächtliche Dunkelheit als schützenswertes Kulturgut und in letzter Konsequenz als allgemeines Menschenrecht. Der Plan Lumière – die leuchtende Stadt 1989 wurde in Lyon ein erster städtebaulich orientierter Lichtmasterplan erstellt, der ein Gleichgewicht aller Formen von Kunstlicht im öffentlichen Raum anstrebte. Seither haben auch Städte wie Hamburg, Dresden, Bamberg, Köln, Rotterdam, Luzern, Basel, Zürich und Wien nachgezogen, aber auch eine Reihe von kleineren Städten, hierzulande etwa die Statuarstadt Wels oder die Stadtgemeinde Freistadt. Allen Konzepten gemein ist die Zielsetzung einer übergeordneten Lichtatmosphäre durch Vereinheitlichung der Grundfarbe bzw. durch Reduktion auf ein Grundvokabular. Ein möglichst gleichmäßiger Lichtteppich soll ein möglichst gleichmäßiges Sehen im öffentlichen Raum erlauben, auch zur Steigerung der subjektiven und objektiven Sicherheit des Einzelnen. Lichtakzente und punktförmige Anstrahlungen sollen zum Hinsehen verleiten und kommerzielles Licht darf zum Ansehen verführen. Sowohl den Bedürfnissen der Stadtbewohner als auch der Touristen soll durch eine verbesserte räumliche Wahrnehmung und Orientierung Rechnung getragen werden. So werden Räume und Objekte hervorgehoben, andere ausgeblendet. Der Stadtgrundriss wird interpretiert und Natürlich dient gleichsam mit Leuchtfarben nachgezogen, gezielt eingesetztes Licht nicht Blickbe ziehungen werden hergestellt und zuletzt auch einem Stadtsilhouetten geschaffen. ökonomisch ausgerichteten Stadtmarketing, der City Beauti fication. Die leuchtende Stadt soll im mondänen Abendkleid präsentiert und für den Konkurrenzkampf mit anderen Städten aufgerüstet werden. Bei aller Vergleichbarkeit der Konzepte fallen auch einzelne Schwerpunktsetzungen und Akzentverschiebungen auf. So wird im Plan Lumière der Stadt Zürich eine „poetische nächtliche Atmosphäre“ angestrebt, während im Luzerner Plan nüchterner von einem „einzigartigen Abendkleid ohne auf ge setzte Licht effekte“ die Rede ist. Ein besonderes Augenmerk gilt in den Lichtmasterplänen auch der Betrachtung des mit der Beleuchtung verbun denen Energieverbrauchs, der angestrebten Senkung zukünftiger Unterhaltskosten und der Reduzierung vermeidbarer Lichtemissionen. In Wien wurde 2006 von der Magistratsabteilung 33, der Abteilung für öffentliche Beleuchtung, ein Lichtmasterplan in Auftrag gegeben, der vom Verkehrsplanungsbüro fcp und dem Lichtplaner büro podpod gemeinsam mit der ma 33 und der ma 19 erarbeitet und 2008 der Öffentlichkeit prä sentiert wurde. Auch dieses Konzept sieht eine Vereinheitlichung der Lichtsprache vor, setzt Beleuchtungsprinzipien für Haupt- und Nebenstraßen und Akzentbeleuchtungen fest. Ein verbindlicher Leuchtenkatalog wurde erstellt. Medial wirksam wurden im Rahmen der untergeordneten Planung für den lichtraum Donaukanal – ebenfalls podpod – die Schwedenbrücke, die Salztorbrücke und die Marienbrücke in Rot, Gelb und Blau ein gefärbt. Zwischen Spektakel und Maßhalten In der Epoche der Romantik kam es als Gegenreaktion zur einsetzenden Moderne, die nicht zuletzt mit einer rasanten Verstädterung verbunden war, zu einer Beschwörung der Nacht – man denke an die „Hymne an die Nacht“ des Dichters Novalis – auch als eine Metapher für verloren gegangene natürliche und naturnahe Lebensumstände. Auch die gegenwärtige globale Dark-Sky- Bewegung lässt da und dort neoromantische Untertöne anklingen, in die sich auch immer wieder antiurbane Ressen timents mischen. Auf der anderen Seite stehen die unwiderlegbaren negativen Folgen, die der unkoordinierte Einsatz von privater und öffentlicher Beleuchtung in der Stadt zeitigt, die nicht zuletzt zu einem allzu spektakulären und überzeichneten Nachtbild der Stadt geführt haben, das den Schlachtruf „Mehr Dunkel!“ nachvollziehbar erscheinen lässt. Aus diesem Spannungsverhältnis erklärt sich wohl auch der Trend zum Plan Lumière. Die Chance läge tatsächlich in einer orchestrierten Lichtplanung, die auf Reduktion und Zurückhaltung setzt und für die Stadt ein angemessenes Abendkleid entwirft, Effektbeleuchtungen auf wichtige, der Orientierung dienende Gebäude und Bauwerke von nachweislich öffentlicher Bedeutung 1880 Johann Kremenezky installiert 40 Lampen im Wiener Volksgarten 1881 1. österr.-ungar. Fabrik für elektrische Beleuchtung und Kraftübertragung Wien 1883 „Internationale Elektrische Ausstellung“ in der Rotunde im Wiener Prater 18 | 19 Die Stadt als Luna Park

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beschränkt und die Auswüchse privater Licht - spiele, wie sie flimmernde led-Fassaden darstellen, in Grenzen hält. Es fällt auf, dass Lichtmasterpläne bisher meist auf das Stadtzentrum sowie einige radiale Achsen fokussieren. Die restliche Stadt wird gerne ausgeblendet, im Dunkeln gelassen und damit werden bestehende Disba lancen der Stadtentwicklung eher verstärkt, als unterlaufen. Beleuchtung könnte aber gerade in Randbereichen gezielt als urbane Avantgarde eingesetzt werden, um übergeordnete Zusammenhänge (wieder) herzustellen. Die räumliche Les barkeit peripherer Gebiete könnte durch inno vative Lichtplanung verbessert und so eine um fassendere Stadtlektüre ermöglicht werden. Kunstlicht wäre dann ein Agent Provocateur zur Aktivierung der Stadt – auch jenseits der bereits gut ausgeleuchteten Mitte. N 1884 Elektrizitätsausstellung in Steyr – Beleuchtung mit Glüh- und Bogenlampen 1884 Erstes öffentliches Elektrizitätswerk in Berlin 1885, Carl Auer von Welsbach: Gasglühstrumpf Die Stadt als Luna Park

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Dialog mit der Erleuchtung | Die nächtliche Straße als Interface zwischen Mensch, Raum und Auto Es gibt unzählige Möglichkeiten, den öffentlichen Freiraum zu illuminieren. Aus Kostengründen, aber auch als Eingeständnis an die Forschung und Entwicklung tritt der Straßenraum dabei immer öfter in Interaktion mit dem Menschen. Wojciech Czaja ist freischaffender Architekturjournalist und arbeitet hauptsächlich für die Tageszeitung Der Standard. Die erste Straßenbeleuchtung gab es schriftlichen Überlieferungen zufolge schon 300 vor Christus. Im syrischen Antiochia am Orontes, dem heutigen Antakya im südlichsten Zipfel der Türkei, wurden über den Köpfen der Marktbetreiber Öle und tierische Fette verbrannt. Nachdem im Mittelalter sämtliche Errungenschaften erloschen, flackerte das Licht auf der Straße erstmals wieder 1667 in Paris auf. 20 Jahre später wurde auch in Wien die erste „Verordnung zur Illuminierung von Straßen und Plätzen“ erlassen. Knapp 200 Jahre später wurden die Kan delaber auf der Straße erstmals elektrifiziert. Interagierendes Licht Das Medium entfaltet ungeahnte Tiefen für die Gestaltung des öffentlichen Freiraums. Die sukzessive Umrüstung auf led, die in vielen europäischen Städten derzeit über die Bühne geht, ist nur die Spitze des Leuchtturms. Weitaus spannender sind die Forschungen und Entwicklungen im Bereich der Interaktion. Will heißen: Das Licht auf der Straße brennt nicht mehr die ganze Nacht, wie dies heute der Fall ist, sondern wird in Zukunft spezifisch auf das jeweilige Verkehrsaufkommen reagieren – unabhängig davon, ob sich dieses in bereifter oder besohlter Manier manifestiert. 2010 brachte der niederländische Elektronikriese Philips das Produkt LumiMotion auf den Markt. Mithilfe von Sensoren und drahtloser Kommunikation erkennen die Straßenlaternen unabhängig voneinander, wann sich ein Fußgänger und Radfahrer nähert, und können das Licht entsprechend auf- und abdimmen. Erstmals eingesetzt wurde das Produkt in Berkel-Enschot in den Niederlanden. Auch im deutschen Göttingen testet der Konzern in einem Wohngebiet auf einer 500 Meter langen Strecke 50 led-Leuchten, die mit Bewegungssensoren ausgestattet sind und sich bei Bedarf einschalten. Anders als in Berkel-Enschot werden die ungebrauchten Lampen nicht ausgeschaltet, sondern lediglich auf 20 Prozent Leistung heruntergedimmt. Auf diese Weise sollen allzu starke Kontraste zwischen Hell und Dunkel, die auf das menschliche Auge irritierend wirken, vermieden werden. In Österreich ist ein ähnliches Produkt von Lixtec, einer Tochter des oberösterreichischen Technologieunternehmens Abatec, im Einsatz. In Bruck an der Mur wird die Straßenbeleuchtung zwischen 23 und 6 Uhr ebenfalls auf zehn bis 20 Prozent gedimmt. Kommt ein Auto, kommt das Licht. Weitaus aufwendiger ist die Interaktion aus Mensch und Licht, wenn höhere Geschwindigkeiten im Spiel sind – etwa auf Land- und Bundesstraßen. Statt einer punktuellen Ausleuchtung muss in diesem Fall bereits die künftige Fahrtroute illuminiert werden. Das sogenannte „Adaptive Street Light Control System“, das vom Wiener Unternehmen Illuminetsys entwickelt wurde, hilft dabei, nicht nur den Verlauf der Straße sichtbar zu machen, sondern auch den viel längeren Reaktions- und Bremsweg im Autoverkehr zu berücksichtigen. Der Clou: Das gesamte System ist dezentral organisiert. Anstatt das Auto bei jeder Straßenlaterne neu zu erfassen, zu erkennen, zuzuordnen und schließlich den Algorithmus für das Beleuchtungsschema anzuwenden, werden die einmal gewonnenen Daten in Fahrtrichtung des Objekts von einer Laterne zur nächsten so lange weitergegeben, bis sich die Situation aufgrund einer Änderung der Fahrtrichtung oder Geschwindigkeit ändert. Ausschalten, wenn man es nicht braucht Eine Studie der Sandia National Laboratories in Albuquerque, New Mexico, belegt, dass mit dem Einsatz von energieeffizienten Beleuchtungskörpern der Energieverbrauch nicht sinkt, sondern langfristig sogar steigt. Je besser die Lichtquelle, desto häufiger, länger und unbedachter werde sie eingesetzt, so die Studienautoren. „Einen Kurswechsel können wir nur dann erzielen, wenn wir unser Verhalten ändern“, sagt Martin Kernbichler, Geschäftsführer von Illuminetsys. „Einschalten, wenn wir’s brauchen, ausschalten, wenn wir’s nicht brauchen. Das ist die einzige Lösung.“ Bis zu 70 Prozent Lichtstrom im Straßeneinsatz könnten auf diese Weise reduziert werden. 22 Prozent der in den usa generierten Energie werden für Beleuchtung ausgegeben. In den restlichen Ländern ist der Wert mit rund 20 Prozent des globalen Energiegewinns sehr ähnlich. Allein die Beleuchtung des öffentlichen Raums nimmt davon ein gutes Drittel ein. Geht es nach Künstlern, Forschern und Technologieentwicklern, könnten die klassischen Straßenlaternen in einigen Jahrzehnten bereits komplett aus dem Stadtbild verschwunden sein. In der Entwicklung dahin sind die futuristisch anmutenden Beleuchtungsdrohnen, die etwa 2014 in Singapur temporär im Einsatz waren, nur ein Lichtbaustein von vielen. Die beiden deutschen Forscherinnen Tanja Siems und Katharina Simon von der Bergischen Universität in Wuppertal arbeiten daran, Straßenraum, Beleuchtung und Verkehrsbeschilderung zu einem einzigen Medium zusammenzufassen. Nanozellen auf der Fahrbahn könnten auf diese Weise zum multifunktionalen Interface für Autofahrer werden. 1886 1. Elektrizitätsversorgungsunternehmen Österreichs Scheibbs 1889, Carl Auer von Welsbach: Metallfadenglühlampe 1891 Übertragung von hochgespanntem Drehstrom 20 | 21 Dialog mit der Erleuchtung

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Wer glaubt, das sei Zukunftsmusik, der irrt. Einige Unternehmen forschen bereits daran, die Bodenmarkierung auf den Straßen und Autobahnen mittels led und digitaler Vernetzung interaktiv zu gestalten. Die Streifen zwischen den einzelnen Fahrbahnen übernehmen dabei nicht nur die Rolle der Beleuchtung, sondern reagieren auch auf das Verkehrsaufkommen beziehungsweise auf Baustellen, indem sie etwa von einer unterbrochenen zu einer durchgehenden Linie mutieren und den Autofahrer auf diese Weise zur Temporeduktion auffordern. Experten zufolge sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Technologie markt- und straßenreif wird. Beim Projekt „Smart Highway“ in Oss in den Niederlanden wurde bereits ein 500 Meter langes Teilstück mit einer fluoreszierenden Bodenmarkierung ausgestattet. Dabei wird dem Material der Fahrbahnmarkierung phosphoreszierendes Pulver beigemischt, das tagsüber Sonnenlicht aufnimmt und nachts in drei unterschiedlichen Grünabstufungen wieder abgibt. „Gerade für Länder und Regionen, wo Strom teuer oder nur schwer zugänglich ist, wäre der Smart Highway eine gute Methode, um mehr Sicherheit in den Straßenverkehr zu bringen“, sagt Roland de Waal, Direktor des niederländischen Unternehmens Heijmans. Der wohl alltagstauglichste und poetischste Beitrag, wenn es um die Illuminierung des öffentlichen Freiraums geht, stammt vom englischen Straßenunternehmen Pro-Teq Surfacing in Surrey im Südwesten Londons. Der sogenannte „Starpath“ wird dabei flächendeckend mit einer phosphoreszierenden Schicht besprüht, die bei Dunkelheit Strahlkraft entfaltet und auf diese Weise zur Orientierungshilfe wird. Nach fünf Jahren Forschungsund Entwicklungsarbeit ist Starpath nun seit Kurzem am Markt. Der erste nachts leuchtende Weg wurde in einem Park in Cambridge realisiert. Es folgten Geh- und Spazierwege in Swansea, Newcastle und London. Sogar in Polen wurden bereits die Sterne vom Himmel geholt. Nach Öl, Fett, Talg, Gas und Strom ist nun eine neue Ära des Erleuchtens angebrochen. N 1895 148 öffentliche E-Werke in Deutschland 1896 Klagenfurter Stadtverwaltung lehnt Elektrifizierung der Stadt ab 1901, Peter Cooper-Hewitt: Quecksilberdampflampe Dialog mit der Erleuchtung

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Gut ausgeleuchtet | Regelwerke zur Straßenbeleuchtung Franz Luisi ist Vorstandsmitglied der Lichttechnischen Gesellschaft Österreichs und Teil des Forschungsvereins Straße und Verkehr sowie des Österreichischen Instituts für Schul- und Sportstättenbau. Nikolaus Thiemann ist ebenfalls Vorstandsmitglied der Lichttechnischen Gesellschaft Österreichs und Leiter des „Arbeitskreises für öffentliche Beleuchtung und Energieverbrauch“ (AKÖB) sowie diverser Normenkomitees im Bereich Lichttechnik. Wir Menschen mögen uns zwar schon gesellschaftlich an künstliches Licht gewöhnt haben, aber sicher nicht aus biologischer Sicht! Unser kognitives „Verhalten“ während der Fortbewegung in den Dunkelstunden unterscheidet sich deutlich von unseren Fähigkeiten zur Fortbewegung am Tag. Beispielsweise sind der Informationsverlust durch die vom künstlichen Licht nicht ausgeleuchtete Umgebung, die „Maskierung“ oder „Verfremdung“ von Objekten, Personen oder Hindernissen durch künstliche Beleuchtung, aber auch die Blendung durch das Licht ein Teil der Defizite, die wir gelernt haben, bei künstlicher Beleuchtung zu akzeptieren. Beim Bewegen im nächtlichen Außenraum merkt man jedoch rasch diese Mängel, etwa wenn man „nichts mehr sieht“, da man durch das Licht eines entgegenkommenden Fahrzeugs geblendet wird, oder wenn man als Fußgänger durch unzureichende Beleuchtung der Umgebung diese nicht erkennen kann und man sich so unwohl oder sogar bedroht fühlt. „Licht ist Leben“ hat somit für zahlreiche Situationen im Bereich der Außenbeleuchtung besondere Bedeutung. Von diesem Wissen ausgehend ist es daher grundlegend, dass bei der Erstellung von Normen, Richtlinien oder Regeln lichttechnische Bestimmungen, Grenzwerte etc. dem Menschen und der menschlichen Wahrnehmung angepasst sind. Auch sollten diese Normen- bzw. Regelwerke in der Praxis nachvollziehbar und praktisch anwendbar sein. Die lichttechnischen Grundlagen der Straßenbeleuchtung, die in Normen zusammengefasst sind, gelten als Regel der Technik und werden in vorge gebenen Intervallen dem Stand der Technik angepasst: Normenreihe ÖNORM EN 13201 Diese Normenreihe ist die Grundlage der lichttechnischen Planungen, Berechnungen und Messungen von Straßenbeleuchtungsanlagen. Auf Basis der örtlich gegebenen verkehrstechnischen Parameter können damit die erforderlichen lichttechnischen (Mindest)Kennwerte der Straßenbeleuchtung ermittelt werden. Zur praktischen Anwendung wurde von der Lichttechnischen Gesellschaft Österreichs (ltg) ein frei verfügbares Planungstool auf der Homepage des Arbeitskreises öffentliche Beleuchtung und Energieverbrauch (aköb, www.ltg-aussenbeleuchtung.at) erstellt. Die notwendigen lichttechnischen Wartungswerte (Mindestwerte) einer Straßen- oder Wegbeleuchtung können mithilfe dieses Planungstool „step by step“ ermittelt werden, begleitet durch normative Informationen und Hin- weise. Auf diesen derart ermittelten Kennwerten aufbauende Licht-Berechnungsprogramme (dialux, reilux etc.) bieten für die detailliertere Planung oftmals auch Anbindungen zur 3d-Visualisierung der gesamten Beleuchtungsanlage an. Dieser „Komfort“ verleitet aber dazu, die „vereinfachte“ Theorie der Planung mit der Praxis gleichzustellen, und oftmals ist die Verwunderung nach Errichtung der Beleuchtungsanlage groß, wenn das Projekt dann doch anders „wirkt“ als theoretisch simuliert. Die Vielfalt an Lösungsmöglichkeiten, welche die Lampen- und Leuchtenindustrie bietet, kombiniert mit den Freiheiten, die die Umsetzung einer solchen Anlage bietet, ist nur durch genaue Kenntnis der Zusammenhänge zwischen Beleuchtungstechnologie, menschlicher Wahrnehmung und den örtlichen Gegebenheiten optimal nutzbar. Eine entsprechende, praxisorientierte und auch international anerkannte Wissensvermittlung dazu bietet beispielsweise die Ausbildung zum zertifizierten Lichttechniker, die gemeinsam von der ltg und dem österreichischen Normeninstitut (asi) sowohl für die Außen- als auch die Innenbeleuchtung angeboten wird. ÖNORM O 1051 Da die Straßenverkehrsverordnungen (stvo) der einzelnen eu-Länder nicht harmonisiert sind, werden in dieser Norm die lichttechnischen Anforderungen an Konfliktzonen, die der österreichischen stvo entsprechen (Schutzwege, Kreisverkehre, Parkplätze etc.), festgelegt und deren praktische Umsetzung auch mithilfe von Anwendungsskizzen erklärt. Besonderes Augenmerk wurde auf die Beschreibung der Beleuchtung von Schutzwegen gelegt, da – den örtlichen Gegebenheiten folgend – oftmals mehrere Varianten von Beleuchtungssystemen als mögliche Lösungen zugelassen sind. ÖNORM O 1053 Diese Norm ist als Ergänzung zur Normenreihe önorm en 13201 zu sehen, um auch eine normgerechte Beleuchtungsanlage für zeitlich variierendes Verkehrsaufkommen errichten zu können. Da oftmals in den Dunkelstunden die Kfz-Anzahl im Vergleich zum Tag deutlich geringer ist, die Normen reihe en 13201 dies aber nicht entsprechend berücksichtigt, werden in dieser Norm Verfahren aufgezeigt, wie man bei geringem Verkehrsaufkommen die Straßenbeleuchtung ordnungsgemäß planen und betreiben sowie zusätzlich Energie sparen und Umweltbelästigungen reduzieren kann. 1905, Albert Einstein: Entdeckung der Photonen 1906 Wolframlampe 1910 Neonlampe 22 | 23 Gut ausgeleuchtet

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ÖNORM O 1052 Die sinnvolle und praktische Vermeidung von Lichtimmissionen durch die öffentliche Straßenbeleuchtung in Bezug auf den Menschen und seine Umwelt wird u. a. in dieser Norm dargelegt. Die Auswirkung der Wohnraumaufhellung von Anrainern sowie die Beeinträchtigung von Flora und Fauna, aber auch die unerwünschte Himmelsaufhellung werden thematisiert. RVS 05.06.11 und 12 In diesem umfassenden Regelwerk wird die Blendungsbegrenzung für den Verkehrsteilnehmer von nicht der Sicherheit dienenden Beleuchtungsanlagen mit besonderem Bezug auf visuelle Informationsträger (z. B. Werbeschilder) geregelt. Der Zweck der öffentlichen Straßenbeleuchtung ist, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Anforderungen an wirtschaftliche Kriterien sind insbesondere in der Planungsphase zu berücksichtigen. Technik und Wirtschaftlichkeit sind keine getrennten Zugänge, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Die Qualität von Leuchte, Leuchtmittel (Lampe) und Betriebsgerät wirkt maßgebend auf die Anschaffungs- und Betriebskosten, die sich aus Energiekosten und Instandhaltungskosten zusammensetzen, ein. Energiekosten werden durch den Anschlusswert der gesamten Beleuchtungsanlage und nicht nur durch den Vergleich einzelner Leucht- mitteltypen bestimmt. Instandhaltungskosten sind immer vom jeweiligen Projekt abhängig. Pauschale, allgemein gültige Berechnungen ergeben über die Nutzungsdauer von circa 35 Jahren keine brauchbaren Ergebnisse zur Budgeterstellung. Die Umsetzung der normativen Grundlagen in Planung und Ausführung eines Beleuchtungsprojekts kann nur durch Fachleute gewährleistet werden. Außenbeleuchtungsanlagen prägen das Erscheinungsbild des öffentlichen Raums. Schon bei den ersten Straßenbeleuchtungen war das dekorative Element ein wesentlicher Bestandteil. Die technische Entwicklung, besonders die der Miniaturisierung der Leuchtmittel, hat dem Design von Leuchten bzw. Lichtpunkten noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten gegeben, welche vor allem bei Tageslicht zum Ausdruck kommen. Die Lichtfarbe bzw. die Farbtemperatur des Leuchtmittels beeinflussen die visuelle Wahrnehmung in subjektiver und objektiver Hinsicht. Der Einsatz der „richtigen“ Lichtfarbe ist einerseits von der Gestaltung des Umfelds (z. B. Fußgängerzonen, Wohnsiedlungsstraßen, Durchzugsstraßen etc.), andererseits von der Sehaufgabe des Menschen abhängig (Fußgänger, Kfz-Lenker). Warmweiße Lichtfarben (um 3.000 K) werden besonders bei geringen Beleuchtungsniveaus als „angenehm“ empfunden, neutral weiße Lichtfarben (um 4.000 K) erhöhen den Kontrast und die Aufmerksamkeit. N 1913 4.040 öffentliche E-Werke in Deutschland 1923 Elektrisches Licht ersetzt nach und nach Gasbeleuchtung in Wien 1955 Erste technische Anwendung von fotovoltaischen Zellen Gut ausgeleuchtet

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Licht im Gleichschritt | Technologie aus der Quantenphysik Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer lebt in Wien. Er schreibt, erzählt und zeichnet Wissenschaftliches, für die TU Wien, für futurezone.at und andere Medien. Technologie aus der Quantenphysik Der Laser beruht auf Ideen, die Albert Einstein Kopf zerbrechen bereiteten. Was als scheinbar nutzloses Kuriosum begann, ist heute ein wichtiger Bestandteil unseres technologischen Alltags. Die Lasertechnologie findet sich in ganz unterschiedlichen Geräten, im Barcode-Scanner der Supermarktkasse genauso wie beim Laserskalpell in der Augenchirurgie. Eine ganz besondere Bedeutung hat das Quanten-Licht des Lasers für die Messtechnik. Gerade erst hatte Albert Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie präsentiert, da hatte er im Jahr 1916 schon die nächste geniale Idee. Er konnte zeigen, dass sich Atome in bestimmten Fällen als Licht-Kopiermaschine verwenden lassen. „Stimulierte Emission“ nannte man diesen Prozess. Das Licht besteht aus einzelnen Lichtteilchen, die von Atomen vervielfältigt werden können. Damit lässt sich ein immer stärker werdender Lichtstrahl herstellen – das Grundprinzip des Lasers war geboren. Eine neue Sorte Licht Mit dem Licht einer gewöhnlichen Glühlampe hat der Laser recht wenig zu tun. Die Glühlampe erstrahlt in allen möglichen Farben gleichzeitig, deshalb erscheint sie unserem Auge weiß. Die Farbe des Lichts ergibt sich aus seiner Wellenlänge: Rotes Licht hat eine größere als blaues, genauso wie die tiefe Schallwelle einer großen Orgelpfeife eine größere Wellenlänge hat als das hohe Quietschen einer Flöte. Das Licht einer Glühlampe lässt sich mit einer wild herumtobenden Kinderhorde vergleichen: Alle Kinder sind unterschiedlich schnell, haben unterschiedlich viel Energie und laufen in unterschied liche Richtungen. Ebenso verschiedene Eigenschaften haben die Lichtteilchen einer Glühlampe (Einstein nannte sie „Lichtquanten“, heute spricht man von „Photonen“). Die Photonen eines Laserstrahls hingegen entsprechen eher einer Gruppe von Robotern: Sie gleichen einander in allen Details und marschieren präzise im Gleichschritt. Im Laser werden die Eigenschaften eines Lichtteilchens exakt auf weitere Lichtteilchen übertragen. Dieser quantenphysikalische Kopierprozess bringt immer mehr Lichtteilchen hervor, bis sie schließlich als heller Strahl aus dem Laser austreten. Vom Unbehagen zur Begeisterung Bevor Albert Einstein das Vervielfältigen von Lichtteilchen mathematisch beschreiben konnte und damit die Grundidee für den Laser schuf, hatte er bereits den „Photoelektrischen Effekt“ erklärt – die Erzeugung von elektrischem Strom aus Licht, die Basis für unsere heutigen Solarzellen. Dafür (und nicht etwa für seine Relativitätstheorie) bekam er 1922 den Nobelpreis. Trotzdem konnte sich Einstein sein Leben lang mit der Quantentheorie des Lichts nicht so recht anfreunden. „Die ganzen 50 Jahre bewusster Grübelei haben mich der Antwort der Frage ‚Was sind Lichtquanten‘ nicht näher gebracht“, schrieb er 1951 an einen Freund. „Heute glaubt zwar jeder Lump, er wisse es, aber er täuscht sich.“ Mit diesem Unbehagen war Einstein nicht alleine, und das ist wohl der Grund dafür, warum es so erstaunlich lange dauerte, bis aus der Idee der stimulierten Emission ein funktionsfähiger Laser wurde. Erst 1954 wurde an der Columbia University/ usa von Charles Townes der erste „Maser“ gebaut, der simplere Vorläufer des Lasers, der nicht mit sichtbarem Licht, sondern mit Mikrowellen funktioniert. Auch russische Forscher arbeiteten gleichzeitig daran, der Wettlauf um den ersten Laser wurde zu einem der vielen Nebenschauplätze des Kalten Krieges. Amerika hatte am Ende die Nase vorne: Theodore Maiman von den Hughes Laboratories in Malibu gelang es am 16. Mai 1960, den weltweit ersten echten Laser leuchten zu lassen. Anwendungsideen Unsere heutige Informationsgesellschaft basiert auf Laserpulsen, die durch Glasfaserkabel gesendet werden. Unsere Daten speichern wir auf optischen Datenträgern, die mit Lasern ausgelesen werden, oder wir drucken sie mit Laserdruckern auf Papier. Chirurgen setzen mit Laserstrahlen präzise Schnitte durchs Gewebe, in der Industrie verwendet man sie für Gravuren, Oberflächenbehandlungen und vieles mehr. Weil alle Lichtteilchen eines Laserstrahls einander exakt gleichen, eignet sich der Laser für viele Präzisionsmessverfahren, wie z. B. der Erforschung der Eigenschaften von Atomen und Molekülen. 1955 Stromversorgung bei Telefonverstärkern 1959, General Electric: Erste kommerzielle Halogenlampe 1960, Theodore Maiman: Erster funktionierender Laser 24 | 25 Licht im Gleichschritt

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Die Astronauten der Apollo-Missionen Aus der Zeit, die installierten Reflektoren am Mond, die das Licht braucht, wir heute mit Laserstrahlen beschießen um über diese Reflektoren wieder können. zur Erde zurückzukehren, kann man die Entfernung zwischen Erde und Mond exakt bestimmen. Dasselbe Prinzip funktioniert auch auf kürzere Distanzen, zumindest wenn man sehr kurze Laserpulse verwendet. Beim Laserscanning wird ein Objekt von einem Laserstrahl abgetastet, aus vielen einzelnen Entfernungsmessungen entsteht eine dreidimensionale Punktwolke, die am Computer zu einem 3d-Modell zusammengestellt wird. So konnte beispielsweise ein Team der tu Wien kurz vor Abriss des Wiener Südbahnhofs im Jahr 2010 mithilfe dieses Verfahrens das historische Gebäude digital dokumentieren und virtuell für die Nachwelt erhalten. Innerhalb weniger Tage wurden dort 1,6 Milliarden Messpunkte aufgenommen. Auch für die Analyse ganzer Landstriche lässt sich Laserscanning einsetzen. So kann man im Flug ein 3d-Modell der Landschaft erstellen und daraus beispielsweise Schlüsse auf die ökologische Gesundheit des Waldes ziehen. 1962, Nick Holonyak: Rote LED 1964 Umstieg von Gas auf Strom in Wien vollständig abgeschlossen Schöne neue Welt der Quantenlichter Weder Maiman noch Einstein hätten sich wohl je träumen lassen, dass derartige Anwendungen möglich werden könnten. Für eines allerdings ist der Laser nicht zu gebrauchen: als gewöhnliche Lichtquelle, um unsere Wohnräume zu erhellen. Dort will man nämlich nicht eng gebündeltes Licht einer einzelnen Farbe – ganz im Gegenteil: Licht in Wohnräumen sollte aus einem breiten Spektrum von Farben bestehen und den ganzen Raum weich ausleuchten. Auch für diesen Einsatzbereich gibt es eine Lösung, die aus der Quantenphysik kommt: Die Leuchtdiode (led) sendet Licht aus, wenn sie auf die richtige Weise mit elektrischem Strom durchflossen wird. Dieses Licht besteht zwar norma - l erweise auch bloß aus einer Farbe, doch mit technischen Tricks lässt sich heute mit leds auch Licht erzeugen, das angenehm weiß aussieht und dabei mit deutlich weniger Strom auskommt als eine Glühlampe vergleichbarer Helligkeit. Mittlerweile werden leds in Autoscheinwerfern eingesetzt und im Jahr 2014 wurde der Physik-Nobelpreis für die Erfindung einer blau leuchtenden led vergeben. 1965, Wilson: Beleg für die Urknalltheorie Licht im Gleichschritt

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Weibliches Licht | Über die noch ungenutzten Potenziale neuer Lichttechnologien Die Anwendung technischen Wissens allein ist nicht ausreichend, um dem Wetteifern der Lichter Einhalt zu gebieten, ist die Künstlerin Siegrun Appelt überzeugt. Franziska Leeb arbeitet als freie Architekturpublizistin und ist seit 2015 Chefredakteurin von KONstruktiv. Im Rahmen ihres künstlerischen Forschungsprojekts „Langsames Licht/Slow Light“ geht es Siegrun Appelt nicht um die Inszenierung der Beleuchtung im Sinne einer dekorativen Lichtkunst, sondern um das Bewusstmachen der facettenreichen Wechselwirkungen von Licht. In enger Zusammenarbeit mit Technikern und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen hinterfragt sie Sehgewohnheiten und ergründet die Möglichkeiten aktueller Technologien, deren Potenziale längst nicht ausgeschöpft sind, wie sie überzeugt ist. Im Zuge ihres mehrere Schauplätze umfassenden „Lichtprojekt Wachau“ entwickelte sie im Austausch mit den Gemeinden und begleitet von der Abteilung für Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich Beleuchtungskonzepte für Wege wie die Donaupromenade in Spitz sowie für einige Kirchen und den Bahnviadukt in Emmersdorf. Es kommt nicht auf die Stärke der Beleuchtung an, sondern auf die sorgfältige Setzung des Lichts, die richtige Lichtfarbe, die Vermeidung von Streulicht und Blendfreiheit, so die Botschaft, die zugleich auch eine fundierte Kritik an der gängigen Praxis der Beleuchtung im öffentlichen Raum ist. Franziska Leeb: Das Licht ist seit jeher ein Thema der Kunst. Wie kam es dazu, dass Sie sich so intensiv damit befassen? Siegrun Appelt: Das kam daher, dass ich mich immer auch mit Räumen beschäftigt habe. Schon bei meinen ersten Fotografien ging es um Raum und Wahrnehmung, um die Veränderung der Wahrnehmung mit der Bewegung und mit der Zeit. Das Licht spielt dabei eine wichtige Rolle. Es ist immateriell und steht in enger Beziehung mit dem, was es beleuchtet. Auch Geräusche, Gerüche oder Temperatur beeinflussen das Raumempfinden. Daher arbeite ich gerne installativ mit Situationen und Räumen. fl: Mit der Arbeit „64 kW“ für den deutschen Pavillon bei der Architekturbiennale in Venedig 2008 haben Sie mit einem veritablen „Lichtschock“ sehr unangenehme Lichterfahrungen vermittelt. sa: Es hat mich gereizt, auszuloten, wo die körperlichen Grenzen der Wahrnehmung liegen. Mit der Arbeit in Venedig wurden diese Grenzen mit einer Lichtstärke von fast 500.000 Lux – das ist fünfmal so stark wie die Sonne an einem hellen Sommertag – massiv überschritten. Das war körperlich spürbar, es hat geblendet, war enorm hell und wegen der hohen Wärmeabstrahlung konnte man nicht lange darunter stehen bleiben. Zugleich haben wir dazu aufgerufen, als Spende für diese energiefressende Arbeit den Energieverbrauch im eigenen Alltag zu reduzieren Die Energiespende der Stadt Berlin bestand darin, dass ich in die Schaltkreise der Beleuchtung des Brandenburger Tors eingreifen und durch An- und Abschalten das Licht choreografieren konnte, sodass sich neben einem ästhetischen und kulturellen Mehrwert eine Energieersparnis von 60 Prozent ergab. fl: Wenn Sie, wie zum Beispiel in der Wachau, Ihr künstlerisches Konzept in eine dauerhafte Beleuchtung umsetzen, lösen Sie konkrete funktionale Aufgaben. Wo ist die Grenze zwischen Kunst und Funktion? sa: Die Grenze ist schwer definierbar. Es spielen auch bei jenen Projekten, die ich für funktionale Nutzungen umsetze, meine Wahrnehmungserfahrungen als Künstlerin eine große Rolle. Es geht darum, auszuloten zu können, wie viel Licht es wirklich braucht, damit etwas im Zusammenspiel mit dem Umfeld wirkt. All die Projekte, die recht „normal“ ausschauen, also auch die Kirchenbeleuchtungen, sind präzise an die jeweiligen Gebäude angepasst. Wenn ich ein Licht verändere, beeinflusst es die Wirkung des angrenzenden Lichts. Das Ziel war, mit dezentem Licht zu arbeiten und gleichzeitig Struktur und Haptik der Bauten hervorzuholen wie auch einen malerischen Charakter herzustellen. Das macht es ebenso zu Kunst wie die begleitende Diskussion zu den Projekten. Die Bevölkerung ist oft von Beginn an eingebunden. Das ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, die ich als Künstlerin habe und auch gerne wahrnehme. Man kann die Menschen sensibilisieren und dadurch den Weg zu neuen Konzepten bereiten. fl: Feinheit und Sensibilität vermisst man bei der Beleuchtung des öffentlichen Raumes sehr oft. Das Thema Energieeinsparung ist ein anerkanntes Argument, wie das Licht wirkt, hingegen selten ein Thema. Was läuft hier schief? sa: Als Künstlerin kann ich aufmerksam machen und im besten Fall Lösungen mitgestalten. Ich habe die Umstellung von den herkömmlichen Leuchten auf led beobachtet und von Anfang an darauf aufmerksam gemacht, dass es essenziell ist, erst dann die Lichter auszutauschen, wenn die Technologie es ohne Qualitätseinbußen zulässt. Denn ab dem Moment, wo die led-Leuchten auf dem Markt waren, haben die Firmen sie sehr überzeugend und kritiklos verkauft. Ich konnte mitverfolgen, wie mit Fördergeldern schnell und unüberlegt Lichtsysteme umgestellt wurden. Im 1980, Philips: Kompaktleuchtstofflampe 1988 „Ley del Cielo“ zum Schutz des Roque-delos-Muchachos-Observatoriums La Palma 1989 Erster städtebaulich orientierter Lichtmasterplan in Lyon 26 | 27 Weibliches Licht

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Zusammenspiel einer potenten Marketingmaschinerie mit Politik und Förderprogrammen wurde mit dem ökologisch wie ökonomisch gut zu argumentierenden Aspekt der Energieeinsparung oft zu schnell umgerüstet, ohne ästhetische, physiologische und auch emotionale Auswirkungen zu bedenken. fl: Aus ästhetischer Sicht konnte man anfangs nicht pro led argumentieren, weil es ja ein unangenehm wirkendes, bläulich-weißes Licht war und nur damit eine hohe Energieeffizienz erreicht werden konnte. Heute hingegen sind auch angenehmere Weißtöne energieeffizient. Sie arbeiten selbst bevorzugt mit led, stehen dem Licht also positiv gegenüber? sa: Ja, ich arbeite gerne mit led, es lässt sich viel damit machen. Das Leuchtmittel ist ansteuerbar, dimmbar, in Farbtönen veränderbar und hat ein schönes, klares Licht, das gut geführt werden kann. Es ist ein Unterschied, ob man von Halogen auf Leuchtstoffröhren umsteigt oder von einem dieser herkömmlichen Leuchtmittel auf led-Technologie, weil damit sind wir wirklich in einem anderen Zeitalter angekommen. Zum einen kommt hier eine Technologie zur Anwendung, die an intelligente Systeme andockt und viele Möglichkeiten bietet, und zum anderen gibt es in der Gesellschaft sehr wenig Wissen über die Qualität von Licht, geschweige denn um einen nachhaltig sinnvollen Umgang mit intelligenten Systemen. Wer soll da entscheiden? Das kommt einer Herkulesaufgabe nahe. Ich halte es für zielführend, wenn Spezialisten aus verschiedenen Sparten gemeinsam entscheiden, eben weil die led so komplexe technische Anforderungen mit sich bringt und zudem einen nie dagewesenen Variantenreichtum bei der Adaptierung auf verschiedene Situationen bietet. Unüberlegt angewendet kann man damit etliche Probleme verursachen. Der ästhetisch-kulturelle Blick auf das Ganze wäre da sehr wichtig. fl: Ein großes Thema ist Blendung. Gibt es blendfreies led-Licht? sa: Die Kombination „flächendeckend, hell und energieeffizient“ führt zu einer relativ starken Blendung. Wäre Blendfreiheit die Maxime, ginge das auf Kosten der Energieeffizienz, und dann würde das ökonomische wie auch ökologische Argument dafür fehlen, im großen Stil Straßenbeleuchtungen auszutauschen. Einige Firmen versuchen mittlerweile blendfreiere Lösungen zu erarbeiten, kämpfen aber noch sehr damit. fl: Hängt das vom Design der Leuchten ab oder vom Leuchtmittel? sa: Das Leuchtmittel per se blendet. Die Leuchtdichte hängt von der Größe der Lichtaustrittsfläche ab. Bei led tritt aus kleinster Fläche viel Licht aus, daher das stechende Blenden. Man versucht nun den Lichtaustritt mit Linsen oder Reflektoren zu vergrößern, also das Licht von der Lichtquelle weg anders zu führen, bloß geht das zulasten der Effizienz. led ist eine klassische punktuelle Lichtquelle. fl: Welche Rolle spielt dabei das Autolicht? sa: Für eine gute Sicht beim Autofahren braucht man Licht, das ist grundsätzlich eine begründete Frage von Sicherheit. Doch oft ist gerade wegen sehr hellem Scheinwerferlicht die Sicht ungenügend. Wenn die Autoscheinwerfer aber immer stärker und präziser werden, muss auch das Umgebungslicht nachziehen. Das liegt am physikalischen Vorgang, dass unsere Augen adaptieren. In dem Moment, wo wir eigene helle Lichtkegel mit uns führen oder von entgegenkommendem Licht geblendet werden, wird das Umgebungslicht als weniger hell wahrgenommen, als es ist. Deshalb reagieren die Kommunen und beleuchten hell und flächendeckend im Sinne der Sicherheit. Das geht auf Kosten der Ästhetik. fl: Es ist das Kräftemessen künstlicher Beleuchtungen, das die Nacht erhellt. sa: Je heller die Nacht, desto bedrohlicher wirkt die Dunkelheit. Es ist ein Trugschluss, zu glauben, mehr Licht führe zu mehr Sicherheit. Schon ein einzelnes helles Licht kann starke Kontraste erzeugen, die das Auge irritieren und die Sicht in die restliche Umgebung verstellen. Die Augen passen sich an die hellsten Stellen des wahrgenommenen Bereichs an, nicht an die dunklen. Je stärker der Kontrast zwischen Hell und Dunkel, je heller die Autolichter, umso mehr Stresspotenzial steckt in ihnen. Deshalb glaube ich, dass die immer heller werdenden Autolichter direkten Einfluss auf die öffentliche Beleuchtung haben, die sich ihrerseits in schleichenden Prozessen in der Helligkeit anpasst. Hier gibt es noch kein Bewusstsein. Auch Leuten, die im Stadtplanungsbereich arbeiten, ist dieser Aspekt fremd. Ein Forschungsprojekt, das sich dem annimmt, könnte zu einer Revolution im Umgang mit Licht führen. fl: Nun gibt es ja zusehends in urbanen Gegenden ebenso wie inmitten der touristisch erschlossenen Natur Lichtkonzepte, die zwecks Vermeidung von Lichtverschmutzung präziser gerichtet sind und nicht in den Nachthimmel abstrahlen. Genügt das, um das Licht landschaftsverträglich zu machen? sa: Das Licht einfach nur nach unten zu richten, halte ich für keine optimale Lösung. Wesentlich ist, wie man mit dem Raum umgeht. Was macht man sichtbar, was nicht? Wie gestaltet man die Übergänge zwischen Licht und Dunkelheit? Diese Fragen werden gar nicht erst gestellt. 1993, Shuji Nakamura: Blaue LED 1997 Weiße LED kommen auf den Markt 1999 Norma de la Contaminación, Chile Weibliches Licht

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fl: Aktuelle Entwicklungen wie die oled stellen Alternativen zu klassischen Leuchten in Aussicht. Wie sehen Sie diese Entwicklungen? sa: Die oled (engl. für „organic light emitting diode“, dt. organische Leuchtdiode) halte ich für hochinteressant. Was sie können wird, kursiert schon seit Jahren – quasi die selbst leuchtende Tapete, auf der man auch Videos spielen kann. Mit led und oled ist eine neue Ära angebrochen. Die beiden Technologien haben viel gemeinsam, doch machen gerade ihre Gegensätze sie interessant. Ich denke, dass das eine das andere nicht ersetzen kann. Beide zusammen sind ideal, weil sie sich wunderbar ergänzen. Die oled kann als gestalterisches, flächi ges Material in Räumen eingesetzt werden, die led als ein den Raum definierendes Licht. fl: Es ist ja offenbar nicht so, dass die oled einen Buchstaben mehr im Namen hat und deshalb eine led ist, die irgendetwas zusätzlich kann. sa: oled sind aus mehreren organischen, halbleitenden Schichten aufgebaut, led aus anorganischen. Bisher sind Leuchtdichte, Lebensdauer und Effizienz der oled noch geringer als die der led. Beide unterscheiden sich sehr von den bisher gängigen Leuchtmitteln wie Glühbirne, Halogenlampe oder Leuchtstoffröhre. Die led kann ein schönes punktuelles Licht erzeugen, die oled ein schönes flächiges Licht. led kann auch auf eine Fläche verteilt werden, doch ist das mit Aufwand und Energieverlust verbunden. Dafür ist sie wunderbar für indirektes, flächiges Licht einsetzbar. oled strahlt weiches, diffuses Licht ab. Man kann auf die leuchtende Fläche schauen, ohne geblendet zu werden. Ein weiterer Vorteil ist ihre Flexibilität. Von den biegsamen Handys kennt man das schon. Im Bereich der Beleuchtung ist das bislang nicht auf dem Markt. Aber in Zukunft kann das sehr dünne Material auf jedem Untergrund, jedem Objekt aufgebracht werden. Ich mag die beiden Leuchtmittel, sie haben etwas sehr Weibliches an sich. fl: Warum? sa: Weil sie beide in ihrer Wirkung eine große Feinheit, Vielfältigkeit, Flexibilität und vor allem Schönheit und Eleganz besitzen. fl: Schön und elegant kann Neonlicht auch sein. sa: Ja, das hat für mich mehr den männlichen Charakter von Schönheit, weniger zart, etwas brachialer. Wenn ich allein das Licht, nicht das Design charakterisiere, dann strahlt led eine besondere Eleganz und Klarheit aus und oled eine besondere Form von Weichheit und Wärme. fl: Wird die oled auch so rasch wie die led den Alltag erobern? sa: Erst mit der Abschaffung der Glühbirne entstand genug Druck auf die Industrie, um die led- Entwicklung voranzutreiben. Die oled ist momentan wie in Warteposition. Die Lichtindustrie hält sich zurück, weil die Kosten für die Produktion noch zu hoch sind und das Geschäft mit led recht jung ist. Man ist über die Kinderkrankheiten hinweggekommen, hat ein schönes, angenehmes Licht entwickelt und kann jetzt die Früchte ernten. Daher existiert wohl auch die Angst, dass oled die Märkte ruinieren könnte. Ich glaube, es ist einiges am Köcheln. In ein paar Jahren wird oled auch am Leuchten- und Designsektor präsent sein. Bei den wenigen Präsentationen von oled auf verschiedenen Messen konnte ich led und oled im direkten Vergleich sehen. Sie ergänzen sich wirklich perfekt. Ich bin sehr dafür, sie im Zusammenspiel weiterzuentwickeln. fl: Da hat anscheinend die Automobilindustrie, wo ja schon beide Systeme bei Scheinwerfern kombiniert werden, die Nase vorn. sa: Ja, bei Brems- und Rücklichtern, wo die gestalterischen Möglichkeiten der oled in die Designs einfließen. Und es gibt bereits ein kleines Angebot im Ambientbereich, wie z. B. bei einem Schweizer Hersteller, der auf oled setzt. Dessen Designs sind seit jeher sehr reduziert und im Modulsystem anwendbar. Da passt oled gut dazu. In der eu finden sich ein paar wenige Hersteller, vorwiegend in Deutschland, es gibt auch welche in Amerika. Die größten Bewegungen kann man in Asien beobachten. fl: Wie weit wird diese neue Art von Licht die Architektur verändern? sa: Das weiß ich nicht. oled kann jedenfalls als leuchtendes, dünnes, sich den Formen anpassendes Material in den Entwurf integriert werden. Wobei die freien Formen noch zu hohe Produktionskosten verursachen, um markttauglich zu sein. oled verursacht kein Hitzeproblem und ist im abgeschalteten Zustand transparent. Zudem kann oled im normalen Glasabfall entsorgt werden. led sind aufgrund der elektronischen Kleinbauteile Sondermüll. fl: oled muss wohl auch anders geplant werden als led? sa: Ja, und daher erscheint es mir wichtig, vom Schielen auf den Massenmarkt wegzukommen und zuerst einen Katalog aufzustellen, welches Leuchtmittel wofür steht, und dann zu versuchen, led und oled miteinander zu sehen. Von allen anderen Leuchtmitteln würde ich heute gar nicht mehr sprechen. 2001 Weltatlas der Lichtverschmutzung von Pierantonio Cinzano u. a. 2007 „Declaration in Defence of the Night Sky and the Right to Starlight“ 2007 Weltweit erstes Lichtverschmutzungsgesetz in Slowenien 30 | 31 298 Weibliches Licht

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fl: Sie stimmen nicht in das Klagen über den Verlust der Glühbirne ein? sa: Ganz und gar nicht. Diese verordnete Abschaffung empfand ich aber als unnötige Aktion. Außerdem kann ich immer noch Glühbirnen einkaufen, wenn ich sie unbedingt möchte. Das Glühbirnenlicht ist wegen seines Spektrums sehr schön. Es ist kaum möglich, eine led zu finden, die das ersetzen kann. Doch wenn es um den gestalterischen Umgang mit den Leuchtmitteln geht, dann bietet die led heute schon wesentlich mehr als die Glühbirne. Traurig wäre es, wenn es nur darum ginge, mit einer led-Birne die Glühbirne zu ersetzen. Viel besser ist es, die led zu perfektionieren und in der Anwendung das Optimum herauszuholen, sie gibt ja wirklich ein schönes Licht. Wir können mit ihr emotionale, ästhetische und funktionale Aspekte sehr gut kombinieren. Wenn ich nur sage, blaues Licht macht mich wach, das ist zu wenig. Man muss auch wegkommen vom Gedanken, mit Licht zu manipulieren. Hier sind die Grenzen des Erträglichen schon erreicht. Müssen wir immer die optimale Leistung erbringen können? fl: Die Nacht kann nicht zum Tag gemacht werden, sagen Sie. sa: Ja, das ist die gute Nachricht. Denn Technologie und Ressourcen sind begrenzt und auch der menschliche Organismus kann da nicht mit. Die schlechte ist, dass viele es dennoch versuchen. Es ist ein Wirtschaftsfaktor. Wenn man es aus der Sicht der Chronobiologie betrachtet, ist Licht spätnachts eine Belastung für den Körper. Das wenige Wissen rund um Licht und Beleuchtung führt dazu, dass es den Leuten ja eher peinlich ist, zu sagen, wenn Licht sie stört. fl: Was womöglich ein Resultat unserer von Sicherheitsdenken gesteuerten und von Normen regulierten Welt ist, in der man verlernt hat, sich auf seinen Verstand und sein Gefühl zu verlassen? sa: Die Normen bieten natürlich wunderbare Argumentationen für mehr Licht. Ich frage mich ja immer, wer dafür verantwortlich ist. Ist es die Industrie? Sind es Politiker? Beamte? Ich frage mich, ob diejenigen, die sie machen, genügend Einblick in die komplexen Zusammenhänge des Themas haben. Es ist sehr wichtig, einen umsichtigen Umgang mit Licht zu finden. Und das kann nur gelingen, wenn wir uns wieder mehr auf Wahr nehmung und kulturelle Werte besinnen. N ab 2009 Verbote von Glühlampen 2015 UNESCO „Internationales Jahr des Lichts“ 2018 Verbot Halogenlampe Weibliches Licht

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Registrierung als Energieauditor/in | Mitgliederinformation zum Energieeffizienzgesetz Weitere Informationen auf der Website des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft: www.bmwfw.gv.at Im Dezember 2012 ist die Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz in Kraft getreten, deren Vorgaben vom österreichischen Gesetzgeber mit dem Bundes-Energieeffizienzgesetz (EEffG; BGBL I 72/2014) seit dem 01.01.2015 umgesetzt werden. Dieses Gesetz legt fest, dass sich Personen, die zur Durchführung von Energieaudits fachlich geeignet sind, zu registrieren haben und schließlich in einem öffentlich zugänglichen Register als Energieauditor/innen geführt werden. Derzeit führt die Registrierung das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) für die im Anhang III des EEffG näher definierten drei Schwerpunktbereiche „Gebäude“, Prozesse“ und „Transport“ durch. Um in dieses Register aufgenommen zu werden, müssen die Energieauditor/innen einmalig einen Antrag über die Homepage des BMWFW stellen und bestimmte Qualifikationskriterien erfüllen. Die Registrierung basiert auf einem vom BMWFW erarbeiteten Punktebewertungssystem. Demnach müssen in den genannten drei Schwerpunktbereichen („Gebäude“, Prozesse“ sowie „Transport“) jeweils mindestens 20 Punkte erreicht werden. Diese 20 Punkte setzen sich einerseits aus Nachweisen durch Referenzprojekte sowie andererseits durch die absolvierte energiespezifische Grundausbildung zusammen. In beiden Kategorien sind grundsätzlich jeweils mindestens sechs und maximal 14 Punkte erreichbar. Zum Nachweis für die erbrachten Referenzprojekte sind Angaben über das absolvierte Projekt auf einem vom BMWFW zur Verfügung gestellten Formular zu machen. Pro Referenzprojekt wird je nach Größe und Verantwortung ihrer Tätigkeit im Projekt eine Gewichtung durch die Vergabe von ein bis zwei Punkten vorgenommen. Es müssen so viele Referenzprojekte angeführt werden, bis mindestens sechs (bis hin zu 14) Punkte erreicht sind. Des Weiteren sollten Referenzprojekte nicht länger als fünf Jahre zurückliegen. Eine schriftliche Bestätigung des/ der Auftraggeber/in über die Absolvierung des Referenzprojekts ist bei der Antragstellung nicht erforderlich. Die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkon sulenten hat für ihre Mitglieder erreicht, dass Ziviltechniker/innen den Nachweis über die Absolvierung einer energiespezifischen Grundausbildung durch Vorlage ihres Bescheids über die Verleihung einer einschlägigen Befugnis erbringen können. Aufgrund der Anstrengun gen, die Ziviltechniker/innen zur Erlangung ihrer Befugnis aufbringen müssen (Hochschulstudium, Praxiszeit, Ziviltechnikerprüfung), erreichen sie mit diesem Nachweis in der Kategorie energiespezifische Grundausbildung die maximale Punkteanzahl von 14. Die Vorlage einzelner Ausbildungszeugnisse ist daher nicht mehr erforderlich. Stattdessen ist lediglich beim Onlineformular „Register für Energieauditorinnen und Energieauditoren zur Durchführung von Energieaudits gemäß §9 des EEffG“ des BMWFW unter der Rubrik „Ausbildungsnachweise-Grundausbildung“ sowie „Ausbildungsnachweise- Energieeffizienzspezifisch“ jeweils der Bescheid über die Verleihung der Befugnis hochzuladen. N Schwerpunktbereiche Punktebewertung Prozesse 20 Punkte Gebäude 20 Punkte Referenzprojekt 6 – 14 Punkte Projekt A 2 Punkte Projekt B 2 Punkte Projekt C 2 Punkte Transport 20 Punkte energiespezifische Grundausbildung * 6 – 14 Punkte * Gebäude: ZT-Befugnis ergibt 14 Punkte 6 Punkte (von 14 möglichen) 32 | 33 298 Registrierung als Energieauditor/in

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Freiraum: Luxus oder Notwendigkeit? | Podiumsdiskussion des baik-Ausschusses Nachhaltiges Bauen Stephanie Drlik ist Landschaftsarchitektin, Gründerin des Büros la propos (www.lapropos.at) und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität für Bodenkultur. * Am Podium diskutierte die Moderatorin Ute Woltron mit Thomas Knoll (Knollconsult Umweltplanung ZT GmbH, Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur, ÖGLA), Kurt Hofstetter (Projektmanager für Städtebau und Planung, wien 3420 aspern development AG), Erich Mursch- Radlgruber (Institut für Meteorologie an der BOKU) und Kurt Puchinger (Vorsitzender des Grundstücksbeirates/wohnfonds wien, ehemaliger Planungschef Wiens). Die wichtige Bedeutung des Stadtfreiraums ist unumstritten, dennoch manifestiert sich das wachsende Bekenntnis zum Freiraum nicht immer im städtischen Gefüge. Und auch nicht im Praxisalltag der Planungsbüros. Über Ursachen und Möglichkeiten zur Entwicklung einer lebenswerten Stadt mit ausreichend und gerecht verteilten Grün- und Freiräumen diskutierten Experten und Expertinnen* im Rahmen der Podiumsdiskussion „Freiraum: Luxus oder Notwendigkeit?“, zu der die Landschaftsarchitektin Anna Detzlhofer und die Architektin Ursula Schneider im Namen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten luden. Beim Flanieren durch so manche europäische Großstadt hat man tatsächlich den Eindruck, nutzbarer Freiraum ist, ob seiner mangelnden Verfügbarkeit, zum Luxusgut avanciert. Absurd, denn das Verlangen nach Aufenthalt im Freien, nach dem postindustriellen Sehnsuchtsort Garten, der Wunsch nach sozialem Zusammentreffen im öffentlichen Raum, das alles sind menschliche Grundbedürfnisse. Die Schaffung eines möglichst breiten Spektrums an öffentlichen und privaten Grün- und Freiräumen sorgt für ein grundsätzliches soziales und ökologisches Gleichgewicht in einer Stadt und wird damit zur urbanen Notwendigkeit. Die Diskutierenden der Veranstaltung des bAIK-Ausschusses Nachhaltiges Bauen waren sich über diese Notwendigkeit einig, es stellte sich jedoch die Frage, wie Qualitäten erzielt und Fehlentwicklungen verhindert werden können. Metropolen erfahren im 21. Jahrhundert einen stetigen Bevölkerungszuwachs, wodurch die Flächenverfügbarkeit abnimmt und Immobilienpreise steigen. Der Freiraum bleibt bei diesem Kräftemessen oftmals auf der Strecke, denn kurzfristig gedacht erzielt ein dichter Wohnbau höhere Gewinne. Doch diese Rechnung ist nicht vollständig und stimmt spätestens dann nicht mehr, wenn die dort hingedachten Menschen nicht in den freiraumarmen Quartieren leben möchten. Ganz abgesehen von den volkswirtschaftlichen Kosten, die das Fehlen der wichtigen ökologischen, stadtklimatischen, sozialen und volksgesundheitlichen Freiraumfunktionen verursacht. Auch die negativen Auswirkungen, die eine laufende Abwanderung von unzufriedenen, freiraumsuchenden Stadtmenschen an die urbanen Ränder bewirkt, sind nicht außer Acht zu lassen. Hier wünscht sich das Podium mehr Metropolenpolitik, etwa in Form eines Regionalparlaments, und ein ausgewogeneres Verhältnis an Siedlungsflächen und Freiräumen. Dafür wurden in Wien in letzter Zeit sowohl übergeordnete Grünzüge gesichert und erweitert als auch Freiraum-Bedarfszahlen im Rahmen des Stadtentwicklungsplans STEP 2025 (Fachkonzept Grünund Freiraum) festgelegt. Durch Einhaltung dieser bindenden Kennwerte wird einer Verdichtung auf Kosten des Freiraums Grenzen gesetzt. Denn trotz des hohen Grünflächenanteils von 50 Prozent weist Wien Defizite auf. Im Stadtbestand sind die Freiflächen ungerecht verteilt und bei der Entwicklung neuer Wohnquartiere scheint es vielerorts so, als stünde die notwendige urbane Verdichtung im Widerspruch zu dem Platz, der für hochwertige Freiraumangebote benötigt wird. Bei den vielen im Zuge einer Quartiersentwicklung erwachsenden Begehrlichkeiten bedient man sich gerne an den für Freiräume vorgesehenen Flächen. Gerade im mehrgeschoßigen Wohnbau ist die Situation schwierig. Und das, obwohl zahlreiche Studien zeigen, dass der Wunsch nach einem hochwertigen grünen Wohnumfeld besteht und die vergleichsweise geringe Investition (durchschnittlich zwei bis fünf Prozent der Gesamtbaukosten) einen enormen wirtschaftlichen Nutzen mit sich bringt. Durch raschere Wohnungsvergaben, eine höhere Wohnzufriedenheit und somit geringere Mieterfluktuationen erwirtschaftet der Wohnbaufreiraum auf lange Sicht einen beträchtlichen Profit. Erwartungsgemäß gab es im Rahmen der Podiumsdiskussion unterschiedliche Herangehensweisen zur Qualitätssicherung von hochwertigen Freiräumen in der Stadt. Konsens herrschte jedoch hinsichtlich der positiven Auswirkungen der quantitativ festgelegten Bedarfszahlen, die aber nicht selbstverständlich die Generierung von Qualitäten sichern. Dafür bräuchte es neben einer kontinuierlichen landschaftsplanerischen Entwicklungsbegleitung, einer verstärkt kooperativen, schnittstellenübergreifenden Planung und einer starken stadtpolitischen Vertretung auch eine zentrale Anlaufstelle, die Freiraumbelange ganzheitlich bearbeitet. Die Moderatorin stellte abschließend in den Raum, ob sich in Wien durch eine gesamtzuständige Stelle etwas ändern würde? Zumindest scheint die Seestadt Aspern gerade zu zeigen, wie man es in Bezug auf Qualitätssicherung im Freiraum richtig machen kann – vielleicht auch weil sich dort eine zuständige Entwicklungsagentur unter anderem für die Freiraumangelegenheiten verantwortlich zeigt, vom städtebaulichen Leitbild bis zur Ausführung. N 36 | 37 298 Freiraum: Luxus oder Notwendigkeit?

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Küchen konsequent grifflos – mit Beschlägen von Blum Elektrisches Öffnen für Kühl-/Gefriergeräte und Geschirrspüler ohne Griffe Mit den innovativen Beschlagslösungen von Blum lassen sich Küchen durchgängig in puristischem Design realisieren sterreich KONSTUKTIV 206 x 290 mm Beschnitt: 3 mm In Küchen mit puristischem, schlichtem Design verschwinden nun auch integrierte Kühl- und Gefriergeräte höchst stilvoll hinter grifflosen Möbelfront. Für komfortables Öffnen dieser Fronten sorgt SERVO-DRIVE flex von Blum. Die Öffnungsunterstützung ist elektrisch und funktioniert bequem durch leichtes Andrücken der Front. Und wer entsprechend plant, kann diese Lösung auch bei Geschirrspülern einsetzen. Wer kennt das nicht: Die neue Küche ist komplett grifflos gestaltet – einzig der Kühlschrank hat noch einen Griff. Das harmonische Design der Front erfährt dadurch eine unliebsame Unterbrechung. Dank der neuen elektrischen Öffnungsunterstützung SERVO-DRIVE flex muss das nicht mehr sein: Nun lassen sich auch Kühl- und Gefriergeräte formschön ohne störende Griffe hinter Fronten verbergen. Kurzes Antippen genügt und die Tür öffnet sich elektrisch – wie von selbst. www.blum.com Nice to have: Intelligente Zusatzfunktionen SERVO-DRIVE flex kann – unabhängig von der jeweiligen Einbausituation – bei den gängigen integrierten Kühl-/ Gefriergeräten und Geschirrspülern eingesetzt werden. Und sollte die Türe einmal unbeabsichtigt geöffnet werden, so sorgt die Selbstschließautomatik innerhalb weniger Sekunden für verlässliches Schließen der Front. SERVO-DRIVE flex verfügt aber auch über einen Anlehnschutz. Das heißt: die Türe öffnet nicht, wenn sich der Nutzer nur an der Front anlehnt. Kurzes Antippen genügt und der Kühlschrank öffnet komfortabel wie von selbst – dank elektrischer Öffnungsunterstützung von Blum Fast unsichtbar, doch mit großer Wirkung: Beim Öffnen ist lediglich ein kleiner Stößel an der Verblendung – innen am Kühlschrank – zu sehen Wenn bereits bei der Planung berücksichtigt, dann können Geschirrspüler ebenso hinter grifflosen Fronten verschwinden

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Save the Date! Architektensymposium 16.10.15 – Architekturzentrum Wien Museumsplatz 1 | A-1070 Wien Bauwerksabdichtungen Sicherheit „MIT UNS KÖNNEN SIE EFFEKTIV PLANEN. OHNE RISIKO. GEMEINSAM MEHR SICHERHEIT.“ ÖNORM B3692 Lösungen Anforderungsgerechte Abdichtungen und Beschichtungen mit Flüssigkunststoff Zumindest vier Faktoren sind dafür maßgebend, ein Bauvorhaben erfolgreich zu realisieren. Die Planung, die Materialauswahl, die Verarbeitungsqualität sowie die Regelkonformität. Seit der Einsatz von Flüssigkunststoffen in die Regelwerke Einzug gehalten hat und den Stand der Technik darstellt, können nunmehr Detailabdichtungen geplant und durchgeführt werden, an die bis vor kurzem nicht einmal zu denken war. Bei der Auswahl des Flüssigkunststoffes ist jedoch darauf zu achten, ob dieser auch für die notwendigen Anforderungen bezüglich der geplanten Nutzungsdauer, den zu erwartenden Nutzlasten sowie den niedrigsten oder den höchsten Oberflächentemperaturen eingesetzt werden kann und darf. Nicht selten kommt es aufgrund einer falschen Auswahl zu beträchtlichen Schäden an Bauwerken. Das Zusammenspiel von der Planung bis zum Abschluss des Bauvorhabens schließt sich aber erst dann, wenn auch die Verarbeitung qualitativ und regelkonform durchgeführt wurde. www.triflex.com Herr Werner Jandrisits Architekturmanagement Wien Mobil +43 664 922 42 16 werner.jandrisits@triflex.at Österreich Triflex GesmbH Operngasse 17–21 1040 Wien Fon +43 1 23060 8090 info@triflex.at www.triflex.at

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Im Rad der Geschichte Dass Ereignisse sich nicht wiederholen, ist eine Binsenweisheit. Dass der Gang der geschichtlichen Entwicklung sich mit der Metapher des Rades erfassen lässt, ist eine Gewissheit. Denn in den Strukturen, die Ereignisse ermöglichen, gibt es Wiederholungen. Der Historiker Reinhart Koselleck hat festgestellt: „Recht ist Recht nur, wenn es sich in seiner Anwendung wiederholt und wenn es wiederholbar ist. Jede wirtschaftliche Produktion fußt auf der Wiederholbarkeit der Produktionsbedingungen. Jede Sprache wird im Sprechen wiederholt, um eine einmalige Aussage verständlich zu machen. Wo man hinschaut, sind alle Vorkommnisse, alle Geschehnisse von strukturellen Vorgaben unterfangen, die sich wiederholen müssen, damit sich überhaupt Ereignisse einstellen können.“ (Wie neu ist die Neuzeit? In: Zeitschichten, München 2000) Diese Einsicht in die Wiederholungsstrukturen ist für das Wettbewerbswesen wertvoll. Sie bestätigt die Beobachtung, dass Baukultur – verstanden als die Summe aller Vorgänge, die zu gesellschaftlich akzeptablen Projekten führen – Zyklen unterworfen ist. Baukulturelle Errungenschaften kommen und gehen. Die baukulturelle Verfasstheit der Steiermark zeigt exemplarisch, wie unrund das Rad im „Achter“ läuft. 1972 wurde das „Modell Steiermark“ erfunden, eine Selbstund Weltbezug herstellende Politikoffensive. In den Achtzigerjahren folgte eine überzeugungsgetriebene Blütezeit der Baukultur, die schon in den Neunzigern im Verständnisdefizit verebbte. Eine robuste Initiative von der Spitze hatte gefruchtet, aber keine so tragfähige Basis geschaffen, dass bei Wegfall der politischen Vorzugsbedingungen Kontinuität gewährleistet gewesen wäre. Halbherzigkeit lässt das Phänomen Baukultur rasch schrumpfen. Heute zeigt sich die Steiermark im Vergleich baukultureller Standards in einer Mittellage. Alle Akteure des Wettbewerbswesens können auch Katalysatoren der Baukultur sein. Sie müssen das wollen, sie müssen im Wiederholungsmodus aktiv werden, um unter den gegebenen Randbedingungen erneut das zu behaupten, was manche Vorgänger einstmals bereits erfolgreich behauptet haben, aber andere danach nicht mehr behaupten wollten. Um das „Rad der Architekturgeschichte“ in die richtige Richtung zu drehen, gibt es die alten Angriffspunkte: Die „Wettbewerbsordnung Architektur“ ist außer Streit zu stellen, die Wettbewerbe sind angemessen zu dotieren, es braucht alle Arten von Wettbewerben und ein Höchstmaß an Vorbereitung, Teilhabe, Transparenz und Publizität, Wettbewerbspolitik bedarf des statistischen Rückhalts. Nicht zuletzt: Jede Aktivität für den Wettbewerb muss gebetsmühlenartig auf das Gemeinwohl abstellen. Walter M. Chramosta N Lichtempfehlung Dem Glühbirnenverbot folgt das Halogenleuchtenverbot auf dem Fuße. Von der EU für 2016 geplant, wurde es jüngst auf den September 2018 verschoben. Vorratskäufe empfiehlt der Elektronik-Branchenverband ZVEI nicht, obwohl es „für Halogenleuchten in einigen Bereichen noch keine gute Alternative gibt“. Immerhin bestehe die Hoffnung, dass in der neuen Gnadenfrist technische Fortschritte bei LED-Leuchten die zu erwartende Lücke in der Fassung füllen. Welche anderen Gründe lassen sich für unsere Empfehlung ins Treffen führen? Natürlich nur irrationale! Die Beschleunigung des Verschwindens der Dinge zum Beispiel. Versetzen wir uns hundert Jahre zurück. Nicht nur die einzelnen Gebrauchsdinge haben viel länger gehalten, auch der Produktzyklus, der Innovationsrhythmus eines technologischen Typus währte nahezu eine Generation. Seither haben wir Dinge immer kürzer und können sie auch auf dem Markt nur noch kurzfristig erwerben. Neben der geplanten und der verordneten Obsoleszenz hat das Marketing jährliches Redesign als Quelle von Inhalten für die Kommunikation und als Impulsgeber für die Thematisierung der Marke angeordnet. Darauf antworten nun Kulte der Liebe zum Verschwundenen: Manufactum mit Nostalgie, Vintage mit Ironie, Retro mit Zitieren. Das Sammeln frisch veralteter Utensilien ist ein beliebtes Hobby, Ausstellungen, Museen, Internetplattformen, Messen und Events wandeln bald jedes alte Produkt zum Artefakt. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, wenigstens eine Halogenleuchte zu kaufen. In der Vitrine soll sie neben der Musikkassette ihren Ehrenplatz finden, damit man den Enkeln erklären kann, woher die Musik kam und woher das Licht, in dessen Glanz man die besten Stunden des Lebens verlebte. Wolfgang Pauser N Sammelempfehlung Wien. Die Perle des Reiches. Planen für Hitler Ausstellung im Architekturzentrum Wien, kuratiert von Ingrid Holzschuh und Monika Platzer, bis 17.8.2015 Klaus Steiner, mittlerweile pensionierter Beamter der Wiener Stadtplanung, hat ab den 1970er-Jahren eine Vielzahl von Originaldokumenten zur Wiener Architekturgeschichte im Nationalsozialismus gesammelt. 2011 übergab er sein privates Archiv dem Az W, dem es diese fokussierte Sammlung erstmals erlaubte, fundierte Forschungen zur Rolle von Stadtplanung und Architekt/innen in dieser Zeit in Angriff zu nehmen. Die derzeit stattfindende Ausstellung und der begleitende Katalog beleuchten einen bis dato kaum aufgear bei teten Teil der österreichischen Architekturgeschichte und sind ein Anfang, um „eine für Wien peinliche Lücke in der Geschichte des 20. Jahrhunderts zu schließen“, wie Az W-Direktor Dietmar Steiner im Vorwort die Arbeit des Ausstellungsteams würdigt. In der Sammlung des Az W befinden sich derzeit rund 60 Architektenvor- und -nachlässe, aus denen wertvolle Erkenntnisse für diese Ausstellung gewonnen werden konnten. Das Sammeln und professionelle Archivieren ist die wesentliche Basis, um Geschichte zu dokumentieren und zu er forschen. Ohne Sammlung keine Architekturgeschichte. Jene des Az W ist ein enormer Schatz, dessen sukzessive kritische Aufarbeitung noch zahlreiche wei tere Lücken, nicht nur im Wie ner Bau- und Planungsgeschehen, schließen könnte. Während anderswo Museumsideen, denen die Inhalte fehlen, aus dem Boden schießen, gäbe es hier Inhalte – und auch ein kompetentes Team, das tut, was unter den aktuellen Umständen möglich ist. Es fehlt bloß die Museumsstruktur, um Sammlung und Forschungsarbeit entsprechende Ressourcen zur Seite zu stellen. Franziska Leeb N 40 | 41 Aus dem Wettbewerb, Empfehlungen

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Aufhebung eines Vertrages trotz freiwilliger Ex- ante-Transparenzbekanntmachung EuGH 11.09.2014, C-19/13 BVWG 20.02.2015, W123 2008288-1/28E Die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung (VVoB) ist nur in bestimmten, im Bundesvergabegesetz (BVergG) geregelten Ausnahmefällen zulässig. Oftmals ist für einen öffentlichen Auftraggeber – trotz eingehender rechtlicher Prüfung – nicht hinreichend klar, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Für solche Fälle bedienen sich öffentliche Auftraggeber gerne einer sogenannten „freiwilligen Ex-ante-Transparenzbekanntmachung“. Damit wird bewirkt, dass die Anfechtungsfrist für die gewählte Verfahrensart (das VVoB) von sechs Monaten auf (im Regelfall) zehn Tage verkürzt wird und somit der öffentliche Auftraggeber früher über die Sicherheit verfügt, ob der Vertragsabschluss (wirksam) angefochten wird. Mit einer Entscheidung vom 11.09.2014, C-19/13, Fastweb II schränkte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Praktikabilität dieser Vorgehensweise insofern ein, als er festhielt, dass der öffentliche Auftraggeber die Gründe für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes sorgfältig ermitteln muss, andernfalls er sich nicht auf die Bekanntmachung berufen kann. Die EuGH-Judikatur fand kürzlich erstmals auch Berücksichtigung in der Recht - s prechung der österreichischen Vergabekontrollbehörden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hatte sich in seiner Entscheidung vom 20.02.2015, W123 2008288-1/28E, mit folgendem Sachverhalt auseinanderzusetzen: Am 15.09.2011 erfolgte im Amtsblatt der EU eine freiwillige Ex-ante-Transparenzbekanntmachung durch die Auftraggeberin Bundesimmobiliengesellschaft mbH (BIG) über den Auftrag „Planungsleistungen für die Sanierung der Gebäude des Bundesgymnasium Eisenstadt“. Die Vergabe sollte in Form eines VVoB erfolgen. Am 02.03.2012 beantragte ein Ziviltechniker die Feststellung, dass die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung zur Vergabe der gegenständlichen Planungsleistungen rechtswidrig war. Das BVwG gab dem Feststellungsantrag des Antragstellers statt, hob den Vertrag teilweise auf und verhängte über den Auftraggeber eine Geldbuße. In seiner Entscheidungsbegründung prüfte das BVwG (unter Bezugnahme auf die geschilderte EuGH-Judikatur Fastweb II), ob der Auftraggeber in der Ex-ante-Transparenzbekanntmachung klar und eindeutig dargelegt hat, warum er davon ausgehen konnte, dass die restriktiv auszulegenden Voraussetzungen für ein VVoB vorliegen. Das BVwG kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Auftraggeberin den vom EuGH geforderten hohen Sorgfaltsmaßstab für die Be urteilung der Zulässigkeit eines VVoB nicht eingehalten hat. Zudem habe auch die Begründung in der Ex-ante-Transparenzbekanntmachung nicht dem erforderlichen Standard entsprochen. Für die Praxis bedeutet dies, dass öffentliche Auftraggeber künftig einen hohen Sorgfaltsmaßstab für die Prüfung der Frage aufwenden müssen, ob konkret ein Ausnahmetatbestand für die Durchführung eines Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung vorliegt. Bei Schaltung einer freiwilligen Exante-Transparenzbekanntmachung wird der Auftraggeber insbesondere darauf achten müssen, sorgfältig zu begründen, weshalb konkret die Voraussetzungen für die Durchführung eines VVoB vorliegen. Gregor Stickler/Christian Gruber (Schramm Öhler Rechtsanwälte www.schramm-oehler.at) N Walter Witting Licht. Sehen. Gestalten Birkhäuser Verlag 2014 Blau ist der Menschen beliebteste Farbe, obwohl mit ihr Kälte und Ferne assoziiert werden. Die unbeliebteste Farbe hingegen ist Braun, gleichwohl mit ihr Gemütlichkeit in Verbindung gebracht wird. Diese grundlegenden farbpsychologischen Erkenntnisse sollten jedem geläufig sein, der mit dem immateriellen Baustoff Licht hantiert. Vertieft werden können diese Einsichten durch die Lektüre des 470 Seiten starken Handbuchs „Licht. Sehen. Ge- stalten“, in dem Walter Witting lichttechnische und wahrnehmungspsychologische Grundlagen für Architekten und Lichtdesigner zusammenfasst. Es handelt sich um nicht weniger als ein Standardwerk zum Thema Licht. Der Autor, ein jahrelanger Mitarbeiter des Lichtgestaltungspioniers Christian Bartenbach, referiert darin ausführlich über die physikalischen Grundlagen der Lichttechnik, die Psychophysiologie der Sehfunktionen sowie das Zusammenspiel von Licht und visueller Wahrnehmung. Die Grundgrößen der Lichtmessung werden ebenso ausführlich abgehandelt wie die wichtigsten Anhaltspunkte für räumliches Sehen oder die eingangs genannten farbpsychologischen Aussagen. Es handelt sich um eine komplett überarbeitete, korrigierte und ergänzte Neuauflage des Referenzwerks aus dem Jahr 2008, bei der ein ganzes Kapitel über „Das Phänomen Farbe“ neu hinzugekommen ist. Unverzichtbar. Michael Krassnitzer N Christian Bartenbach – Ein Meister des Lichts Christa Klingler (Hrsg.) Müry Salzmann Verlag 2015 „Licht ist nicht sichtbar, Licht macht sichtbar“: Mit diesen Worten bringt der Lichtplanungspionier Christian Bartenbach seine Philosophie auf den Punkt. Über den Tiroler Ingenieur, Unternehmer und Hochschullehrer liegt nun eine Biografie vor. Wie schaffe ich ideale Lichtverhältnisse? Wo hole ich Licht in mein Gebäude herein, wie und wie viel? Das sind die Fragen, die Bartenbach sich stets gestellt hat. Seit mehr als einem halben Jahrhundert widmet er sich ausschließlich der angewandten Lichtforschung; so entwickelte er z. B. die Dark-Light- Technik (Spiegelrastertechnologie), die erste blendungsfreie Beleuchtung und auch einen künstlichen Himmel, mit dem sich die Lichtverhältnisse an jedem Punkt der Erde bei Sonnenschein, unterschiedlich bedecktem oder regnerischem Himmel simulieren lassen. Seit Jahrzehnten pilgern internationale Architekten zu ihm, um anhand von Modellen die Lichtverhältnisse in ihren Bauten zu testen. Die aktuelle Anlage besteht aus 400 halbkugelförmig angeordneten, einzeln ansteuerbaren Leuchten und steht in Aldrans nahe Innsbruck. Der mittlerweile 85-jährige Bartenbach – auch diese private Seite des Pioniers be leuchtet die Biografie – ist ein Tiroler Urgestein. Trotz weltweiter Tätigkeit hat er nie eine Fremdsprache gelernt. Seine Sprache ist die der Überzeugung. Michael Krassnitzer N Jüngste Entscheidung, Krassnitzers Lektüren

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Dem Licht eine Lobby geben | Die Architektin und Tageslichtexpertin Renate Hammer im Porträt Matthias Winterer studierte Geschichte an der Universität Wien und absolvierte das Masterstudium Journalismus und Neue Medien an der Fachhochschule Wien der WKW. Er arbeitet als freier Redakteur u. a. für die Wiener Zeitung und Format.at. „Mehr Licht!“ Goethes letzte Worte sind höchst umstritten. Ihre Authentizität wird seit jeher angezweifelt. Ihr Inhalt lässt uns rätseln. Zwei karge, scheinbar sinnlose Worte. Doch die Architektin Renate Hammer hat sie zu ihrem Credo erhoben. Als Licht wird der Teil elektromagnetischer Strahlung definiert, der für das menschliche Auge sichtbar ist. Die Stärke der Beleuchtung einer beschienenen Fläche wird in Lux gemessen. Lichtquellen gibt es viele, um die stärkste dreht sich aber seit über 4,5 Milliarden Jahren unsere Erde – die Sonne. In unseren Breiten erreicht die Beleuchtungsstärke der Erdoberfläche schon wenige Minuten nach Sonnenaufgang über 1.000 lx, an einem klaren Sommermittag über 100.000 lx. Für visuelle Arbeiten im Innenraum werden lediglich 500 lx empfohlen. Viel zu wenig, meint Renate Hammer. „Wir sind keine Wesen der Innenräume“, sagt die Mittvierzigerin entschlossen. „Dennoch halten wir uns den Großteil unserer Lebenszeit darin auf.“ Im Grunde wirken die Räume moderner Architektur lichtdurchflutet und hell. Doch der Schein trügt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das menschliche Auge ist ein Meister der Anpassungsfähigkeit. Selbst bei geringer Helligkeit, etwa einer Mondnacht, sehen wir vergleichsweise gut. Die Iris weitet sich und mehr Licht erreicht die Retina, wo die Stäbchenrezeptoren bereits auf Beleuchtungsstärken auf 10⁵ lx reagieren. Im Innenraum aber leben wir in ständiger Dämmerung, ohne das visuell tatsächlich wahrzunehmen. „Doch es geht nicht ausschließlich um das Sehen“, sagt Hammer. Licht wird auch von Zellen im Auge rezipiert, die nicht die visuelle Wahrnehmung, sondern die hormonale Steuerung adressieren. Auch nicht sichtbare Solarstrahlung im infraroten und ultravioletten Spektralbereich ist für den menschlichen Körper von Bedeutung. Setzen wir uns dem zu wenig aus, steigt das Risiko ernstzunehmender Beeinträchtigungen. Depressionen, Schlafstörungen und Konzentrationsschwäche können ebenso auftreten wie eine Schwächung des Immunsystems oder der Knochen und Muskelstabilität als Folge von Vitamin-D₃-Mangel. Zu viel Strahlung oder andauerndes Licht – wie in künstlich illuminierten Nächten der Stadt – stört wiederum den Hormonhaushalt und damit den Rhythmus des Menschen. Das Phänomen Licht beschäftigt Hammer schon seit Jahrzehnten. Sie studierte Architektur an der Technischen Universität Wien und absolvierte zwei postgraduale Studien: Urban Engineering an der Universität Tokio und Solararchitektur an der Donau-Universität Krems. Ihre Dissertation schrieb sie gemeinsam mit Peter Holzer über Qualität und Quantität des Tageslichtangebots in Innenräumen. Sonnenstrahlen fallen durch das Fenster der Institute of Building Research & Innovation ZT GmbH in Wien. Hier versucht Hammer „dem Licht eine Lobby zu geben“. Denn das Thema ist in Gesetzgebung und Normung noch nicht wirklich angekommen. Der Paragraf § 106 der Wiener Bauordnung, Belichtung und Beleuchtung, bleibt vage und die OIB RL3 2015 widmet dem Licht noch weniger Aufmerksamkeit als die bereits knappe Version von 2011. Im 2013 gegründeten Institut ist Hammer geschäftsführende Gesellschafterin. Der Name ist Programm: Research & Innovation im Baubereich fächert das Spektrum der Tätigkeiten breit auf. Es reicht von Forschung bis hin zum konkreten baulichen Projekt. Im Moment betreibt das Institut die wissenschaftliche Begleitung der Planung und Errichtung eines betreuten Wohnprojekts in Gerasdorf. Es soll sichergestellt werden, dass jede/r Bewohner/in mühelos Zugang zu privaten und gemeinsamen Außenräu - men hat. Im Zuge des Projekts wurde eine medizinische Metastudie unterstützt, deren Ergebnisse nahelegen, dass eine ausreichende Versorgung mit Vitamin-D₃ zur Prävention von Demenz beiträgt. „Wir wollen Forschungsergebnisse greifbar machen und als Innovation ins Gebäude bringen“, sagt Hammer. Im konkreten Fall sollen groß zügige und richtig positionierte Fenster mit speziell eisenarmen Gläsern eine wesentlich bessere Lichtversorgung gewährleisten. Im geförderten Wohnbau gelten derartige Maßnahmen als unleistbar. Auch auf experimentell kreativer Ebene forscht das Institut. „Wir arbeiten auf Basis von Beobachtungen an völlig untypischen Grundrissen für Wohnungen.“ Ausgehend vom tatsächlichen Wohnverhalten will man Wohnen an vielfach geänderte Bedürfnisse annähern. „Oft stellen wir fest, dass das Wohnzimmer der größte, jedoch am wenigsten benutzte Aufenthaltsraum im Woh - nungsverband ist. Brauchen wir das klassische Wohnzimmer überhaupt noch?“, stellt Hammer kritisch in den Raum. „Wo halten wir uns eigentlich auf, was tun wir da und was bedeutet das für die Qualität des Raums?“ Fragen, die schon dringend nach Beantwortung verlangen. Hammer versucht Probleme zu identifizieren, um mögliche Lösungen anzubieten. Oft wird Hammer als Lichttechnologin bezeichnet. Sie selbst ist mit dem Begriff nur bedingt zufrieden. „Der Terminus Lichttechnologie bezieht sich meist auf künstliche Beleuchtung, für mich steht jedoch das Tageslicht im Vordergrund“, so Hammer. „Gerade im Rahmen des Internationalen Jahr des Lichts und an gesichts der rasanten Entwicklung der Leuchttechnologie sollten wir dem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken.“ Vielleicht war es einst dem Dichterfürsten in seinem Ster - bezimmer schlicht und einfach zu dunkel, so wie Renate Hammer. Also bitte: „Mehr Licht!“ N 42 | 43 298 Porträt Renate Hammer

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Fehlanzeige Die flimmernde Stadt Fassaden, über die dynamische Lichtwellen jagen, erheben sich vor dem Nachthimmel. Firmenzentralen schlüpfen in schillernde LED-Kleider. Einkaufszentren verwandeln sich in dreidimensionale Werbescreens. Die Großstadt leidet heute an einem Übermaß an Lichtdesign und Inszenierung. Im privaten Wettbewerb um mehr Aufmerksamkeit tritt die Beleuchtung des öffentlichen Raums oft schon in den Hintergrund. Dabei wäre die Einordnung privater Strahlkraft unter kommunale Beleuchtungskonzepte ein zentraler Baustein einer Demokratisierung des urbanen Kunstlichts. Wesentliche öffentliche Gebäude, die der allgemeinen Orientierung dienen, wären dann in der Hierarchie der leuchtenden Stadt endlich wieder in den Vordergrund zu stellen, um im Zusammenspiel mit einer dezenten, nutzungsorientierten Allgemeinbeleuchtung die Handlungsoptionen der Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen zu erweitern – auch nach Einbruch der Dunkelheit. Gegenwärtig erobert die LED-Lichttechnik nicht nur Innenräume, sondern zunehmend auch den Stadtraum. Vor einer übereilten Euphorie sollte aber gewarnt werden. Wird die LED-Technologie im Bereich der Außenraumbeleuchtung eingesetzt, ist aufgrund der Höhe der erforderlichen Lichtstärke mit einer sehr hohen Blendwirkung zu rechnen, und so ist gerade die energetische Effizienz der Leuchten – bisher das gerne angeführte Hauptargument für den vermehrten Einsatz von LEDs – infrage gestellt. Nachdenklichkeit und Entschleunigung könnten da auch in Fragen der öffentlichen Beleuchtung ein Gebot der Stunde sein. Andre Krammer N Das nächste Heft „Jeder hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit anderen Eigentum innezuhaben. Niemand darf will kürlich seines Eigentums beraubt werden“, heißt es in Artikel 17 der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen. Was aber bedeutet Eigentum in rechtlicher, technischer und kultureller Hinsicht? Während die einen dem Eigentum Misstrauen ent gegenbringen, fordern andere vehement ein, es zu schützen und zu sichern. Ist Eigentum Verpflichtung oder gar Diebstahl? Der Frage, welche Rolle Eigentum spielt, auch im Zusammenhang mit aktuellen wirtschaftlichen Themen wie Commons und Sharing Economy, gehen wie in KONstruktiv 299 nach. Karl-Heinz Klopf: JALAN PELEM SEWU, JALAN k. H. ALI MAkSUM, JALAN PARANGTRITIS (aus der Serie Streets, 1996 – fortlaufend)

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Von oben gesehen begrüßt die Erde Gäste aus dem Weltall mit gebührender Festbeleuchtung, egal ob es sich um Götter oder Außerirdische handelt. Ein ebenso glänzender Empfang wird heimkehrenden Astronauten bereitet. Der Planet legt sein prunkvolles Geschmeide an und lockt die Himmlischen mit einem Kleid aus funkelnden Diamanten, als gälte es, dem Kosmos mit Lichtsignalen zu künden, dass hier mehr als Erde, dass hier Leben ist. Die kosmische Perspektive ist seit den alten Griechen die kosmetische des Schmucks. Wir Erdlinge haben naturgemäß eine Erd­ und Bodenperspektive, denn Staub sind wir und zu Staub sollen wir werden. Im gleißenden Lichtermeer der Metropolen erblicken wir eine besondere Form von Schmutz. Analog zur Verschmutzung des Meeres gilt nun auch die Nacht als lichtverschmutzt: Kinder können nur noch auf dem Lande die Milchstraße bestaunen, Astronomen nur noch in zivilisationsfernen Gegenden ihre Arbeit verrichten. In einer lauen Sommernacht verenden an einer einzigen Straßenlaterne um die 150 Insekten. Die Wachstumszyklen von Pflanzen werden nicht nur bewusst in der Gärtnerei, sondern auch im Unbewussten der Nacht vom Lichte beeinflusst. Laubbäume in der Nähe von Straßenlampen erliegen der Illusion eines verlängerten Sommers und verlieren ihre Blätter zu spät. Vögel fliegen gegen erleuchtete Fenster von Hochhäusern (das „Tower­Kill­Phänomen“). Meeresschildkröten finden nicht rasch ins Wasser zurück, wenn es am Strand zu hell ist. Dies erhöht für sie die Gefahr, von anderen Tieren gefressen zu werden. Dass auch der Mensch sein eigenes Lichtopfer ist, sucht nun die Wissenschaft zu beweisen. Der Verdacht, Altvater Edison könnte das frühere Einsetzen der Pubertät, Unregelmäßigkeiten der Menstruation und sogar Brustkrebs zu verantworten haben, hat sich indes noch nicht endgültig beweisen lassen. Immerhin gibt es schon Gesetze gegen die Lichtverschmutzung, weitere sind geplant. Ob die Jahrtausende währende Geschichte zunehmender Helligkeit sich nun in ihr Gegenteil wendet, steht in jenen Sternen, die man immer schlechter sehen kann. Wolfgang Pauser N